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“Anatevka” gilt als DAS Kult-Stück schlechthin der Komischen Oper Berlin. Ab 1971 wurde dort die einzige in der DDR zugelassene Inszenierung von Walter Felsenstein über 500 Mal gezeigt. Mit seiner überaus gelungenen Neuinszenierung feiert Intendant und Chefregisseur Barrie Kosky nun das 70. Jubiläum des Hauses und dürfte – auch dank eines spektakulären Bühnenbildes und einem soliden Cast – einige Spielzeiten lang für gut gefüllte Ränge sorgen.
Was für eine Demütigung: Ein Mob stürmt die fröhliche jüdische Hochzeitsfeier, treibt den Rabbi, das jungvermählte Paar sowie einige ihrer Gäste zusammen und übergießt sie mit Milch. Stumm und wie erstarrt steht die tropfende Festgesellschaft für einige Momente im kalten Lichtkegel. Dann tritt Milchmann Tevje vor und hebt – enttäuscht darüber, dass Gott nicht eingegriffen hat – resigniert die Hände.
Mit diesem hoch emotionalen Bild geht das Publikum in die Pause. Jedem im Saal ist bewusst, dass die Katastrophe für die Bewohner des osteuropäischen Dorfes Anatevka nicht mehr aufzuhalten ist. Auch wenn sich im ersten Akt Juden und russische Bevölkerung noch zum gemeinsamen Tanz vereinen, ist eine Ko-Existenz nicht mehr möglich. Wenn sich der Vorhang wieder hebt, ist das sofort sichtbar: Der bisher das Dorf symbolisierende, drehbare und fast die gesamte Bühnenhöhe einnehmende Aufbau aus auf- und ineinander-gestapelten Möbelstücken ist verschwunden. Nur noch eine einzelne, schmale Vitrine steht verloren vor dem rückwärtigen, wie vernebelt wirkenden Birkenpanorama mit seinen Seitenwänden aus grauem Beton. Die gesellschaftlich-emotionale Eiszeit wird zudem illustriert durch den Schnee, der die kommende Stunde unablässig auf die Bühne rieselt.
Bühnenbildner Rufus Didwiszus unterstreicht damit aber auch, dass sich im zweiten Akt der Fokus der Handlung verschiebt. Gibt er mit seinem auf mehreren Ebenen bespielbaren Möbelwirrwarr allen Dorfbewohnern die Möglichkeit, durch viele Schranktüren auf die Bühne zu strömen und auch wieder zu verschwinden, beschränkt er das im zweiten Teil auf nur noch eine Tür. Jetzt steht das Schicksal von Tevje, Golde und ihren Töchtern im Vordergrund.
Folglich wandelt sich auch Barrie Koskys durch und durch gelungene Inszenierung vom Volkstheater voll prall gezeichneter Typen und ausgelassenen Tanzszenen hin zum dramatisch-familiären Kammerspiel. Mühelos gelingt dem Regisseur dabei mit schelmischen Miniaturen und spektakulären Massenszenen der Spagat zwischen Heiterkeit und bitterer Süße. Einen extravaganten Höhepunkt bildet Tevjes (Alb-)Traum: Bizarre Totenkopf-Figuren toben gemeinsam mit der untoten Oma Zeitel und einer grell geschminkten, Hackebeil-schwingenden Schlachtersfrau durch die nächtlichen Fantasien. In diesem kurzen Doppelrollen-Auftritt triumphiert Sigalit Feig als Solistin.
Optisch verbleibt die an sich zeitlose Geschichte im frühen 20. Jahrhundert. Regisseur Kosky spannt allerdings den Bogen in die Gegenwart, indem er die Figur des Fiedlers auf dem Dach vom Kinderdarsteller Maxime Bergeron spielen lässt. Den Jungen im modernen grünen Kapuzenpulli integriert er als stummen Beobachter in die Dorfgemeinschaft, für die Klaus Bruns traditionelle, jüdische Kleidung entworfen hat. Nachdem diese Bewohner aus dem Anatevka der Vergangenheit vertrieben worden sind, bleibt der moderne Fiedler als Violine spielender Mahner an die Gegenwart allein im Schneegestöber zurück.
Jerry Bocks über fünfzig Jahre alte Partitur – ein Mix aus klassischem Broadway-Sound, russischem Kolorit und jiddischer Klezmer-Musik – ist beim Orchester der Komischen Oper Berlin in den besten Händen. Unter dem Dirigat von Koen Schoots meistern die Musiker sowohl folkloristische Momente mit wehmütig schluchzenden Geigen und keck juchzender Klarinette, als auch turbulent-überschäumende Showstopper mit tückischen Tempo-Wechseln. Auf der Bühne begeistern bei diesen Nummern zwölf zackige Tänzer, die Otto Pichlers anspruchsvolle Choreografien mit atemberaubender Präzision ausführen. Auch Komparserie und Chorsolisten der Komischen Oper Berlin erweisen sich als äußerst beweglich, wobei die stimmschönen Sängerinnen und Sänger maßgeblich zum großen Erfolg des Abends beitragen.
In den beiden zentralen Solisten-Partien stehen mit Max Hopp (Tevje) und Dagmar Manzel (Golde) zwei Darsteller auf der Bühne, die ursprünglich im Schauspielfach zu Hause sind, an der Komischen Oper Berlin allerdings oft Hauptrollen im Musical übernehmen. Auch wenn beide das ein oder andere Mal in Sprechgesang verfallen und so mancher Ton wackelt, sind sie insbesondere im Spiel eine exzellente Wahl. Hopp wirkt als verschmitzter Familienvater Tevje optisch zwar etwas jung, ist aber schon allein wegen seiner Zwiegespräche mit Gott der absolute Sympathieträger. Sein Bariton glänzt eher in den Höhen, sodass er sich bei “Wenn ich einmal reich wär'” um tiefere Töne herummogeln muss. Ehefrau Golde gibt Manzel eher als zurückhaltende Familien-Glucke, denn als polternden Hausdrachen.
Mit beeindruckender Leichtigkeit und tollen Sopranstimmen stellen sich Talya Lieberman (Zeitel), Alma Sadé (Hodel) und Maria Fiselier (Chava) im schwungvollen “Jente, o Jente” vor, wie sie einen Ehepartner vermittelt bekommen. Als geschäftstüchtige, mit jiddischem Akzent sprechende Heiratsvermittlerin bedient Barbara Spitz die wenigen komischen Momente in der Aufführung und erschafft damit eine ebenso liebenswerte Type wie Peter Renz als tattriger Rabbi. Als Heiratskandidaten der Töchter gefallen Johannes Dunz als schwärmender Mottl und Esra Jung als revoluzzernder Hauslehrer Perchik.
Mit dieser Neuproduktion macht sich die Komische Oper Berlin selbst das schönste Geschenk zum 70. Geburtstag. Kein knallbunt verpacktes Unterhaltungs-Theater, sondern ein Stück mit Tiefgang, das zum Innehalten und Nachdenken anregt. Orte wie Anatevka gibt es 2017 mehr als jemals zuvor…
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KREATIVTEAM |
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Buch | Joseph Stein |
Musik | Jerry Bock |
Gesangstexte | Sheldon Harnick |
Deutsch Fassung | Rolf Merz Gerhard Hagen |
Musikalische Leitung | Koen Schoots |
Inszenierung | Barrie Kosky |
Choreografie | Otto Pichler |
Bühnenbild | Rufus Didwiszus |
Co-Bühnenbild | Jan Freese |
Kostüme | Klaus Bruns |
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CAST (AKTUELL) |
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== 2023/2024 == | ||||
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Tevje | Max Hopp | |||
Golde | Dagmar Manzel | |||
Zeitel | Susan Zarrabi | |||
Hodel | Alma Sadé Julia Schaffenrath | |||
Chava | Elisabeth Wrede | |||
Sprintze | Lily Götzl | |||
Bielke | Laeticia Krüger | |||
Jente | Barbara Spitz | |||
Mottl Kamzoil | Johannes Dunz | |||
Perchik | Nicky Wuchinger | |||
Lazar Wolf | Carsten Sabrowski Jens Larsen | |||
Rabbi | Peter Renz | |||
Mendel | Cornelius Lewenberg | |||
Oma Zeitel / Fruma-Sarah | Sigalit Feig | |||
Fedja | Ivan Tursic Ferdinand Keller | |||
Wachtmeister | Karsten Küsters | |||
Motschach | Jan-Frank Süße | |||
Awram | Carsten Lau Matthias Spenke | |||
Nachum | Tim Dietrich Eberhard Krispin | |||
Schandel | Saskia Krispin Jana Reh | |||
Der Fiedler auf dem Dach | Nikolai Bergeron | |||
Tänzer | Liam Michael Scullion Benjamin Gericke Ivan Dubinin Andrii Zubchevskyi Daniel Daniela Ojeda Yrureta Michael Fernandez Marcell Prét Lorenzo Soragni Kai Chun Chuang Danilo Brunetti Davide De Biasi Shane Dickson | |||
Chor, Statisterie | Chorsolisten Komparserie der Komischen Oper Berlin | |||
Orchester | Orchester der Komischen Oper Berlin |
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CAST (HISTORY) |
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Tevje | Max Hopp Markus John |
Golde | Dagmar Manzel |
Zeitel | Talya Lieberman |
Hodel | Alma Sadé |
Chava | Maria Fiselier |
Sprintze | Antonia Papendell Tess Seba |
Bielke | Agathe Bollag Lisa Mendez |
Jente | Barbara Spitz |
Mottl Kamzoil | Johannes Dunz Ivan Tursic |
Perchik | Esra Jung Benjamin Oeser Kurosch Abbasi |
Lazar Wolf | Jens Larsen Carsten Sabrowski |
Rabbi | Peter Renz |
Mendel | Denis Milo |
Oma Zeitel, Fruma-Sarah | Sigalit Feig |
Fedja | Ivan Tursic Jan Proporowitz |
Wachtmeister | Karsten Küsters |
Motschach | Jan-Frank Süße |
Awram | Carsten Lau Matthias Spenke |
Nachum | Tim Dietrich Eberhard Krispin |
Schandel | Saskia Krispin Jana Reh |
Der Fiedler auf dem Dach | Maxime Bergeron Raphael Küster |
Tänzer | Zoltan Fekete Paul Gerritsen Hunter Jaques Christoph Jonas Daniel Ojeda Michael Fernandez Marcell Prét Lorenzo Soragni Michael-John Harper Shane Dickson Davide De Biasi Damian Czarnecki |
Swing | Silvano Marraffa |
Chor, Statisterie | Chorsolisten Komparserie der Komischen Oper Berlin |
Orchester | Orchester der Komischen Oper Berlin |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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So, 03.12.2017 18:00 | Komische Oper, Berlin | Premiere | |||||||
Di, 05.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Mi, 06.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
▼ 59 weitere Termine einblenden (bis 25.02.2024) ▼ | |||||||||
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Sa, 09.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Sa, 16.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Do, 21.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Fr, 22.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Mi, 27.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Fr, 29.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 31.12.2017 14:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 31.12.2017 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 07.01.2018 18:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Sa, 13.01.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Di, 20.02.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Mi, 21.02.2018 11:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Sa, 03.03.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 11.03.2018 19:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Fr, 16.03.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 01.04.2018 19:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 29.04.2018 19:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
So, 15.07.2018 19:00 | Komische Oper, Berlin | ausverkauft | |||||||
Sa, 15.09.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Fr, 21.09.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
So, 07.10.2018 19:00 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Fr, 26.10.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Fr, 09.11.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Mo, 26.11.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Di, 27.11.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
So, 09.12.2018 19:00 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Di, 11.12.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Sa, 15.12.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Do, 20.12.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Mi, 26.12.2018 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
So, 06.01.2019 19:00 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Fr, 18.01.2019 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Mi, 30.01.2019 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Do, 07.02.2019 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Fr, 28.02.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Sa, 07.03.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Fr, 20.03.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Do, 02.04.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Do, 09.04.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Mo, 13.04.2020 19:00 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Sa, 25.04.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Sa, 02.05.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Sa, 16.05.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Mi, 20.05.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Sa, 23.05.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Sa, 30.05.2020 19:00 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
Mi, 17.06.2020 19:30 | Komische Oper, Berlin | abgesagt | |||||||
So, 03.01.2021 18:00 | Komische Oper, Berlin | ||||||||
Di, 05.01.2021 19:30 | Komische Oper, Berlin | zum letzten Mal 2020/21 | |||||||
Fr, 02.02.2024 19:00 | Schillertheater, Berlin | Wiederaufnahme | |||||||
So, 04.02.2024 18:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
Di, 06.02.2024 19:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
Fr, 09.02.2024 19:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
So, 11.02.2024 16:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
Di, 13.02.2024 19:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
Do, 15.02.2024 19:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
So, 18.02.2024 18:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
Sa, 24.02.2024 19:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
So, 25.02.2024 16:00 | Schillertheater, Berlin | ||||||||
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