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Etwas unentschlossen bzw. ratlos verlässt der Rezensent das Theater. Ist es gut? Ist es schlecht? Die Inszenierung von Wolfgang Türks hat viele tolle Ansätze und Ideen, doch irgendwie wird kein homogenes Ganzes daraus.
Im gelungenen Einheitsbühnenbild von Beata Kornatowska – ein Schrank, Pulte, eine große Tafel und ein Baum in der Mitte, alles angeordnet auf einem angeschrägten Podest – inszeniert Türks die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher, die von ihren Eltern in Normen und Werte gezwängt werden, die in Überforderung und Tod münden. Themen wie Missbrauch und Gewalt an Kindern, Leistungsdruck und Erwartungen der Gesellschaft bzw. der Eltern an die Kinder sind auch über 120 Jahre nach Entstehung von Wedekinds Tragödie aktuell. Auch wenn die Aufklärung der Kinder heute nicht mehr ein so großes Problem für die Eltern darstellt, zeigt sich durch die hohe Zahl an Teenagerschwangerschaften und Abtreibungen, dass auch dieses Thema nicht an Aktualität eingebüßt hat.
Türks inszeniert abwechslungsreich, um die Geschichte zu erzählen. So werden an eine Tafel die jeweiligen Songtitel geschrieben oder auch schon mal Auszüge aus vorgelesenen Briefen oder Songs. Während das Bühnenbild und die Kostüme im 19. Jahrhundert verankert sind, werden Songs oft mit modernen Handmikros gesungen. Ein Stilmittel, das schon in der Originalinszenierung genutzt wurde und gut den Ausbruch aus den Zwängen und das Wiedergeben der Gedanken verdeutlicht. Leider nicht konsequent umgesetzt, denn ab und an wird auch nur über die Mikroports gesungen.
Der erste Akt kommt trotz der gewichtigen Themen recht humorvoll und leichtfüßig über die Rampe und lädt das ein oder andere Mal zum schmunzeln ein. Man fühlt sich zwischenzeitlich fast in einer Musicalkomödie, um dann wie aus dem Nichts wieder tieftraurige und schockierende Szenen und Songs zu erleben. Das mag überraschend und abwechslungsreich sein, doch stellt sich dadurch eine starke Distanz ein. Eine richtige emotionale Bindung will sich zwischen Publikum und den Figuren auf der Bühne nicht einstellen.
Düster und dramatischer wird es im zweiten Akt, wenn sich die Probleme der Figuren zuspitzen. Schade, dass das Drama immer wieder durch unnötige alberne Momente aufgebrochen wird. Statt der ersten sexuellen Annäherung zwischen Hänschen und Ernst eine Ernsthaftigkeit zu verleihen, legt Darsteller Jan Bastel seinen Ernst wie einen leicht zurückgebliebenen geistig behinderten Erwachsenen an. Die folgende Kußszene inklusive wilder Hin- und Herrollerei mit Hänschen-Darsteller Matthias Kumer gerät übertrieben heftig.
Erst kurz vor Schluss beginnt die Inszenierung doch noch zu berühren und der letzte Song “Das Lied vom Wind des Sommers” – toll Inszeniert als eine Art Abspann, bei dem die Darsteller kleine Tafeln mit ihrem richtigen Namen in der Hand halten – sorgt für einen wirklichen Gänsehautmoment.
Das Ensemble überwiegend aus Musicalstudenten der Folkwang-Hochschule spielt engagiert und wirft sich mit Elan in die Rollen. Musikalisch klingt nicht alles immer rund und leider wirkt der Großteil der Darsteller viel zu alt für die auszufüllenden Rollen und verliert somit an Glaubwürdigkeit. Bei Julian Culemann als Melchior fällt zusätzlich auf, dass den rockigen Kompositionen eine durchaus ordentliche Musicalstimme nicht unbedingt entgegenkommt. Einzig Anna Preckeler in der kleineren Rolle der Ilse macht gesanglich auf sich aufmerksam und wirkt routiniert und überzeugend. Christa Platzer und Daniel Berger unterstützen in verschiedenen Erwachsenenrollen das junge Ensemble abwechslungsreich und solide.
Insgesamt fehlen der Inszenierung Tempo und Dynamik. Die Band unter der Leitung von Patricia Martin spielt engagiert, doch könnte die teils rockige Musik druckvoller abgemischt über die Rampe kommen. So verlieren Songs wie “Verficktes Leben” doch einiges an Potential und auch die schlecht ausgesteuerten Mikrofone, die oft zu leise sind und somit der Textverständlichkeit entgegenstehen, schmälern den Gesamteindruck.
“Frühlings Erwachen” ist eine Inszenierung, die durchaus sehenswert ist, aber noch Verbesserungspotential bietet und im Finale ihren wunderschönen und ganz besonderen Moment hat.
Musical nach “Frühlings Erwachen” von Frank Wedekind
Buch und Liedtexte von Steven Sater
Musik von Duncan Sheik
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KREATIVTEAM |
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Regie | Wolfgang Türks |
Choreographie | Kati Farkas |
Bühne und Kosüme | Beata Kornatowska |
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CAST (AKTUELL) |
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Wendla Bergmann | Sandra Pangl |
Ilse | Anna Preckeler |
Martha | Léonie Thoms |
Thea | Inga Krischke |
Anna | Yvonne Forster |
Ina | Vera Weichel |
Erwachsene Frau | Christa Platzer Martina Mann |
Melchior Gabor | Julian Culemann |
Hänschen | Matthias Kumer |
Moritz Stiefel | Angelo Canonico |
Ernst | Jan Bastel |
Georg | Tim Al-Windawe |
Otto | Richard-Salvador Wolff |
Erwachsener Mann | Daniel Berger |
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GALERIE |
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