Auch wenn das Leben mit Krücke, Arthrose und falschem Haar beschwerlich ist, es kann auch Spaß machen. Fünf Mitglieder des Cottbuser Schauspiel-Ensembles plus ein Pianist beweisen dies in diesem von Alexander Suckel doppelbödig inszenierten Liederabend, in dem Lachen und Weinen ganz nah beieinander liegen.
Altwerden ist nichts für Feiglinge. Diese These stellt Alexander Suckel ans Ende seiner bitter-bösen Inszenierung von Erik Gedeons Songdrama über fünf ehemalige Schauspieler und einen Pianisten, die in ihrem abgewickelten Theater (hier natürlich das Staatstheater Cottbus) unter Aufsicht einer Krankenschwester ihre letzten Tage fristen.
Es ist schon bedrückend, wenn sich die sechs Alten zu Beginn auf die Bühne zu ihren Sitzen schleppen und unter Schmerzen am Piano beziehungsweise an ihren ehemaligen, mit Devotionalien aus aktiven Tagen dekorierten Garderobentischchen (Bühnenbild: Hans-Holger Schmidt) Platz nehmen. Wie ferngesteuert singen sie hier gemeinsam mit Schwester Josephine (warmherzig: Josephine Fabian) naiv-alberne Liedchen (“Wir klatschen in die Hände – klatsch, klatsch”) und freuen sich wie kleine Kinder, wenn “die, die noch eine Leber haben”, von ihrer Betreuerin mit neckischem Papphütchen auf dem Kopf ein Schnäpschen serviert bekommen.
Geduldig ertragen die sechs Alten diese und andere offizielle Unterhaltungsprogrammpunkte. Doch wehe, wenn sie allein gelassen werden! Dann kehrt Lebensfreude in die ausgemergelten Körper zurück und sechs Häufchen Elend erinnern sich an bessere, glücklichere Tage. Da kreisen Whisky-Flasche, Joint und die Hüftprothesen zum Tänzchen, zu dem Pianist Hans Petith nach einer Inhalation aus dem Sauerstoffgerät mit Verve in die Tasten haut. Dazu tauschen die Alten so manche Gemeinheit aus, gehen mit Krücken aufeinander los oder machen einem Goldfisch durch einen ins Aquarium fallenden Föhn den Garaus. Musikalisch garniert ist der Abend mit bekannten Songs aus dem Rock- und Pop-Repertoire, die die Darsteller aus dem hauseigenen Schauspiel-Ensemble gut interpretieren. Songs wie “I will survive”, “Forever young” oder “Barbie Girl” erhalten in diesem Kontext eine ganz neue Bedeutung.
Regisseur Suckel beweist dabei mit viel Lokalkolorit ein sicheres Händchen für Brüche zwischen Schrecken und Komik, Slapstick und Furcht. Seine fünf Darsteller (Sophie Bock, Kai Börner, Sigrun Fischer, Thomas Harms und Axel Strothmann) folgen ihm dabei und formen mit viel Spielfreude ihre Charaktere doppelbödig zwischen liebevollem Alten und garstigem Greis, zwischen nach dem Lebenden lechzender Seniorin und tattrigem Schatten ihrer Selbst. In ihren abgeranzt wirkenden Kleidern, viel zu langen, schlechtsitzenden Hosen (Kostümbild ebenfalls von Hans-Holger Schmidt) singen und “tanzen” sie sich in die Herzen des Publikums. Maßgeblichen Erfolg hieran hat auch der aufwendige Alterungsprozess aus der Maskenbildnerei (Annett von Nordheim).
Eine Botschaft dürften viele Besucher der bitter-bös inszenierten Senioren-Revue mit nach Hause nehmen: Genieße das Leben, so lange du es noch kannst. Mit Blick auf Pflegenotstand, Mini-Renten und körperliche Gebrechen kann damit schneller Schluss sein, als man denkt.
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