Es ist immer eine Freude mitzuerleben, dass man bei einem so häufig gezeigten Stück wie “Jesus Christ Superstar” noch positiv überrascht werden kann. Die in englischer Sprache gezeigte Inszenierung von Markus Dietze ist modern, inspirierend, stimmt nachdenklich und ist obendrein exzellent besetzt.
Langsam schlängelt sich eine weiße Linie aus LED-Lichtern im Hintergrund der Bühne in die Höhe – ein Kreuz aus Licht entsteht. Jesus steht mit nacktem Oberkörper und weißer Jeans auf einem Treppengerüst, auf das mit Scheinwerfern die Inschrift “INRI” geschrieben steht. Das stille Ende einer bildgewaltigen Inszenierung des Lloyd Webber Klassikers: Jesus-Darsteller Marcel Hoffmann steigt die Treppe hinunter, während seine Anhänger im Off weinen. Ein fesselnder Effekt, der von der anschließenden Bühnenüberschrift “In the end he will be judged in terms of love” untermauert wird.
Hoffmann liefert eine glänzende Leistung ab. Sicher in allen Tönen singt er sich durch die nicht einfache Partitur und setzt Akzente mit “I Only Want To Say” oder auch schauspielerisch mit der eben erwähnten Kreuzigungs-Szene.
Aber auch abseits der Titelrolle beweist das Theater Koblenz bei der Auswahl der Besetzung ein geschicktes Händchen. Besonders positiv fällt Christof Maria Kaiser als Judas Iskariot auf. Er stimmt in der Rolle des Verräters sowohl leise als auch schrille Töne an, schreit sich aber nicht durch die sehr rockigen Nummern seiner Partie, sondern findet eine gelungene Mischung. Im Gedächtnis bleibt sein sehr gut inszenierter Selbstmord, bei dem er immer tiefer auf dem Treppengerüst herabsinkt, um dann unten liegend zu Tode zu kommen.
Maria Magdalena wird von Charlotte Irene Thompson gespielt. Die Darstellerin hat eine angenehm soulige Stimme, die sehr gut zur Rolle passt.
Positiv fallen auch Georg Leskovich als Pilatus mit gelber Perücke und gelben Schuhen und Sebastian Haake als Simon auf. Beide Darsteller haben ein gewaltiges stimmliches Potential, und man ist beinahe enttäuscht, dass ihnen das Stück nicht mehr Spielraum bietet. Einzig Klaus Philipp als Petrus fällt ein wenig hinter den Leistungen der anderen Darsteller zurück – sein “Could We Start Again, Please” im Duett mit Charlotte Irene Thompson bleibt etwas flach und uninspiriert.
Inszenatorisch ist alles – und noch etwas mehr – aus der Show herausgeholt worden. Regisseur Markus Dietze setzt auf eine moderne Variante, die mit Live-Videoprojektion und allerlei technischem Aufwand arbeitet. Lobenswert vor allem, dass die Projektionen nicht nur schmückendes Beiwerk sind, sondern der Unterstützung der Geschichte dienen. Judas beispielsweise singt teilweise frontal in die Kamera und generell ist die “Regie” der Kameraarbeit so zurechtgeschnitten, dass im Hintergrund interessante Einblicke in die unmittelbare Atmosphäre auf der Bühne geboten werden.
Verschiebbare Treppengerüste werden eifrig hin und her geschoben, ergeben immer wieder neue Räume und untermalen die Szenerie mit eingearbeiteten Scheinwerfern und Lichtkegeln. So entstehen bildgewaltige Szenen, die keine zusätzlichen Requisiten benötigen. Die jeanslastigen und schrill-bunten Kostüme stammen von Christian Binz. Besonders die Markt-Szene und das Superstar-Finale bleiben durch die aufwändige Kostümierung in Erinnerung.
Beeindruckend bei Musicalinszenierungen des Koblenzer Theaters ist immer die Mixtur aus Sängern, Ballettensemble und Opernchor des Hauses. Alle arbeiten Hand in Hand: So bilden Teile des Opernensembles die Riege der Hohepriester (Jongmin Lim als Kaiphas mit sicherem Bass) und das Ballett stellt sowohl einige Jünger als auch Tänzer im Tempel oder an Herodes’ Hof dar. All dies bildet eine gelungene Symbiose und die Choreografie von Mario Mariano unterstützt die teils flotten Lloyd-Webber-Songs; lediglich “King Herod’s Song” hat man schon energiegeladener und innovativer choreografiert gesehen.
Die aus elf Musikern bestehende Band spielt flott und energisch, die Musik ist teilweise extrem laut, jedoch immer balanciert ausgesteuert.
Das Theater Koblenz zeigt auch in diesem Jahr, dass es spannend ist, sich an einen Klassiker heranzuwagen. Ähnlich wie bei “Cats” im vergangenen Sommer wurde hier abwechslungsreich inszeniert und sowohl für Neulinge als auch für Kenner ein packendes Theatererlebnis erzeugt.
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