Die Neuordnung der Funkfrequenzen könnte die Theater Hunderte Millionen Euro kosten, warnt der Deutsche Bühnenverein. Viele Details sind aber noch unklar – und am Ende könnte das Problem auch deutlich kleiner sein.
Die Warnung des Deutschen Bühnenvereins ist eindringlich. Der Bund müsse die derzeit laufende Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen sofort stoppen, fordert der Bundesverband in einer Pressemitteilung. Die Umstellung werde die Kulturbranche mehrere Hundert Millionen Euro kosten – und der Bund als Nutznießer der Änderung ziehe sich, anders als ursprünglich zugesagt, aus der Verantwortung.
Worum geht es? Ein bestimmter Bereich der Funkfrequenzen – von 790 bis 862 Megahertz (Mhz) – wird bisher für Funkmikrofone etwa in Theatern und auf Messen verwendet. Diese arbeiten in einem bestimmten Frequenzbereich. Wenn, wie im Musical üblich, mehrere Sendestrecken nebeneinander betrieben werden, hat jede eine bestimmte Frequenz, damit sie die anderen nicht stört. Eine funkt zum Beispiel auf 792 Mhz, die nächste auf 796, die übernächste auf 802. Das ist an jeder Sendestrecke einstellbar und führt – wenn viele Microports nebeneinander benutzt werden – dazu, dass ein relativ breites Frequenzband belegt ist. Der nun in der Diskussion stehende Frequenzbereich ist für den Betrieb solcher Sendeanlagen freigegeben und daher auch in den Geräten, die man zumeist in Zwei- bis Vier-Mhz-Schritten verstellen kann, fest programmiert.
Nun versteigert der Bund genau dieses Frequenzband, was zur Konsequenz haben wird, dass nach einer Übergangszeit die Mobilfunkanbieter mit ihren starken Sendemasten auf diesen Frequenzen funkbasierte Internetlösungen anbieten werden. Die Mobilfunksender sind wesentlich stärker als der Sender eines Microports und können dessen Übertragung überlagern und stören. Zudem wird der Betrieb von Microports in diesem Frequenzbereich nicht mehr zulässig sein (sofern nicht nachgewiesen wird, dass ein störungsfreier Betrieb möglich ist). Für Geräte der neueren Generation (beim Marktführer Sennheiser die Evolution-2-Serie, die seit fünf Jahren auf dem Markt ist) gibt es das Angebot, die Sender einzuschicken und auf die neuen, dann für Microports zulässigen Frequenzen (das sind die des ehemaligen analogen Fernsehens) kalibrieren zu lassen. Ältere und günstigere Geräte anderer Marken werden sich nicht umprogrammieren lassen.
Und da beginnt die Sorge der Theater. Sie fürchten, dass ein Teil ihrer teuren Mikrofonanlagen schlicht nicht mehr funktioniert und ersetzt werden muss. Der Deutsche Bühnenverein rechnet für ein kleines Dreispartenhaus mit Umrüstungskosten von 300.000 Euro. Zusätzlicher Haken: Anders als bisher soll die Genehmigung für die neuen Frequenzen (es geht um den Bereich 710 bis 790 Mhz) Geld kosten, nämlich neun Euro pro Jahr und Sendestrecke (also vereinfacht gesagt: pro auf der Bühne eingesetztem Microport). Und laut technischer Abteilung der Stage Entertainment ist unklar, ob überall genügend Frequenzen in diesem Bereich zur Verfügung stehen, denn im neuen Bereich sendet auch das digitale Antennenfernsehen DVB-T – und das hat Vorrang und ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich stark belegt. Für Bereiche mit höheren Frequenzen, die die Bundesnetzagentur ebenfalls den Theatern zur Verfügung stellen will, gibt es noch keine Geräte auf dem Markt.
Was bedeutet das konkret? Die Stage Entertainment rechnet mit Umrüstkosten von 40.000 Euro pro Theater. “Das logistische Problem, dass dies nicht am spielfreien Montag/Dienstag zu machen ist, ist nicht berücksichtigt”, heißt es aus der technischen Abteilung. Konkurrent Mehr! Entertainment (“Starlight Express”, “Hairspray”) will sich auf Anfrage nicht äußern. Der Technische Leiter von Schmidt Theater und Schmidts Tivoli, Volker Filipp, rechnet für die beiden Häuser zusammen mit Kosten von 90.000 bis 100.000 Euro. Bei den Burgfestspielen Bad Vilbel, die sich ihre Anlage jeweils für die Spielzeit leihen, rechnet man damit, dass der Verleiher die noch nicht bezifferten, aber wohl hohen Investitionskosten an die Festspiele weiterreicht. Der Verleiher wiederum geht davon aus, dass mit den bisherigen Frequenzen noch zwei Jahre lang gespielt werden kann. “Dann wird zunehmend das drahtlose 100-Mbit-Internet reinstreuen.” Mehrere ebenfalls befragte Stadttheater äußerten sich nicht zu dem Thema.
Viele Details sind noch ungeklärt. Es könnte auch sein, dass sich das Problem am Ende weniger dramatisch darstellt als derzeit von vielen vermutet. Im Verleih- und Tourneegeschäft geht man von der Lebensdauer einer Sendestrecke von drei Jahren aus. Da die Mobilfunker erst nach einer Übergangszeit senden werden, sind viele der heute betriebenen Geräte bis dahin vermutlich sowieso schon außer Betrieb und durch auf die neuen Frequenzen programmierte Microports ersetzt.
Bei Anlagen, die fest in bestimmten Häusern installiert sind, ist der Verschleiß geringer. Da werden einzelne Theater unterschiedlich stark betroffen sein – je nachdem, wie alt die Anlagen und was für Geräte im Einsatz sind. Unklar ist, wie lang die Übergangsfrist ist. Unklar ist auch, welche Abdeckung die neuen Sendeanlagen bieten und wo sie stören – denn wenn störungsfreier Betrieb im Einzelfall möglich ist, dürfen auf Antrag auch die alten Frequenzen weiterverwendet werden. Was der Bühnenverein nicht sagt, ist, dass die Theater nicht nur Geld ausgeben, sondern auch etwas dafür bekommen: neue Tontechnik, die irgendwann sowieso hätte angeschafft werden müssen. Die eigentlichen Kosten der Umstellung sind also nicht die Investitionskosten, sondern der Restwert der gebrauchten Geräte, die dann nicht mehr genutzt werden können. Denn letztlich müssen die Theater die Geräte nur früher kaufen, als sie es sonst sowieso getan hätten. Der Schaden ist also wohl deutlich geringer als vom Bühnenverein geschätzt.
“Das wird im Moment alles heißer gekocht als gegessen”, sagt ein Veranstaltungstechniker, der im Verleihgeschäft tätig ist. “Wir müssen mal abwarten, inwieweit die ständige Erneuerung der Geräte im laufenden Betrieb nicht sogar schneller ist, als es die Mobilfunkanbieter sind.”