Die deutsche Erstaufführung des 80 Jahre alten Gershwin-Musicals begeistert mit zeitloser Musik und verblüffend aktueller Handlung. Die großartigen Hauptdarsteller sprühen vor Spielfreude, Matthias Davids’ glanzvolle und pointenreiche Inszenierung bringt den Broadway in den Pott.
“Die Vereinigten Staaten von Amerika sind hier auf einem ihrer beliebten Auslandseinsätze!” – “Was wollen Sie, einen kleinen oder einen großen Krieg? – Ein kleiner Krieg lohnt sich ja nicht!” – “Wir haben diese Schweizer satt, wir machen ihre Alpen platt!”: In der beißend-komischen Realsatire über Käse, Krieg und Liebe wird schnell deutlich, dass die Darstellung der USA als imperialistische und bisweilen ignorante Großmacht auch nach einem knappen Jahrhundert nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Dabei bleibt Ira Gershwins genialer Wortwitz dank der rundum gelungenen Übersetzung von Roman Hinze durchgängig erhalten, und George Gershwins zeitlose Songs lockern immer wieder die (trotz radikaler Kürzungen durch Regisseur Matthias Davids) für heutige Verhältnisse etwas langatmigen Dialoge auf. Auch das Buch hat es in sich: Wenn sich vier der Haupdarsteller mit Silberperücken und Uncle-Sam-Hüten als “höchstpatriotische Vereinigung” verkleiden, daraufhin schweizerische Bücher verbrennen wollen und für die Abschaffung der freien Meinungsäußerung eintreten, dann kann man nicht anders, als die beinahe prophetisch anmutenden Einfälle von Buchautor George S. Kaufman zu bewundern.
Davids gelingt mit feinem Gespür für Situationskomik eine leicht-lockere, nie ins Alberne abdriftende Umsetzung des absurden Stoffs, er inszeniert konsequent nach der Vorlage von 1927 und aktualisiert nur die Ausstattung – es kommen Laptops, Plastikstühle und Sturmgewehre zum Einsatz – und wenige Textstellen. Das tut dem Stück gut. Originelle Einfälle für die Rahmenhandlung wie die schweizerdeutsche Ansage zu Beginn und Käsehäppchen fürs Publikum nach der Pause passen dabei ebenso ins Bild wie die kostümierte Souffleuse oder die Schiffsszene, für die der wie ein Oberdeck gestaltete Orchestergraben auf Bühnenniveau hochfährt. Natürlich singt man an der Reling Liebeslieder, aber auch hier wird Davids nie schmalzig oder albern.
Das durchweg großartige Ensemble besteht aus Mitgliedern des Hauses und Gästen, wobei zwischen beiden Gruppen qualitativ überhaupt kein Unterschied auszumachen ist. Von Gaines Hall in der Rolle des unangepassten Journalisten Jim Townsend hätte man gern mehr gesehen, seine Gesangs- und Steppeinlagen überzeugen aber wie immer. Joachim Gabriel Maaß als Käsemagnat Horace Fletcher, Anke Sieloff als seine Tochter Joan und Eva Tamulénas (Mrs. Draper) singen stark und haben sichtlich Spaß an ihren Rollen. Filipina Henoch steppt, tanzt und spielt fantastisch, ihre Stimme hat genau die richtige jugendliche Frische für die quirlige Anne Draper, ihre Bühnenpräsenz ist umwerfend. An den Gesangs- und Tanzduetten mit Bühnenpartner Philippe Ducloux (Timothy Harper), der in nur zehn Tagen Probenzeit für den verletzten Patrick Schenk einsprang, kann man sich gar nicht sattsehen und -hören. Daniel Drewes’ grandios-groteske Kurzauftritte als Telefoninstallateur, Telegrammbote und General sind unheimlich komisch, er wird schnell zum Publikumsliebling. Chor und Statisterie machen ihre Sache viel besser, als man es von diversen Stadttheaterproduktionen gewohnt ist, und fügen sich als Fabrikarbeiter, Soldaten oder Schweizer Bürger mit viel Spielfreude nahtlos in die Aufführung ein. Leider sind sie nicht immer gut zu verstehen, und die projizierte Übertitelung der Songs wird von den Scheinwerfern der Lichttraverse “überstrahlt”, so dass sie kaum zu lesen ist.
Die knallbunten Kostüme von Judith Peter, das variable Bühnenbild von Knut Hetzer und Melissa Kings abwechslungsreiche Choreographien tun ihr übriges für eine durchweg gelungene Show, und mit der Unterstützung durch Kai Tietje und seine blendend aufspielenden Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen kommt der Broadway auf die Bühne des MiR.
Sa, 08.12.2007 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | Premiere |
Fr, 14.12.2007 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Di, 18.12.2007 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
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Mi, 19.12.2007 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Sa, 22.12.2007 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Fr, 28.12.2007 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Do, 03.01.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Fr, 04.01.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Sa, 12.01.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Fr, 18.01.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Sa, 19.01.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Sa, 09.02.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Sa, 16.02.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
Sa, 23.02.2008 19:30 | Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen | |
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