Silberne Kugeln, Holzpfähle, Weihwasser, Kruzifixe und Knoblauch – das sind die Mittel gegen blutdürstende, verführerische Vampire in dem schaurig-schönen “Dracula – Das Musical” von Komponist Frank Wildhorn und den Librettisten Don Black und Christopher Hampton. Das Stück wird in Corona-Zeiten als Open Air-Veranstaltung auf der Wilhelmsburg vom Theater Ulm mit einer Starbesetzung aufgeführt. Opernchor, Extrachor und die Statisterie des Theaters Ulm sowie das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm unter der Leitung von Hendrik Haas unterstützen die Darsteller dabei gekonnt.
Das Musical basiert auf dem gleichnamigen Horror-Roman von Bram Stoker. Die Kultfigur Graf Dracula wird von Thomas Borchert nicht zum ersten Mal dargestellt. Er übernahm auch schon 2005 bei der deutschen Uraufführung in St. Gallen diese Titelrolle. Der Schauplatz dieser Produktion, die Wilhelmsburg in Ulm, trägt erheblich zur schaurigen Stimmung bei. So erstrahlen in den oberen Fenstern der Burg Totenköpfe und Kerzen. Die aufwendig gestalteten, historischen Kostüme sowie das schlichte, doch ansprechende Bühnenbild über zwei Ebenen – kreiert von Petra Mollérus – verstärken die Atmosphäre.
Schwarze Tücher künden die tödliche Gefahr an und rote Tücher und rot angestrahlter Nebel sorgen auf der Bühne für die Anschaulichkeit in den blutigen Beiß-Szenen.Die fantasiereiche Inszenierung von Alex Balga begeistert. Beispielsweise, wenn Dracula zu Beginn von Schatten, die im Stück immer wieder auftauchen, in einem mit dunklen Türen besetzten Schauwagen hinein gefahren wird. Und auch die Idee, die toten Seelen zum Anfang und zum Ende des Musicals von außen ihre Hände gegen die weißen Folien der Fenster und Türen drücken zu lassen, erscheint überaus effektvoll.
Die dramatische Geschichte, die von Transsilvanien, über Budapest nach London führt, erschüttert und begeistert zugleich mit gefühlvollen und mitreißenden Szenen, die von den bekannten Melodien von Frank Wildhorn begleitet werden. Die Texte werden in der originalen deutschen Übersetzung von 2005 von Roman Hinze übernommen, die 2010 nochmals überarbeitet wurde. Von der Übersetzung aus Graz von 2007, die auch von der CD bekannt ist, wurde wegen der vielen Austriazismen abgesehen.
Bis zum tragischen Ende der Dreiecksgeschichte zwischen Dracula, Mina und Jonathan ist man in der Welt des alten Londons mit Blutdurst, Qual und Liebe gefangen und sieht gebannt den todbringenden Ereignissen auf der Bühne zu.
Thomas Borchert erweckt die Rolle des bösen, verführerischen, aber auch in gewisser Weise verletzlichen Vampirgrafen mit seinem schauspielerischen Talent wahrhaftig zum Leben und singt seine Rolle voller Überzeugung und dem ihm eigenen Vibrato. Alexandra-Yoana Alexandrova als Mina Murray kann zusammen mit Philip Schwarz als Jonathan Harker mit ihrer kraftvollen Stimme das Publikum begeistern und bis zum Schluss in ihren Bann ziehen.
Navina Heyne spielt Lucys Zerrissenheit und ihre Verwandlung zur bösen Vampirin mit überwältigender Glaubhaftigkeit. Sie ragt mit ihrem durchsetzungsfähigen und gefühlvollen Gesang ebenso heraus wie Patrick Stanke, der seine Rolle als Professor van Helsing voller Emotionen und Authentizität darstellt.
Eine bewundernswerte Leistung erbringt auch John Davies in der schwierigen Rolle des Irren Renfield.
Dagegen unterliefen Robert Tilson, der Arthur darstellt, im Laufe der Premiere ein paar auffällige Textversprecher. Außerdem fehlte es J. Emanuel Pichler als Dr. Jack Seward und Thomas Schön als Quincey Morris ein wenig an Ausdrucksstärke.
Scheinbar war die Ton- und Bühnentechnik am Premierenabend noch nicht ganz ausgereift. So fiel der Ton beispielsweise mehrmals kurz aus. Ebenso war der Nebel in der Verwandlungsszene von Lucy (“Die Einladung”) so dicht, dass die Zuschauer Mühe hatten, noch etwas auf der Bühne erkennen zu können. Das alles tat den Emotionen jedoch keinen Abbruch.
Zusammengefasst ist “Dracula- Das Musical” in Ulm ein überaus sehens- und hörenswertes Open-Air-Musical, das das Publikum dank seiner atmosphärischen Inszenierung zu jeder Zeit in seinen blutigen Bann zieht.
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