© Bernhard Wolf
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Synchron als zweites Standbein

Die gebürtige Wienerin Kathrin Hanak absolvierte 2012 ihre Ausbildung an der Bayerischen Theaterakademie in München. Seit dem war sie in zahlreichen Stadttheater-Produktionen u.a. in Hof, Eggenfelden und Trier zu sehen. Auch als Synchron- und Voice-Over-Sprecherin hat sich Kathrin einen Namen gemacht. Aktuell steht sie als Yitzhak bei “Hedwig and the Angry Inch” in Frankfurt auf der Bühne. Wir haben uns mit ihr in der Garderobe der Brotfabrik kurz vor der Vorstellung zum Interview getroffen, um über ihre Ausbildung, ihren Werdegang und ihre Pläne zu sprechen.

Du hast dein Studium an der Theaterakademie August Everding absolviert. Wie hat sich das ergeben und wie kamst du zum Musical?

Ich komme aus einem kreativen und musikalischen Haushalt und mir war schon ganz früh klar, dass ich singen, tanzen und in verschiedene Rollen schlüpfen möchte. Mit vier Jahren habe ich mit Ballett angefangen, kurz danach auch mit Step und Jazzdance. Später kam Gesangsunterricht dazu und ich war in einer Musical-Company. Er war also keine Überraschung, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe.
Nach der Schule habe ich mich an verschiedenen Hochschulen beworben und Aufnahmeprüfungen absolviert. In München hat es dann gepasst. An der Akademie habe ich mich schon bei der Prüfung sehr wohlgefühlt. So bin ich dort gelandet und sehr dankbar dafür. Unser Beruf ist geprägt von einem sehr unsicheren Lebensstil. Daher sollte die Entscheidung, diesen Weg zu gehen, sehr bewusst getroffen werden. Sonst kommt man nicht damit klar. In meinem Jahrgang waren Dustin Smailes, Vladimir Koneev, Eve Rades, Birgit Reutter, Charlotte Irene Thompson, Gero Wendorff, Julia Harneit und Denis M. Rudisch, die alle auch ein paar Jahre nach dem Abschluss in der Szene präsent sind. Dies ist keine Selbstverständlichkeit – jedoch ein Zeichen der Qualität des Studiums.

Wie hast du dein Studium erlebt und welche Bereiche lagen dir am meisten? Musstest du nebenbei arbeiten, um es zu finanzieren?

Das Studium ist sehr intensiv. Ich hatte in allen drei Bereichen vorab Unterricht. Da ich vorher bereits am längsten getanzt habe, habe ich mir selbst zum Ziel gesetzt, mich besonders im Gesang und im Schauspiel weiterzuentwickeln. Natürlich waren mir aber alle drei Sparten wichtig und der Stundenplan war auch mit allen dreien dicht gefüllt und intensiv genutzt.
Da die staatlichen Schulen lediglich Studiengebühren pro Semester erheben, hatte ich glücklicherweise keine zu hohen Kosten. Parallel nebenbei zu arbeiten wäre schwierig gewesen, da das Studium rund um die Uhr ging. Start war morgens um 9 Uhr und oft waren wir erst um 22 Uhr wieder zu Hause – teilweise auch an den Wochenenden. Es war sehr fordernd, aber auch sehr schön und intensiv. Meine Eltern haben mich glücklicherweise finanziell unterstützt. In den Semesterferien hatte ich die Möglichkeit, zweimal bei den Salzburger Festspielen engagiert zu sein. Manchmal hatte ich auch einzelne Auftritte, bei denen ich mir ein bisschen dazu verdienen konnte.
Unser Abschluss-Stück war “Avenue Q”, wo ich die Christmas Eve gespielt habe. Eine schrille Rolle, die wahnsinnig viel Spaß gemacht hat. Auch wenn ich in einer “menschlichen” Rolle auf der Bühne stand, habe ich bei den Proben den Puppenworkshop mitgemacht.

Du hast bereits zahlreiche Rollen z.B. in “Anatevka”, “Sekretärinnen” und “Jekyll & Hyde Resurrection” verkörpert. Ein reibungsloser Start in Deine Karriere?

Ich hatte echt Glück dabei. Zunächst habe ich in München ein Schauspielstück gemacht; über eine Audition kam ich dann zu den Freilichtspielen Schwäbisch Hall. Dort habe ich “Im weißen Rössel” gespielt. Bei der Großen Treppe kommt man gut in Form – ein besonderes Erlebnis. Es ging immer weiter und hat sich gut entwickelt. Zwischendurch wusste ich auch manchmal nicht, wie es weitergeht. Das bringt der Beruf halt mit sich. Rückblickend betrachtet hatte ich großes Glück mit den Dingen, die ich in den ersten fünf Berufsjahren nach meinem Abschluss machen durfte. Durch meinen Abschluss an einer staatlichen Schule bin ich bei der ZAV gelistet, die Audition-Ausschreibungen versenden etc. Das ist super.

Welche Rolle hat dich bisher am meisten gefordert und warum?

Auf eine positive Art herausfordernd ist meine aktuelle Rolle des Yitzhak. Er hat einfach das andere Geschlecht. Ich habe in den Proben daran gearbeitet, wie ich mich glaubhaft dort hineinfinde und in den fremden Körper kriege. Es war sehr spannend für mich, mich darauf einzulassen. Es macht großen Spaß eine solche Rolle zu spielen, die so weit weg von einem selbst ist.
Dabei bin ich wie an alle Rollen rangegangen und hab mir Gedanken gemacht, was das für ein Mensch ist: Wie er ist, was seine Vorgeschichte ist, wie er zu den anderen Personen steht, was seine Konflikte und Ziele sind. Das ist wichtig, um seine charakterlichen Entwicklungen glaubhaft spielen zu können. Ich habe viel ausprobiert, zum Beispiel wie ein Mann geht, wie er sich hinsetzt, wie er trinkt usw. Es ist eine Mischung aus Beobachten und Ausprobieren, was funktioniert und was geändert werden muss.

Wie können wir uns die Kammerspiel-Fassung von “Jekyll & Hyde Resurrection” mit nur drei Personen vorstellen?

Die Vorlag ist die gleichnamige CD von Frank Wildhorn, die rockiger ist und einige neue Lieder enthält, z.B. “If You Only Knew” als Beltnummer für Emma. Die Ensemblenummern fallen weg, die Handlung konzentriert sich auf die drei Protagonisten Jekyll/Hyde, Lucy und Emma. Es war sehr spannend, da unser Regisseur Malte C. Lachmann Interviews mit einer Domina, einem Priester und einer Frau mit einer psychischen Störung in die Handlung eingestreut hat. Diese wurden per Video eingespielt und von den Darstellern live gesprochen. Ich habe hierbei die Domina übernommen.
Vor oder nach den Songs haben wir dem Publikum erklärt, was passiert. Alle drei Akteure waren fast die ganze Zeit auf der Bühne. Es war eine Mischung aus Konzert, Theater und Performance. Die ganz neuen Arrangements vom musikalischen Leiter Dean Wilmington waren toll. Insgesamt war es eine coole Sache.

Wie kamst Du zum Synchronsprechen? Wo liegt der Unterschied dabei zum Gestalten von Rollen auf der Bühne?

Im letzten Studienjahr hatten wir einen zweitägigen Synchronsprechen-Workshop. Ich bin dann im Anschluss für eine kleine Rolle besetzt worden und dadurch kam der Stein ins Rollen. Ich durfte immer mehr kennenlernen, wurde zu Castings eingeladen und immer wieder besetzt. Ich bin sehr dankbar, dass ich in diese Schiene reingerutscht bin. Es ist ein zweites Standbein für mich.
Der größte Unterschied ist, dass man sich beim Synchronisieren so gut wie nicht vorbereiten kann, da man den Film oder die Serie in den meisten Fällen noch nicht gesehen hat. Auch den Text bekommt man in der Regel erst vor Ort. Entweder ist es top secret oder sehr spontan. Die Szenen werden dann erklärt und man muss sich sehr schnell hineinfinden. Man möchte dem Schauspieler gerecht werden und die Inhalte in der eigenen Sprache so gut wie möglich wiedergeben. Manchmal gibt es Sequenzen, die sehr oft wiederholt werden müssen, bis alles passt. Manche Takes klappen auch sehr schnell. Im Normalfall bin ich alleine in Studio und spreche meinen Part ein – auch z.B. bei einer Liebesszene.
Beim Erarbeiten einer Rolle auf der Bühne hat man in der Regel ca. sechs Wochen Zeit, um den Charakter in den Proben zu erarbeiten und sich hineinzufinden. Die Auseinandersetzung mit der Rolle ist also viel intensiver.

Bisher hast du in Stadttheatern gespielt. Reizen dich auch Long-Run-Produktionen oder spielst du lieber mehrere verschiedene Rollen in einer Saison?

Ich bin froh, dass es so gekommen ist. Das hat mir die Möglichkeit gegeben, mich auszuprobieren. Verschiedene Sachen pro Saison machen zu dürfen, hat mir geholfen, mich in die Freiberuflichkeit hineinzufinden. In meinen Rollen konnte ich mich künstlerisch weiterentwickeln. Es hat sich so ergeben. Da ich auch im Synchronbereich Fuß fassen wollte, hätte es aus zeitlichen Gründen anfangs gar nicht gepasst, über längere Zeit in einem Engagement zu sein. Natürlich reizt es mich, eine Show als Long-Run achtmal die Woche zu spielen. Davor habe ich großen Respekt. Für den Anfang meiner Karriere war es aber genau richtig, wie es gelaufen ist.
Ich verbringe natürlich viel Zeit in Zügen zu meinen jeweiligen Arbeitsstätten, was ein logistischer Aufwand ist. Dies erfordert eine gute Organisationsarbeit abseits der Bühne, um alles miteinander zu vereinbaren. Mein Zimmer in München halte ich weiterhin, weil ich dort hin und wieder im Synchronstudio arbeite. In Wien bei meiner Familie bin ich auch immer wieder mal.

Du hast 2016 die Joanne in der Trierer “Rent”-Version gestaltet In der Inszenierung wurde die Rolle der älteren Joanne (verkörpert von Carin Filipcic) als Erzählerin eingefügt, aber die Figur musste kurz nach der Premiere gestrichen werden. Wie hast du das empfunden?

Ich habe mich damals geehrt gefühlt, mit Carin quasi die “gleiche” Rolle verkörpern und entwickeln zu dürfen. Überhaupt war es ein sehr harmonisches und tolles Team, sowohl auf, als auch hinter der Bühne. Wir sind in der Probenzeit alle stark zusammengewachsen und haben intensiv und effektiv auf ein, wie ich finde, tolles Ergebnis hingearbeitet. Dass dann eine von uns praktisch von heute auf morgen gehen musste, war schon hart. Die Figur der Joanne heute wurde als erklärendes Element eingefügt. Das lag daran, dass wir das Stück komplett auf Englisch gespielt haben; außerdem lag die Uraufführung bereits Jahre zurück. So gab es die Möglichkeit, dem nicht fließend Englisch sprechenden Publikum sowohl die Geschichte, als auch den Zeitgeist bzw. die Hintergründe von damals etwas näher zu bringen. Am Inhalt an sich hat sich sonst nichts geändert. Im Grunde haben wir – in beiden Versionen, die wir letztendlich gespielt haben – die Geschichte erzählt, wie sie geschrieben wurde. Nur eben in der Premierenversion mit dem unterstützenden Element des retrospektiven Blickes von Joanne heute.

Welche Stücke und Rollen reizen dich für deine Vita?

Die Eliza Dootlittle in “My Fair Lady” würde ich total gerne mal machen – auch mal was Klassisches. Die Bandbreite von der Göre zur Lady reizt mich. Dazu finde ich die Sally Bowles aus “Cabaret” interessant, da ihr Charakter trotz ihrer Jungend schon viel gesehen hat – dazu hat sie starke Songs. aber ich plane nicht und lasse es einfach auf mich zukommen.
Die Stadttheater werden mutiger, z.B. steht Sondheim mittlerweile häufiger auf dem Spielplan. Sie wagen sich auch an Ur- und Erstaufführungen, wie z.B. das Theater Trier mit “Die Brücken am Fluss”, oder sie setzten neue Akzente wie das Theater Hof.

Wie geht es beruflich in den nächsten Monaten für dich weiter? Möchtest du auch mal in deiner Heimat spielen?

Als nächstes werde ich in Trier das Aschenputtel bei “Into the Woods” spielen. Darauf freue ich mich sehr, weil ich Sondheim-Stücke sehr liebe. In Wien zu spielen steht auf jeden Fall ganz oben auf meiner Wunschliste. Bisher hat sich das noch nicht ergeben. Je länger ich weg bin, desto mehr vermisse ich Wien. Es ist total schön, unterwegs zu sein, aber nah an der Familie zu sein wäre auch toll.

Kathrin, wir danken dir für dieses Interview und wünschen dir eine schöne Aufführung.

 
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