© © Karl
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Grey Gardens (2013)
Leben. Berger & Sandweg Bühnenproduktionen GbR, Berlin

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Martin G. Berger hat dieses 2006 uraufgeführte Musical ins Deutsche übersetzt und in den Räumlichkeiten der Villa Elisabeth „installiert”. Ein rundum gelungener Abend, an dem Katja Brauneis und Frederike Haas ihre Mutter-Tochter-Konflikte ausfechten. Grandios!

Die Mutter behauptet: „Du hast hier alles, was du brauchst”. „Ich will Freiheit”, fordert hingegen die Tochter. „Die kriegt man nicht, wenn man finanziell unterstützt wird”, lautet die nüchterne, jegliche weitere Diskussion erstickende Entgegnung.

Was wie ein vorübergehender, entwicklungsbedingter Disput zwischen einer aufmüpfigen Pubertierenden und deren Erziehungsberechtigten klingt, währt bereits ein Vierteljahrhundert. Solange haust das in der Umgebung als „Katzenfrauen” verschriene, exzentrische Mutter-Tochter-Gespann mit seinen Tieren abgeschieden im verkommenen „Grey Gardens”, dem einst prächtigen Familiensitz der mit Jacky Kennedy Onassis verwandten Bouvier Beales.

In dem auf einem Dokumentar-Film basierenden Musical zeigen Doug Wright (Buch) und Michael Korie (Liedtexte) in Rückblenden, warum die beiden Frauen nicht voneinander loskommen: „Big” Bouvier Beale (Katja Brauneis), die als Dame von Welt bei gesellschaftlichen Anlässen die noblen Gäste mit ihren Gesangskünsten verzücken möchte, vergrault nicht ohne Eigennutz alle potenziellen Heiratskandidaten von „Little” Bouvier Beale (Frederike Haas). Die den hysterischen Attacken der Mutter ausgesetzte, inzwischen auch nicht mehr taufrische Frau durchschaut dieses System und träumt von unbeschwerten Zeiten außerhalb der Grundstücksgrenzen. Egal, ob mit einem Traumprinzen oder auf der Showbühne: Hauptsache weg! Doch Resignation und das schlechte Gewissen, die Mutter einsam ihrem Schicksal zu überlassen, ziehen wie ein Magnet Tochter Edie immer wieder zu Edith zurück.

Martin G. Berger, der auch die pfiffige deutsche Textfassung mit Tiefgang erstellt hat, inszeniert die Zickereien der beiden Frauen mit viel Fingerspitzengefühl für Charakterisierungen: Auf der einen Seite die exaltierte, in der Tradition einer bedeutenden Familie erstarrte Giftspritze Edith, die sich aus einer unglücklichen Ehe in den Gesang flüchtet und sich sehnsüchtig an jede noch so unpassende männliche Schulter schmeißt. Ihr Gegenpart, die dünnhäutige, depressive, sich nach Eigenständigkeit sehnende Edie, ist ganz auf Funktionieren programmiert und stellt die eigenen Bedürfnisse hinter das Wohl der Mutter. Katja Brauneis und Frederike Haas sind in ihren Rollen einfach hinreißend: im Zusammenspiel ruppig und explosiv, dann wieder einander zugetan. Hinzu kommt eine gehörige Prise Humor. Eine tolle Leistung!

In der uraufgeführten deutschen Fassung lässt Berger alle im Buch vorkommenden Männer von einem Darsteller spielen: Alen Hodzovic. Auch er ein absoluter Glücksfall, der sich mühelos, manchmal nur innerhalb von wenigen Momenten, von Ediths schwulem Gesangscoach George in den tumben Hausmeisterjungen Jerry oder in Edies eleganten Verehrer Joe Kennedy Jr. verwandelt. Auch wird Hodzovic in der Rolle des schneidigen Großvaters per Video als Projektion und via Bildschirm in das Geschehen integriert. Bedauerlicherweise können diese Szenen in der besuchten Premiere wegen technischer Probleme nicht ihre volle Wirkung entfalten.

Das Sahnehäubchen auf dieser europäischen Erstaufführung ist ihr Spielort: Die 1907 erbaute, denkmalgeschützte Villa Elisabeth. Ihr einer Restaurierung bedürfendes Inneres mit breiten Treppen und einem von stuckverzierten Säulen und Bögen getragenen zweigeschossigen Saal ist die ideale, morbide Kulisse für „Grey Gardens”. Regisseur Berger nutzt für seine „Musical-Installation” dann auch gleich das ganze Gebäude. Tochter Edie empfängt zunächst das Publikum auf der Treppe und führt die Gäste in den Salon. Ausstatterin Sarah-Katharina Karl hat den zentralen Saal mit Kartons, Zeitungen, Stoffen, zusammengesuchtem Mobiliar und Trödel regelrecht vollgemüllt. In diesem Messie-Chaos suchen die Zuschauer ihre Plätze. Dazwischen sind im ganzen Raum Spielflächen versteckt, auf denen Berger das Geschehen hautnah am Publikum zeigt. Im Verlaufe des Abends werden die Zuschauer dann noch zu drei weiteren Spielstationen gebeten, wobei es gerade auf den Treppen und in der Küche zu eng ist, damit alle das Geschehen verfolgen können. Allerdings: So hautnah ist Musical selten zu erleben.

Bijan Azudivan am Flügel und seine im Saal an einer Querseite postierte Band schwelgen regelrecht in der abwechslungsreichen Partitur des hierzulande eher unbekannten Scott Frankel: Jazziges, Walzer, Fox, Jitterbug und schmachtene Balladen im Stil von Lloyd Webber beweisen, dass er ein Meister seines Faches ist. „Das Mädchen, dem nie etwas fehlt”, „Ich fress den Kuchen ganz”, „Heirate reich” oder „Unsere Welt” sind nur einige der ohrwurmverdächtigen Songs. Der zunächst unsichtbar auf der Empore versteckte Chor und die die drei Solisten gleiten mit hörbarer Freude und tadellos durch diese Musik.

Nach nur zwei Vorstellungen bleibt die Tür von „Grey Gardens” in Berlin erst einmal wieder verschlossen. Allen Beteiligten und dem Publikum ist zu wünschen, dass die beiden Damen doch bald wieder Besuch in ihrer Messie-Villa empfangen. Es lohnt sich auf jeden Fall.

Musical von Scott Frankel (Musik), Doug Wright (Buch) und Michael Korie (Liedtexte)
Deutsche Fassung: Martin G. Berger

Band
Bijan Azadian: Flügel, Diverses
Eva Brakemeier: Flöte, Piccolo
Sidney Pfnur: Klarinette, Alt, Tenor, Flöte
Andrea Langenbacher: Violine
Christiane Rundfeldt: Cello
Max Nauta: Kontrabass
Jörg Trund: Schlagzeug, Percussion
Dominik Walenciak: Keyboard, additional Tasten

 
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KREATIVTEAM
InszenierungMartin G. Berger
Musikalische Leitung und ArrangementsBijan Azadian
AusstattungSarah-Katharina Karl
VideoRoman Rehor
ChöreSven Ratzel
 
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CAST (AKTUELL)
"Little" Edie Bouvier BealeFrederike Haas
"Big" Edith Bouvier BealeKatja Brauneis
Alle MännerAlen Hodzovic
EnsembleHellen Swantje Wecker
Caro Olbertz
Christina Burian
Sandra Mennicke
Sarah Reimer
Paulina Plucinski
Susanne Wiener
Sophie Duda
Sahand Aghdasi
Lars Hünerfürst
Jasper Sonne
  
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TERMINE (HISTORY)
Mi, 06.02.2013 20:00Villa Elisabeth, BerlinPremiere
Do, 07.02.2013 20:00Villa Elisabeth, Berlin
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