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Bei “Jekyll & Hyde” in Würzburg gibt es drei Stars: Regisseur Ivan Alboresi, Bühnenbildner Bernd Franke und Armin Kahl als Henry Jekyll / Edward Hyde. Sie sind die größten Stärken einer Aufführung, die leider auch einige Schwächen aufweist.
Eine kahle Bühne ganz in Schwarz. Seitlich Wände aus schwarzen Ziegelsteinen. In der Mitte eine einsame Lampe, deren Kabel sich im Schnürboden verliert, darunter ein Rollstuhl. Darauf setzen zwei Wärter einen alten Mann, nur in ein strahlend weißes Nachthemd gehüllt. Der Alte ist völlig lethargisch. Ein Arzt kommt dazu und sinniert über den ewigen Kampf von Gut und Böse in uns selbst: “Die unversöhnlichen Zwillinge Gut und Böse liegen im ewigen Streit.” Der Arzt – Dr. Henry Jekyll – will das Böse und damit den Wahnsinn im menschlichen Geist isolieren und vernichten. Traurig umarmt er den Alten, den er nicht retten konnte; es ist sein Vater. Jekyll entwickelt ein Serum, um das Böse aus der Psyche abzuspalten, und testet es im Selbstversuch. Er wird zu dem, was er bekämpfen möchte: dem Bösen – Edward Hyde.
Die Würzburger Inszenierung verzichtet bei den Verwandlungsszenen auf Spezialeffekte und setzt ganz und gar auf das schauspielerische Talent von Armin Kahl. Und Kahl schafft die Quadratur des Kreises. Er entwickelt beide Figuren getrennt voneinander glaubhaft und plausibel: Jekyll vom freigeistigen Wissenschaftler zum verzweifelten Besessenen, der erkennt, dass er sein Alter Ego nicht mehr kontrollieren kann. Hyde vom befreiten Individualisten hin zum skrupellosen Mörder. Körpersprache, Artikulation, Vokabular, Stimmlage, Mimik – in allen Punkten differenziert Kahl sehr präzise zwischen beiden Charakteren. Bei den Transformationen balanciert er elegant zwischen Jekyll und Hyde hin und her. Der Höhepunkt ist die Schlussszene: Jekyll kämpft mit Hyde um die Vorherrschaft. Im Sekundenrhythmus wechselt Kahl die Charaktere und liefert dabei eine großartige schauspielerische Leistung ab. Das Theater unterstützt durch wechselnde Beleuchtung: hulk-grün und unschuldig-weiß. Im Gegensatz zu Kahl patzt die Technik wie so oft an diesem Abend und die Beleuchtung kommt außer Tritt.
Wenn sich Jekyll in Hyde verwandelt, reißt Kahl sein weißes Hemd auf. Auf der nackten Brust sind tätowierte Tribals erkennbar, die sich immer weiter ausbreiten – symbolhaft für Hyde als das ursprüngliche, animalische Wilde. Tribals sind kein Zeichen für das Böse per se, sondern wurzeln in Stammeszeichen alter Völker, wie z. B. der Kelten oder auch der Indianer. Alboresi bietet damit neben der Interpretation “gut gegen böse” auch die Interpretation “zivilisiert und dressiert gegen ursprünglich und frei” an.
Nicht nur das Schauspiel von Armin Kahl ist perfekt. Die leisen Passagen singt er zart doch kraftvoll. Sein Bariton klingt kristallklar bis in die Höhen. Die Artikulation ist mustergültig – buchstäblich jeder Buchstabe ist zu verstehen
Bernd Franke gestaltet seine Bühne mit drei Hauptelementen: zwei rollbaren Kulissen, einer großen Glasfront, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden kann, und der Bühnentechnik selbst. Von Bühnenarbeitern nach hinten geschwenkt offenbaren die beweglichen schwarzen Ziegelwände auf ihrer Rückseite die Häuserfront eines Rotlichtviertels. Nach vorne geschwenkt, bilden sie die Wände von Jekylls Wohnung. Kombiniert mit der Glasfront entsteht das Laboratorium.
Die halbdurchlässige Glasfront ist fast so breit und hoch wie die Bühne selbst. Wenn der Raum dahinter illuminiert wird, wird die Front zu einer Art Fenster. Alboresi trennt damit parallele Handlungsstränge. Ist der Raum dahinter dunkel, mutiert die Glasfront zu einem monströsen Spiegel. In ihm erkennt Jekyll, dass Hyde die Kontrolle übernimmt.
Das dezente aber geschickt eingesetzte Lichtdesign schafft Atmosphäre. Die Drehbühne mit den Hubelementen setzt Alboresi exzessiv ein, nutzt sie zur Strukturierung des Raums, schafft Mauern und Plattformen. Das ist sehr effektiv: Ein Hubelement oben, das nächste unten, das übernächste oben werden zu zwei Bahnsteigen mit Gleisbett. Die Spitzenlichter einer Lokomotive im Hintergrund angedeutet, alles im Halbdunkel, etwas Nebel und fertig ist die Illusion eines einfahrenden Zuges. Spätestens im zweiten Akt verliert aber die Bühnentechnik etwas von ihrem Reiz.
So einfach Bühne und Kulissen gehalten sind, so aufwendig sind Kostüme und Requisiten. Opulent sind die authentischen Kleider aus der Gründerzeit. Die Tournüren-Röcke sind prachtvoll mit Rüschen und Spitzen gearbeitet. Einzig Henry Jekyll ist als Kontrast dazu in einen legeren schwarzen Anzug gekleidet. Der Kragenknopf seines weißen Hemdes ist sogar dann geöffnet, als er Lisa heiratet. Er wirkt wie ein Reisender aus der Zukunft – und genau das ist er gewissermaßen auch mit seiner revolutionären Denkweise. Auch die Requisite stimmt bis ins Detail. Seien es die Lampen, die vom Schnürboden herabgelassen werden oder der liebevoll arrangierte Labortisch – überbordend mit Kolben, Chemikalien und anderen chemischen Gerätschaften ausgerüstet. Durch die einfach gehaltene Bühne kommen Kostüme und Requisiten noch stärker zur Geltung.
Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. So eindrucksvoll die Leistungen von Kahl und Alboresi sind, so unprofessionell ist die Technik an diesem Abend. Teile des Chores sind nicht zu hören, der Rest wird ganz und gar von den Hauptdarstellern übertönt. Das scheint auch dem Chor selbst Probleme zu bereiten, denn die Stimmen sind manchmal asynchron. Die Mikrofone knacken, rascheln und rauschen. Der Abmischung der Hauptdarsteller in der tiefen Stimmlage fehlt es deutlich an Volumen.
Unter der musikalischen Leitung von Sebastian Beckedorf interpretieren die etwa 25 Musiker des Philharmonischen Orchesters Würzburg die Partitur von Frank Wildhorn. Mit Bassklarinette und Kontrafagott wären Instrumente besetzt, die musikalisch eine unheimliche Atmosphäre schaffen könnten. Leider gehen diese Instrumente wie viele andere völlig unter. Dafür ist der E-Bass viel zu laut. Das Orchester unterlegt Szenenumbauten mit zarter Begleitung. Die Mühe könnten sich die Musiker sparen, denn bei dem ganzen Gerumpel und Gepolter im Hintergrund geht die viel zu leise Musik unter. Einmal kann die Glasfront nicht abgesenkt werden, weil die Kulissen falsch stehen. Solche und ähnliche Pannen ziehen sich durch die gesamte Vorstellung.
Sopran Anja Gutgesell als Jekylls Verlobte Lisa singt klassisch mit viel Vibrato. Das passt nicht zur mädchenhaften Lisa und wirkt opernhaft bieder. Neben Armin Kahl kann eigentlich nur Barbara Schöller als Lucy bestehen – Jekylls Freundin, die von Hyde vergewaltigt und ermordet wird. Wie Kahl arbeitet auch sie die zwei Facetten ihrer Rolle deutlich heraus: Mit strahlender Mimik, verruchter, jazziger Stimme und lasziv-erotischer Ausstrahlung gibt sie die verführerische Prostituierte in phantasievollen, schwarzroten Dessous. Ängstlich, enttäuscht, verletzlich und gekleidet in zartes Rosa ist sie die Frau, die die Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben hat.
Die Balance ist es, die “Jekyll & Hyde” in Würzburg an vielen Stellen fehlt. Die Inszenierung von Alboresi ist ein ausgefeiltes Uhrwerk. Armin Kahl ist auf ganzer Linie ein Titan und Barbara Schöller überzeugt. Diesen ist es zu verdanken, dass sich das Publikum von den Patzern nicht beirren lässt und die Aufführung mit begeisterten Schlussapplaus und stehenden Ovationen feiert.
Musical in einem Prolog und zwei Akten von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse
Buch und Liedtexte von Leslie Bricusse nach dem gleichnamigen
Roman von Robert Louis Stevenson
Für die Bühne konzipiert von Steve Cuden und Frank Wildhorn
Orchestrierung von Kim Scharnberg
Arrangements von Jason Howland
Deutsch von Susanne Dengler und Eberhard Storz
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Sebastian Beckedorf |
Regie | Ivan Alboresi |
Bühne | Bernd Franke |
Kostüme | Götz Lanzelot Fischer |
Choreinstudierung | Michael Clark |
Dramaturgie | Christoph Blitt |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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