Stefan Huber: Angst hatte ich nicht

[Drei Fragen an …] Sunset Boulevard ohne den ganz großen Bühnenzauber. Geht das überhaupt? Stefan Huber wagte sich für das Opernhaus Magdeburg an die Neuinszenierung und spricht in der dritten Folge unserer Serie auch über Stück-Neuentwicklungen und das Lachen im Theater.

Herr Huber, Sie wagten sich seit der Freigabe der Aufführungsrechte als erster Regisseur an eine freie Inszenierung von “Sunset Boulevard”. Hatten Sie keine Angst, dass sich Ihre Inszenierung nicht an der Opulenz der Originalproduktion messen kann und im Schatten der weltweit erfolgreichen Großproduktion steht?

Angst hatte ich nicht; die ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. In erster Linie konzentriere ich mich immer auf die Geschichte, in diesem Fall war es die Geschichte um Norma und Joe, die Billy Wilder bereits in seinem Film so spannend und atmosphärisch stark erzählt hatte. Glücklicherweise hält sich auch das Musical-Libretto eng an die Filmvorlage. Da an einem Repertoiretheater wie Magdeburg die Höhe des Ausstattungsetats einen verschwindend kleinen Bruchteil des Etats der Originalproduktion darstellt, kam der Gedanke, sich an deren Opulenz zu messen gar nicht erst auf. Natürlich überlegt man sich, wie man den immensen Reichtum von Norma Desmond auf der Bühne darstellen soll. Bevor er aber aus Kostengründen eher schlecht als recht nachgebildet wird, sucht man lieber nach einer Übersetzung, nach einer Metapher, die der Bühne eine eigene Erzählkraft ermöglicht. Dass dies dann – wie z. Bsp. auch hier im Forum – kontrovers behandelt wird, halte ich für spannender, als um jeden Preis dem Original nachzueifern. Im Übrigen war es nicht zuletzt die überteuerte Ausstattung der Originalproduktion, die Sunset Boulevard – kommerziell gesprochen – zu einem “Hit-Flop” gemacht hat.
Prinzipiell stehen für mich in jeder Inszenierung die DarstellerInnen, ihre Figuren und deren Interpretation im Zentrum. Natürlich mag auch ich ab und zu Theaterzauber und eine aufwändige Ausstattung. Ich finde allerdings, dass sich Inszenierungen hierzulande – insbesondere bei Großproduktionen – oft mehr auf Ausstattungseffekte konzentrieren, als auf die genaue Erarbeitung von Figuren, Situationen und Geschichten.

Mit “Die Schweizermacher” haben Sie ein neues Musical mitentwickelt und inszeniert. Wie sind Ihre Erfahrungen bei der Entwicklung dieses Stückes? Ist es spannender, bei der Entstehung eines neuen Werkes dabei zu sein oder ist es für einen Regisseur herausfordernder, ein bereits vorhandenes Gerüst neu zu inszenieren?

Die Stückentwicklung von “Die Schweizermacher” war eine sehr beglückende Erfahrung. Die Zusammenarbeit mit den Autoren war äußerst professionell, klug, entspannt und inspirierend. Und die gute und wohlwollende Betreuung von Seiten der Produzenten hat durch Readings, Workshops und ausgiebige Castings eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung von Musik und Buch ermöglicht. So fließt natürlich sehr viel Herzblut in diese Arbeit und man identifiziert sich – mehr als sonst – mit jeder Figur, jedem Satz und jeder Note, weil man genau weiß, wann, wie und warum alles irgendwann einmal entstanden ist. Unter diesen Umständen war es sicher aufregender und spannender, die Inszenierung Hand in Hand mit der Stückentwicklung zu erarbeiten, als ein bereits gespieltes und erprobtes Werk neu zu inszenieren. Allerdings läuft es nicht immer so; ich habe in Bezug auf Uraufführungen auch schon ganz andere Erfahrungen gemacht. In solchen Fällen sehnt man sich dann nach bewährtem Material, das man neu interpretieren kann.

Für die Thuner Seespiele im Sommer nächsten Jahres geht mit “Gotthelf” erneut eine Uraufführung ins Rennen, für die Sie verantwortlich zeichnen. Ist das Zitat “Wer die Menschen nicht zum Lächeln bringt, kann auch ihre Herzen nicht berühren” eine bloße Aussage der Hauptfigur oder spiegelt sich darin auch Ihre Arbeit beim Inszenieren wider?

Vor allem ist es eine Aussage des Gotthelf-Autors Charles Lewinsky, die ich aber gerne unterschreibe. Lachen lockert das Zwerchfell. Und ein lockeres Zwerchfell ermöglicht einen direkteren Zugang zur Seele. Diesen Mechanismus hatte unter anderen schon Shakespeare entdeckt, und nicht wenige gute Musicals funktionieren nach diesem Prinzip. Berechnen lässt sich dessen Wirkung allerdings nie. In unserer Branche wird ja oft auf das sogenannte “breite Publikum” geschielt. Das ist sicher wichtig. Aber manche Produzenten glauben, erfolgreiche Musicals lassen sich nach einem bestimmten Schema schreiben und orientieren sich dabei an kommerziellen Erfolgen der Vergangenheit. Dabei verschließt man sich ungewollt dem Neuen, Ungewohnten und Überraschenden. Ich glaube, das Publikum hat durchaus einen eigenen und wechselnden Geschmack. Es ist von Grund auf neugierig, solange man es nicht einlullt. Deshalb lasse ich mich in meiner Arbeit gerne davon leiten, ob ich selber beim Zuschauen noch lächeln kann, berührt werde und mitdenke. Und hoffe, dass es dem Publikum auch so gehen möge…

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