Mit “Die Schöne und das Biest” als Realverfilmung eines klassischen Animationsfilmes hat sich Disney diesmal an ein Heiligtum des eigenen Kanons gewagt. Alan Menken schrieb hierfür drei neue Songs, die auch allesamt auf dem deutschsprachigen Soundtrack enthalten sind.
Emma Watson singt großartig. Alle anderen Darsteller übrigens auch. Das beantwortet die sicherlich brennendste Frage, die sich hinsichtlich des Realfilm-Remakes von Disneys “Die Schöne und das Biest” im Vorfeld des Kinostarts gestellt hat. Die überwiegende Mehrheit der in Deutschland zahlreich in die Lichtspielhäuser strömenden Zuschauer bekommen diese Gesangsleistungen jedoch gar nicht zu hören, denn wie bei Disney-Filmen üblich wird der Markt mit einer Synchronfassung bedient.
Für diese Fassungen wird in aller Regel für jede Rolle nach einem deutschsprachigen Qualitätsäquivalent gesucht. So wurde etwa für Elsa in “Frozen” die originale Qualitätsoffensive Idina Menzel bewusst mit Willemijn Verkaik gekontert. Für die Hauptrolle der Belle ging es daher eher darum, eine gesangliche Entsprechung für eine singende Schauspielerin zu finden. Die Wahl fiel auf Julia Scheeser, die für die jüngste “Annie”-Verfilmung die deutschsprachige Tessie sang. Ihre Interpretation der Belle ist jedoch ziemlich blutleer geraten und die dünne Stimme lässt leider auch technisch viel Luft nach oben. Es überrascht nicht, dass Watsons Gesang insgesamt energischer und taffer ausfällt – wohl aber, dass ihre Stimme voluminöser und versierter klingt.
Als deutschsprachiges Biest hingegen überzeugt Sascha Rotermund – im Übrigen einer der wenigen Gesangssolisten, die in der Synchronfassung sowohl Dialoge als auch Gesang übernehmen. Die meisten Rollen sind hierfür doppelt besetzt. Rotermund trifft sehr gut den Charakter des Biests und nimmt mit kraftvoller Stimme ein. Leider ist der Biest-Gesang ebenso wie auf der englischsprachigen Aufnahme in der Nachbearbeitung auf dunkel und bedrohlich getrimmt worden. Eine technische Verfremdung, die im Film weniger stört als auf der CD.In der Rolle des selbstverliebten Gockels Gaston ist Stefan Thomas zu hören. Er verfügt zwar über eine veritable Stimme, interpretiert seine Texte jedoch mit einem absurd rollenden “R” und einem durchgängigen affektierten Tonfall. Das, was er da macht, ist eine altbackene Operetten-Parodie und ganz weit weg vom Stück und von der Gesangsinterpretation von Luke Evans, der Gaston im Original gibt.
Trotz seines noch jungen Alters kann man Manuel Straube schon regelrecht als Disney-Veteran bezeichnen: Er sang schon den jungen Simba in “Der König der Löwen”, Flynn Rider in “Rapunzel – Neu verföhnt” oder auch Hans in “Die Eiskönigin – Völlig unverfroren”. Den LeFou gestaltet er (ebenso wie der grandiose Josh Gad im Original) mit großer Interpretationslust. Thomas Amper, dem auch die musikalische Leitung dieser deutschsprachigen Fassung obliegt, singt Lumière. Den funkensprühenden Showman gibt er mit viel Charme und dem notwendigen französischen Anstrich. In der Rolle von Madame de Garderobe ist Star-Sopranistin Annette Dasch zu hören. Die ausladende Persönlichkeit der Schrank gewordenen Diva bringt sie mit gestelzter Attitüde und übermächtigem Gesang gekonnt zum Ausdruck. Mit warmer Stimme präsentiert Marion Martienzen als Madame Pottine eine sehr schöne und gefühlvolle Version des Titelsongs “Die Schöne und das Biest”.Die Übersetzung der neuen Songs sowie der neu in den Film aufgenommenen Texte des 1991 verstorbenen Original-Librettisten Howard Ashman stammt von Thomas Amper. Dabei beweist er meistens, leider aber auch nicht immer, ein glücklicheres Händchen als der ursprüngliche Übersetzer Lutz Riedel, der des Reimes willen vor keiner Wortendungskastration zurückschreckte (“Wie das Licht der Sonn`”). Insgesamt hat Alan Menken zusammen mit Tim Rice drei neue Songs für den Film geschrieben, zwei hiervon sind fantastisch. Neben dem nicht sonderlich aufregenden “Tage im Licht”, dem “Human Again” weichen musste, gibt es ein neues begeisterndes Biest-Solo. Dieses heißt “Evermore” und im Deutschen leider “Ich warte hier auf dich” – eine tolle Hymne und ein mehr als würdiger Ersatz für “Wie kann ich sie lieben?”. Außer den deutschsprachigen Fassungen der Songs enthält der Soundtrack zusätzlich drei englischsprachige Titel aus dem Originalalbum. So findet sich neben einer radiotauglichen Einspielung des Titelsongs von Ariana Grande und John Legend, die sich als unnötig erweist, auch noch eine fabelhafte “Evermore”-Version von Josh Groban auf dieser CD. Aufgrund des soundtechnischen “Handicaps” der Filmfassung wird sich auf Dauer sehr wahrscheinlich diese Coverversion durchsetzen.
Ein weiterer neuer Song, der als Abspanntitel von Céline Dion interpretiert wird, ist “How Does a Moment Last Forever”. Dieser greift das musikalische Thema der beiden Titel “Ein Augenblick ist manchmal zeitlos” und “Das ist Paris aus meiner Kindheit” auf, mit denen im Film die Familiengeschichte von Maurice und Belle mit narrativer Tiefe angereichert wird. Eine federleicht-anrührende Ballade voller Gefühl und einfach eine grandiose Komposition. Wenn sich die nächsten elf Monate nichts Entscheidendes tut, wird Alan Menken hierfür ganz sicher seinen nächsten Oscar in Empfang nehmen können …