Die vom Seefestival Wustrau und dem Berliner Schlosspark Theater koproduzierte Inszenierung von Marten Sand integriert pfiffig die COVID-19-Pandemie ins pestgebeutelte, mittelalterliche England und die turbulente Suche nach dem Heiligen Gral. Auf der Bühne agiert ein kleines, spielfreudiges Ensemble, das die Pointen punktgenau serviert. Einen besseren Wiedereinstieg in den nach dem Shutdown langsam wieder anlaufenden Theaterbetrieb kann es kaum geben!
“Such den Gral!” lautet der Auftrag Gottes – und so machen sich König Artus und seine zuvor zur Tafelrunde zusammengestellten tapferen Ritter Sir Galahad, Sir Lancelot und Sir Robin auf die Suche nach etwas, von dem sie gar nicht so genau wissen, wie es eigentlich aussieht. Dabei müssen die eifrigen Recken so manch skurriles Abenteuer bestehen und erst nachdem sie einem Killer-Kaninchen mit der Heiligen Handgranate den Garaus gemacht haben, erhalten sie den entscheidenden Hinweis zum Auffinden des Grals. Dieser befindet sich unter dem Sitz eines Zuschauers und entpuppt sich als eine Schachtel mit einem Impfstoff gegen Corona – eine wirklich frappierend gute Idee von Regisseur Marten Sand!
Pandemie, Lockdown und Abstandhalten ziehen sich wie ein roter Faden durch die Inszenierung. So berichtet die Stimme des Historikers (auch Marten Sand) gleich zu Beginn der Aufführung, wie positiv es sei, dass alle Darsteller am Vormittag mit einem Schnelltest negativ auf Corona getestet worden seien. Die Fee aus dem See beklagt sich unterdessen in ihrem Song “Wann geht’s hier wieder mal um mich?” darüber, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, weil sie nicht systemrelevant sei. Sand lässt im Partygetümmel von Camelot kurz einen Rettungsschirm aufspannen. Und im “Das Lied, das jetzt erklingt” stellt das Pferd Patsy mit zwei dünnen Stangen sicher, dass die beiden Duettpartner den Mindestabstand von 1,50 Meter voneinander einhalten. Textzeilen wie “Du stehst auf meinem Schuh” oder “Wir schreien uns noch heiser” erscheinen in diesem Zusammenhang in einem ganz neuen Licht. Die Fokussierung auf den Virus und seine Auswirkungen trösten allerdings nur schwer darüber hinweg, dass Sand in seiner Inszenierung auf Lancelots Song “Denn kommt es nicht vom Broadway” verzichtet und somit die Anspielungen auf das Genre verloren gehen.
Ein weiterer Wehrmutstropfen liegt in der musikalischen Begleitung, die aus der Konserve zugespielt wird und in der besuchten, ersten Vorstellung nach dem Umzug aus der Open-Air-Saison im Brandenburgischen nach Berlin hörbar noch nicht perfekt mit den Mikroports der Darsteller harmonierte. Optisch hingegen ist alles im grünen Bereich: Das trist-graue Mittelalter-Gemäuer-Einheitsbühnenbild mit zwei bespielbaren Türmen (Marten Sand) gewährt auch auf der Bühne des Schlosspark Theaters genug Raum für das turbulente Treiben und zackige Showtanz-Choreografien (Gesine Sand). Ulrike Stelzig-Schaufert kleidet die Darsteller in ein historisch inspiriertes, um Leihgaben der Freilichtbühne Tecklenburg ergänztes, Kostümbild, das bei der Fee aus dem See glamourös-extravagant ausfällt.
Antje Rietz verleiht dieser Leading Lady genau die Extraportion Divenhaftigkeit, die sie braucht, indem sie mit großen Gesten und vor Selbstbewusstsein strotzend über die Bühne stolziert. Ihren schönen, runden Sopran lässt Rietz bis in die Spitzentöne hinein perlen, glänzt aber auch mit einer Jodel-Einlage und jazzigeren Tönen. Ebenfalls auf den Punkt genau besetzt ist Julia Fechter, die mit großen Kulleraugen, Kokosnussgeklapper und einem eleganten Bewegungsrepertoire einfach hinreißend das Pferd Patsy gibt. Ihr ist auch der große Hitsong des Musicals, “Nimm das Leben beschwingt” (“Always Look on the Bright Side of Life”) vergönnt, den sie bravourös singt.
Als Glücksfall erweist sich die Verpflichtung von Tom Quaas, der mit viel Humor, einem guten Gefühl für Timing und einer enormen Bühnenpräsenz König Artus als das Gehirn der ansonsten recht begriffsstutzig gezeichneten Gralssucher anlegt. Im Song “Ich bin allein” umschifft der erfahrene Mime gekonnt und mit viel Spielwitz seine gesanglichen Defizite. Einfach eine Wucht ist das tumbe Ritter-Trio Sir Galhad (Andreas Goebel), Sir Lancelot (Jan Felski) und Sir Robin (Alexander Plein). Alle drei glänzen wie auch Johannes Hallervorden, Tanja Müller und Jeannette Nickel in weiteren Rollen und tragen zum Erfolg dieser kleinen, aber feinen Produktion in schwierigen Zeiten bei. Denn gerade jetzt gilt mehr denn je: Always Look on the Bright Side of Life…
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Mehrere Begriffe ohne Anführungszeichen = Alle Begriffe müssen in beliebiger Reihenfolge vorkommen (Mark Seibert Hamburg findet z.B. auch eine Produktion, in der Mark Müller und Christian Seibert in Hamburg gespielt haben). "Mark Seibert" Wien hingegen findet genau den Namen "Mark Seibert" und Wien. Die Suche ist möglich nach Stücktiteln, Theaternamen, Mitwirkenden, Städten, Bundesländern (DE), Ländern, Aufführungsjahren...