Das Musiktheater im Revier präsentiert mit “On the Town” das Musical-Erstlingswerk von Leonard Bernstein, das hier in seiner ursprünglich konzipierten Version präsentiert wird.
So verwundert es erst einmal, dass das Musical nicht mit einer großen Ouvertüre beginnt – wie es bei der Uraufführung 1944 aufgrund der Vorgabe der Produzenten und nicht nach den Vorstellungen des Kreativteams gehandhabt wurde – sondern szenisch in die Handlung führt. Diese erzählt vom Landgang der drei Matrosen Gabey, Chip und Ozzie, die 24 Stunden haben, um das New Yorker Stadtleben auszukosten. In der U-Bahn entdeckt Gabey ein Plakat der “Miss U-Bahn des Monats: Ivy Smith”, die er fortan finden und kennenlernen möchte, was die drei in eine Reihe von Abenteuern und amourösen Verwicklungen stürzt.
Carsten Kirchmeier inszeniert die Geschichte stringent, kann allerdings nicht verhindern, dass der erste Akt mit seinen fast 90 Minuten oft etwas langatmig daherkommt. Es ist lobenswert, dass die ursprüngliche Fassung präsentiert wird, allerdings hätten einige Kürzungen der Inszenierung gut getan. Besonders die schön anzusehenden Balletszenen, die die Großstadtatmosphäre und Stimmungen reflektieren, bremsen die Handlung fast vollständig aus. Sie dienen weder als klassische Musical-Shownummern, noch fördern sie den eigentlichen Fortgang der Handlung.
Das sehenswerte, auf einer Drehbühne aufgebaute Bühnenbild von Jürgen Kirner stellt sich eigentlich als äußerst flexibel dar. Die Umbauten sind allerdings ab und an etwas zeitintensiver, sodass die Inszenierung immer wieder ins Stocken gerät. Kirner nutzt riesige Transportkisten in verschiedenen Formen und Größen, die einerseits die Skyline von Manhattan symbolisieren, andererseits durch Öffnen der Kisten – in Kombination mit Vorhängen und kleineren Requisiten – neue Räumlichkeiten entstehen lassen. Vom Apartment, über Coney Island bis hin zum großen T-Rex-Skelett im Naturkundemuseum, zeigt sich sein Bühnenbild sehr abwechslungsreich. Trotzdem ist anzumerken, dass die Verwendung dieser Transportkisten, die sicherlich auch ein Querverweis zu den Themen Reise und Seefahrt darstellen sollen, insgesamt einen recht sterilen Gesamteindruck machen. Ein wenig mehr Farbe, auch durch die Beleuchtung, hätten dieser Idee den letzten Schliff gegeben.
Das Ensemble setzt sich fast ausschließlich aus klassischen Sängerinnen und Sängern zusammen, was oft nachteilig für Musicalproduktionen ist. Glücklicherweise überzeugen die Hauptdarsteller Piotr Prochera (Gabey), Michael Dahmen (Chip) und E. Mark Murphy (Ozzi) durch Spielfreude und den Kompositionen entsprechenden zurückgenommenen Gesang, der nur selten in den Höhen zu opernhaft und schwer klingt. Dass die voluminösen Stimmen für jugendliche Matrosen etwas unpassend sein könnten, mag Geschmackssache sein.
Bei den Damen sticht vor allem Judith Jakob als tollkühne und energiegeladene Taxifahrerin Hildy heraus. Die ausgebildete Musicaldarstellerin fällt sowohl stimmlich als auch darstellerisch äußerst positiv aus den Rahmen. Mit Schwung, Witz und passender Beltstimme ist sie die auffälligste Person auf der Bühne. Schade, dass nicht das ganze Ensemble ein wenig von dieser Energie annimmt, denn insgesamt wirkt der Großteil der Operndarsteller und -darstellerinnen gerade im direkten Vergleich zu Judith Jakob etwas gemächlich.
Wenig Kritikpunkte gibt es dagegen am Orchester unter der Leitung von Rasmus Baumann, denn die musikalische Seite gehört zu den Highlights der Inszenierung. Grandios wie die jazzigen Momente herausgearbeitet werden, toll wie nuanciert die Kompositionen durch das Theater hallen und einfach wunderbar, ein Musical von so einem großen Orchester dargeboten zu bekommen. Das wunderschöne Quartett “Some Other Time” stellt schließlich kurz vor Ende den musikalischen Höhepunkt dar, denn vier wunderbare Stimmen, ein Bühnenbild mit riesigem Mond am Horizont und ein sensibles, fein geführtes, voluminös schwelgendes Orchester verzaubern auch den letzten Skeptiker. In Zeiten der orchestralen Sparversionen bei den privaten Anbietern macht sich nach dem Besuch von “On the Town” einmal mehr bemerkbar, was ein groß aufspielendes Orchester für ein Musical und deren Gesamteindruck bedeuten kann.
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