Deutsche Erstaufführung der Popsong-Compilation-Show von Louise Roche. Fünf grandiose Darstellerinnen geben in Sebastiano Melis flotter Inszenierung so richtig Gas.
Prost! Vier Freundinnen lassen es so richtig krachen und erheben ihre Gläser zu Sprüchen wie “Auf die Männer, die wir lieben – auf die Penner, die wir kriegen” oder “Alkohol macht Birne hohl, ist mehr Platz für Alkohol”. In der mit gelb-roten Wänden angedeuteten Karaoke-Bar (Bühnenbild: Silvio Belmondo) kippen Anita (Maike Katrin Merkel), Liza (Janneke Thomassen), Kate (Eva Maria Bender) und Carol (in der besuchten Vorstellung: Daniela Tweesmann) Hochprozentiges in sich hinein und philosophieren über ihr Beziehungsleben und das andere Geschlecht. Mit zunehmendem Alkoholpegel fallen alle Hemmungen und es kommt Überraschendes zu Tage: Das Verhältnis der vier untereinander ist gar nicht so ungetrübt, wie es zunächst scheint. Gleiches gilt für die ein oder andere Ehe und auch ein Seitensprung mit Folgen wird gebeichtet.
Der dramaturgische Kniff im Musical-Buch von Louise Roche ist jedoch, dass die vier nicht alleine feiern. Die Autorin stellt ihnen Sharon (Katja Uhlig), eine vor über zwanzig Jahren bei einem Moped-Unfall verstorbene Freundin zur Seite, die nur für das Publikum sichtbar als Engel mit von der Partie ist. Als Erzählerin und Kommentatorin führt sie durch den Abend. Gleichzeitig ist sie als eigentlich gar nicht präsente Person auch Zielscheibe von Läster-Attacken, was durch Sharons Reaktionen fürs Auditorium besonders amüsant ist. Gelungen sind auch die Zeitreisen, auf die der Engel das Publikum per Fingerschnipp mitnimmt. So erscheinen die vier Protagonistinnen zum Beispiel als kreischige, pubertierende Teenies in Schuluniformen. Optisch punkten kann hier Christina Schwarz mit ihrem sehr geschmackvollen, durch kleine Accessoires wie Stolen oder Mützen schnell wandelbaren Kostümbild.
Trotz all der überschäumenden Party-Laune mit ihren häufig derb-zotigen, unter die Gürtellinie zielenden Gags, hält Sebastiano Melis schwungvolle Inszenierung auch inne und der Regisseur gewährt ruhigere Momente. Das gelingt zum Beispiel ganz vortrefflich in der Rückblende-Szene, in der die Schwestern Carol und Kate zu einer Abtreibung fahren und zwischen den beiden aufgrund des brisanten Themas Schweigen herrscht. Gerade dieses Gespann zeichnet Meli hier sehr eindringlich. Wenn sich die beiden sehr ungleichen Frauen zum Ende der Show versöhnt in den Armen liegen, dann ist das ein Moment, der zu Herzen geht. Daniela Tweesmann und Eva Maria Bender, die wie Maike Katrin Merkel und Janneke Thomassen an anderen Stellen des Stücks als grandiose Komikerinnen bestechen, zeigen hier ihre enorme Wandlungsfähigkeit. Vorlagenbedingt etwas blasser wirkt Katja Uhlig als gastgebender Engel mit rosa Flügeln.
Musikalisch ist “Girls Night” ein Ausflug in die internationale Popmusik der 1970er bis 1990er Jahre. Hits wie “Holding Out For A Hero”, “Sweet Dreams” oder das unverwüstliche “Lady Marmelade” sind geschickt in die Handlung eingebaut und werden per Halbplayback (musikalische Leitung: Steven Desroches) begleitet. Gesanglich sind alle fünf Darstellerinnen ein Glücksgriff. Janneke Thomassen fällt mit etwas kleinerer Stimme im Gesamteindruck zwar etwas ab, bringt als frustriertes Luxusweibchen mit Bindungsangst jedoch ein bitter-trotziges “I Will Survive” zu Gehör. Bei “I’m Every Woman” und Ensemble-Nummern wie dem finalen “We Are Family” rockt Daniela Tweesmann mit wahrlich großer Soul-Röhre die Bühne. Maike Katrin Merkel sorgt mit ihrem sanften “Don’t Cry Out Loud” für Gänsehaut-Momente und setzt einen schönen Kontrast zu den sonst eher flotten Dancefloor-Krachern. Das Choreografen-Duo Sebastiano Meli und Isabella Rapp hat hierfür trotz des beengten Raumes ein optisch reizvolles Bewegungsrepertoire entwickelt, wobei die augenzwinkernden Aerobic-Tanzschritte für so manchen zusätzlichen Lacher sorgen.
Als deutsche Erstaufführung empfiehlt sich “Girls Night” in der Fassung der Neuen Berliner Scala uneingeschränkt als Publikumsmagnet für kleinere Bühnen, wobei – wie in der besuchten Vorstellung – gerade rein weibliche Gruppen besonders viel Spaß haben dürften. Der Untertitel “Girls Just Want to Have Fun” ist Programm!
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