Überzeugende Inszenierung von Gil Mehmert, die das Werk von 1947 tagesaktuell erscheinen lässt. Es scheint, als würde jegliche technische Weiterentwicklung keine Einfluss auf die menschliche Entwicklung (zumindest die der letzten gut 65 Jahre) haben.
Eine moderne Häuserwand, schräg auf der Bühne liegend, bildet das zentrale Bühnenelement im Einheitsbühnenbild von Heike Meixner . Assoziationen mit heutigen Neubausiedlungen bzw. den aus den DDR bekannten Plattenbauten scheinen gewünscht. Hinzu kommen passende Requisiten, wie einfache Plastikstühle und eine metallene Mülltonne. Die Bewohner dieser Häuserzeile präsentieren sich in einfacher, unförmiger Kleidung (Kostüme: Steffi Bruhn), die an Menschen aus schwierigen Milieus erinnern, die man nachmittäglich auf den privaten Fernsehsendern in verschiedensten Sendungen sehen kann.
Das ist der Ort einer Geschichte über Träume, Verluste, Sehnsüchte, Neid und zerstörte Hoffnungen. Im Mittelpunkt der Handlung steht Anna Maurrant, die immer noch daran glaubt, ausbrechen zu können und die nur noch aus pragmatischen Gründen mit ihrem aggressiven Mann Frank zusammen ist. Ihre Liebe ist längst erloschen und um ihre Wünsche nach Zärtlichkeit und Liebe zu stillen, fängt sie eine Affäre mit dem Milchmann Steve Sankey an. Eines Tages kommt ihr Ehemann früher nach Hause, ertappt die beiden Liebenden auf frischer Tat und erschießt sie schließlich aus Eifersucht. Rose, die Tochter des Ehepaares, ist in den Studenten Sam verliebt und beide erhoffen sich eine gemeinsame Zukunft, doch entscheidet sich Rose nach dem Unglück, allein mit ihren Bruder den Ort zu verlassen und lässt Sam zurück.
Ergänzt wird diese zentrale Handlung durch die einzelnen Schicksale der anderen Hausbewohner. Verschiedene ethnische Minderheiten suchen nach Glück und Erfolg. Doch beklagen sie Neid und Missgunst unter den Menschen, sind aber auch nicht unbedingt besser, wenn es um Klatsch und Tratsch geht. Die Verrohung, Vereinsamung, Anonymität und Oberflächlichkeit der Menschen, sowie das Zerbrechen von Beziehungen und der Verlust von Hoffnungen, die man in der ersten Zeit der Verliebtheit hat, sind zentrale Themen, die in Mehmerts Inszenierung besonders zum Vorschein kommen.
Musikalisch präsentiert sich die amerikanische Oper von Kurt Weill als Mischform zwischen Oper und Musical. Weill benutzte Anklänge von Blues, Jazz und typisch amerikanische Melodien aus dem Broadwaybereich, um sein ganz eigenes Gesamtwerk zu schaffen. So schließen sich durchaus klassische Opernarien an beschwingte Tanznummern an, die auch aus anderen Musicals dieser Zeit stammen hätten können. Das Orchester unter der Leitung von Heiko Mathias Förster verschmilzt die verschiedenen Stile routiniert und bietet damit einen Hörgenuss.
Eine Stärke des Gelsenkirchener Opernensembles ist seit Jahren das gute Schauspiel und die Spielfreude, keine Selbstverständlichkeit für die Oper. Und so wirkt “Street Scene” durchweg überzeugend und ist auch gesanglich auf der Höhe. Herausragend sind Joachim G. Maaß als Frank Maurrant, Anke Sieloff (von der vorher angekündigten Erkältung merkt man in der besuchten Vorstellung nichts) als Tratschtante Emma Jones und Dorin Rahardja als Rose Maurrant. Absolventen der Folkwang Hochschule unterstützen das Hausensemble und tragen zum gelungenen Gesamteindruck bei.
Diese Inszenierung und dieses Stück sind ein empfehlenswertes Beispiel für die breite Palette des amerikanischen Musiktheaters und beweisen die Aktualität der menschlichen Gefühle jenseits der Epochen.
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