Kommentar zum Streit um Gästeverträge in Magdeburg

Kurzer Prozess: Offenbar aus Kostengründen engagiert die Oper Magdeburg für die Wiederaufnahme ihrer gefeierten “West Side Story” keinen der bisher engagierten sechs Gastdarsteller wieder. Die gesamte Produktion soll nun vermutlich (offiziell äußert sich das Theater dazu nicht) aus dem eigenen Ensemble besetzt werden. Carsten Lepper, einer der betroffenen Darsteller, kritisiert das in einem offenen Brief. Der Vorfall belegt, unter welchem massiven Druck die Stadttheater stehen. Ihnen vorzuwerfen, dass sie sich um Einsparungen bemühen, wäre unfair. Das Beispiel Magdeburg zeigt aber auch, wie ein Theater mit ungeschicktem Verhalten viel Porzellan zerschlagen kann.

Dass die Situation für die Stadttheater ernst ist, kann niemand bestreiten. Die Kommunen, die das weltweit in diesem Umfang einmalige deutsche Stadttheaterwesen finanzieren, befinden sich in einer dramatischen finanziellen Situation. Theaterzusammenlegungen gab es schon, Schließungen stehen an. Auch in vielen bisher noch nicht akut betroffenen Kommunen werden sich bald Fragen stellen wie: Schließen wir das Schwimmbad oder das Theater?

Mal abgesehen von der konkreten Produktion in Magdeburg und der Frage, ob sich dort alle Rollen adäquat aus dem Hausensemble besetzen lassen: Dass die Verantwortlichen lieber bei Externen sparen als das eigene Ensemble zu verkleinern, kann man ihnen nicht verdenken. In Magdeburg gilt laut Bühnengenossenschaft bereits ein Haustarifvertrag, es wird also auch beim fest angestellten Personal gespart. Da ist es schwierig, viele Gäste zu rechtfertigen – und davon hat es in Magdeburg dank der begrüßenswert ambitionierten Musicalproduktionen im Haus und Open-Air in den vergangenen Spielzeiten einige gegeben.

Was Lepper und wohl auch die anderen Beteiligten zu Recht befremdet, ist der Holzhammer, mit dem nun vorgegangen wird. Niemand bezweifelt das Recht der Intendanz, über Umbesetzungen zu entscheiden. Es ist aber eine Frage des Respekts, die Betroffenen frühzeitig einzubinden, solch massive Personalveränderungen mit dem Kreativteam zu besprechen und auch der Öffentlichkeit zu erklären. Nichts davon ist geschehen. Auf Nachfrage teilt das Theater der Musicalzentrale mit, Intendantin Karen Stone werde sich nicht zu dem offenen Brief äußern, “da dieser auch nicht an das Theater Magdeburg adressiert ist”. Zudem müsse gängige Theaterpraxis nicht extra kommentiert werden. Warum setzt sich das Theater auf solch ein hohes Ross, statt die Motive zu erklären und um Verständnis zu werben? Argumente gäbe es doch.

Musicaldarsteller und Kreative brauchen die Stadttheater. Diese bieten Beschäftigungsmöglichkeiten und (im günstigsten Fall) Raum für Kreativität. Aber die Verantwortlichen in den Theatern sollten nicht vergessen, dass sie in den sich abzeichnenden Spar- und Schließungsdebatten nur bestehen können, wenn sie von den Bürgern geachtet und geliebt werden. Und dafür brauchen sie (auch) das Musical. Man kann nicht sagen, dass zwischen dem Genre Musical und dem Stadttheaterwesen jemals eine Liebesbeziehung bestanden habe. Jetzt in der Krise ist es höchste Zeit, das zu ändern. Gegenseitiges Respektieren wäre ein Anfang.

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