© Udo Krause
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Adams Äpfel (2023 - 2024)
Uckermärkische Bühnen Schwedt (ubs), Schwedt (Oder)

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In der rabenschwarzen, absurden Musical-Komödie streiten sich der überzeugte Gutmensch Ivan und der brutale Neonazi Adam unter dem titelgebenden Apfelbaum über den rechten Weg. Tom van Hasselt steuert flotte Songs bei. Reinhard Simon gelingt das Kunststück, den trefflichen Cast in seiner Inszenierung zwischen Aberwitz und Schrecken gekonnt balancieren zu lassen.

In Pfarrer Ivans Weltbild gibt es keine schlechten Menschen. Deshalb hat er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Kriminelle nach ihrer Entlassung aus der Haftstrafe auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. So auch Neonazi Adam, der nur widerwillig in die kirchliche Resozialisierungs-Anstalt in der dänischen Provinz einzieht. Hier beherbergt der Gottesmann bereits den kleptomanischen Alkoholiker Gunnar und den arabischstämmigen Tankstellenräuber Khalid. Beide haben sich mit der kirchlichen Männer-WG arrangiert, sind allerdings alles andere als christlich bekehrt und gehen weiter ihren alten Leidenschaften nach. Auch Adam mag nicht auf Gott vertrauen und ersetzt das in seinem Zimmer an der Wand hängende Kruzifix kurzerhand durch ein Bild seines Götzen Adolf Hitler. Zähneknirschend stimmt er dem ihm vom Pastor freundlich aufgezwungenen, persönlichen Resozialisierungsziel zu, den im Garten wachsenden Apfelbaum zu pflegen und für eine bessere Welt aus seinen Früchten einen Kuchen zu backen.

Bis dieser im Finale verspeist werden kann, überschlagen sich allerdings im vermeintlichen Nächstenliebe-Idyll die Ereignisse. Nicht nur Krähen, Maden und Blitze setzen Baum und Äpfeln zu, auch Adams Vergangenheit holt ihn ein. Als ein Nazi-Mob mit Baseball-Schlägern auf den “Bananenfresser” Khalid eindreschen will, löst sich aus dessen Maschinengewehr ein Schuss, der den sich als Märtyrer opfernden Kirchenmann trifft. Nachdem Adam Ivans schöngeredete Scheinwelt entlarvt hat – dabei geht es unter anderem um sexuellen Missbrauch als Kind, den Selbstmord der Ehefrau und das Leugnen des Todes seines behindert zur Welt gekommenen Sohnes – hat dieser seinen Lebensmut verloren und wartet nur darauf, dass ein faustgroßer Hirntumor ihn endgültig von den gottgesandten Plagen erlöst. Allerdings entpuppt sich der brutale Neonazi-Überfall als Wunderheilung, denn der fehlgeleitete Schuss ballert das Krebsgeschwür aus Ivans Schädel. Im skurrilen Happy-End missionieren daraufhin der geheilte Gottesmann und der geläuterte Nazi gemeinsam Ex-Knackis. Khalid beschützt als Security-Mann Tankstellen und Gunnar wandert samt seiner Saufkumpanin Sarah nach Indonesien aus, um seine Tenniskarriere fortzusetzen.

In Schwedt wird das auf Anders Thomas Jensens Film basierende, bizarr-bitterböse Bühnenstück erstmals in einer Musicalfassung gezeigt – musikalisch erweitert mit Songs von Tom van Hasselt. Der besondere Clou dieser Adaption liegt in der Ergänzung des Bühnenpersonals um einen auf einem Podest postierten Chor, der von oben herab als Geister des Apfelbaumes kommentierend die Handlung begleitet. Tom van Hasselts vielschichtige Partitur parodiert in Soli und Ensemblenummern Kirchenmusik, jazzt, rappt und klingt auch schon mal wie ein banales Kinderlied. Viele der Songs, wie zum Beispiel “Es gibt nichts, was sich nicht erklären lässt” oder die Hymne “Hör auf die Stimmen”, besitzen Ohrwurmpotenzial.

Frauke Bischingers Bühnenbild wird von einem gewaltigen Apfelbaum im Zentrum der Bühne dominiert. In der Krone sitzen die drei Musiker unter der Leitung von Tom van Hasselt am Klavier, links und rechts davon sind die Plätze für den Chor im feschen Uniform-Look (Kostüme ebenfalls von Frauke Bischinger). Nur wenig Mobiliar deutet auf der Bühne links eine Küche und rechts das Zimmer von Adam an. Das ermöglicht schnelle Szenenwechsel.

Regisseur Reinhard Simon bringt den rabenschwarzen, makabren Humor der Groteske genüsslich auf die Bühne und lässt kirchlich und kriminell geprägte Lebensentwürfe mit voller Wucht aufeinanderprallen. Simons Inszenierung wechselt gekonnt zwischen kargem Realismus, biblischem Symbolismus und grotesker Absurdität. Dabei liegen Witz und Dramatik so eng beieinander, dass dem Publikum das ein oder andere Mal das Lachen im Halse stecken bleibt.

Vorlagenbedingt stehen die beiden auch optisch recht ungleich wirkenden Hauptfiguren – Ulf Deutscher als gebeutelter Gottesmann und Fabian Ranglack als pöbelnder, humorfreier Nazi – im Zentrum der Aufführung. Dabei treffen weiße Socken in Sandalen vom schmächtigen Dorfpfarrer Ivan auf Bomberjacke und Springerstiefel vom körperlich präsenteren Adam aufeinander. Deutscher und Ranglack schöpfen als gegensätzliche Charaktere darstellerisch aus dem Vollem und sind auch im Gesang gut bei Stimme.

Die beiden anderen gestrauchelten schwarzen Schafe Gunnar und Khalid sind mit Uwe Schmiedel und Benjamin Schaup als tumbe Typen auf den Punkt besetzt. In der besuchten Vorstellung werden beide Frauenrollen im Stück, anders als bei der Uraufführung, von nur einer Darstellerin gespielt. Paulina Wojtowicz glänzt im rasanten Kostümwechsel als zynisch-abgeklärte Ärztin Kolberg. Aus der etwas undankbareren Rolle der Sarah holt sie das Maximum heraus und punktet vor allem mit ihrer schönen Gesangsstimme. Der aus Laien bestehende, von Jürgen Bischof eigens für die Inszenierung zusammengestellte Uckermärkische Projektchor rundet den guten, musikalischen Eindruck ab.

Die breite Masse des Publikums mag ein Musical wie dieses eher verstören als ins Theater ziehen. Deshalb ist es den Uckermärkischen Bühnen Schwedt hoch anzurechnen, auch Produktionen abseits des Mainstreams auf den Spielplan zu setzen.

 
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KREATIVTEAM
Bühnenfassung von K. D. Schmidt nach dem gleichnamigen Film von Anders Thomas Jensen
Deutsch von Beate Klöckner
Musicalbearbeitung von Tom van Hasselt
InszenierungReinhard Simon
Musikalische LeitungTom van Hasselt
AusstattungFrauke Bischinger
ChoreografieEliza Hołubowska
 
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CAST (AKTUELL)
AdamFabian Ranglack
IvanUlf Deutscher
GunnarUwe Schmiedel
KhalidBenjamin Schaup
SarahPaulina Wojtowicz
KolbergKatarzyna Kluczna
(Paulina Wojtowicz)
Holger, NeonaziWolfram Hoppe
Esben, NeonaziAxel Krumrey
Jorgen, NeonaziJürgen Hoth
ArneJürgen Bischof
BandTom van Hasselt
Roland Fidezius
Tobias Fuchs
ChorNora Behrend
Hannes Fieweger
Claudia Gouet
Wolfram Hoppe
Jürgen Hoth
Sabine Jacob
Eckhard Köhn
Jannis Scheel
Angela Steer
Jana Szwajkowski
Heike Vitense
Rubina von Hahn
Wolfgang Weniger
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 18.03.2023 19:30ubs / Kleiner Saal, Schwedt (Oder)Premiere
Fr, 24.03.2023 19:30ubs / Kleiner Saal, Schwedt (Oder)
Sa, 08.04.2023 19:30ubs / Kleiner Saal, Schwedt (Oder)
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