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Wenn Richard O’Briens rockige Parodie auf das Gruselfilm-Genre auf dem Spielplan steht, resultieren daraus Sonderschichten für das Reinigungsteam eines Theaters. So auch an den Uckermärkischen Bühnen, deren kurzweilige Inszenierung (Winfried Schneider) durch tolle Darsteller und die Interaktionen mit dem Publikum getragen wird.
Was passiert, wenn auf der Theaterbühne ein junges Pärchen während eines Gewittersturms mit seinem Auto abseits der Zivilisation liegen bleibt und sich Hilfe suchend an das Tor eines düsteren Schlosses flüchtet? Im Saal schwenkt dann ein auffällig kostümiertes Publikum Leuchtstäbe, schießt mit Wasserspritzpistolen und schützt sich mit Zeitungsbögen vor nassen Attacken der Sitznachbarn. Auch wenn bei der Premiere in Schwedt einige Besucher irritiert sind: Mitmachaktionen gehören zu „The Rocky Horror Show” dazu und sind an den Uckermärkischen Bühnen in Schwedt ausdrücklich erwünscht. Daher werden unerfahrene Besucher vom Einlass kostenlos mit den erforderlichen Verhaltensregeln ausgestattet und können dort auch die für die Interaktionen erforderlichen Utensilien erwerben.
Durch diese inzwischen weithin üblichen Begleiterscheinungen besitzt Richard O’Briens Werk inzwischen einen solchen Kultstatus, dass jeder Regisseur gut beraten ist, die trashige Handlung mit tradierten Sehgewohnheiten und Abläufe zu bedienen. In Schwedt drückt Winfried Schneider seiner Inszenierung zusätzlich wohl dosiert einen eigenen Stempel auf: Da feiert zum Beispiel im ersten Bild eine maskenhaft-skurril geschminkte Hochzeitsgesellschaft, das Spießbürgertum findet seinen Ausdruck in Wackeldackel und umhäkelter Klorolle auf dem Armaturenbrett eines himmelblauen Trabant und Frank’N’Furter präsentiert seine Lustknaben-Kreation Rocky wie in einer Zaubershow aus einer zunächst leeren Kiste.
Im aus zwei mobilen, durch Klappmechanismen äußerst wandelbaren Schlossmauermodulen bestehenden Bühnenbild von Daniel Gantz arrangiert Schneider sein Personal mit Tempo, Witz und viel Liebe zum Detail. Auch wenn es auf der breiten, nicht sehr tiefen Bühne manchmal eng wird und demzufolge einige Tanzschritte und Gesten sparsam ausfallen müssen, gelingt Schneider insbesondere in der Floorshow eine sehenswerte Revue-Choreografie der großen Posen.
Mit viel Fantasie und um so weniger Stoff kleidet Thorsten Fietze den transylvanischen Transvestiten und die mit bizarren Haartrachten ausgestatteten Schlossbewohner, zu denen auch sechs Tänzerinnen und Tänzer gehören, ein: Auf viel nackter Haut dominieren aufreizende Lack-, Leder- und Tüllkreationen, während die unfreiwilligen Besucher unter ihrer braven Festgarderobe wenig lusterregende Unterwäsche tragen. Doch dank der lockeren Sitten lässt Spießerbraut Janet (Saskia Dreyer) schnell alle Hemmungen fallen und lebt ihre bisher unterdrückte Lust mit dem wasserstoffblonden Mucki-Mann Rocky (Peter-Benjamin Eichhorn) aus, der nicht nur ihren panzerartigen BH begrapschen darf.
Weniger Gefallen findet Janets schlaksig-tölpelhafter Partner Brad (Daniel Heinz) an der unfreiwilligen Begattungsepisode mit dem lüsternden Hausherrn im Strapslook. Dirk Weidner ist ein recht jung wirkender Frank’N’Furter, der zwar hingebungsvoll auf Absatzschuhen durch die Szenen stöckelt, andererseits den Transvestiten mit knackigem Rock-Bariton ohne Diven- oder Tuckengehabe herb-männlich anlegt. Ein rundum gelungenes Rollenporträt, das allerdings von Stefan Bräuler als Erzähler noch getoppt wird: Auch wenn das Publikum mit seinen „Boring”-Rufen versucht, dem im Landlordstil gekleideten Herrn aus dem Konzept zu bringen, zieht er mit einer Mischung aus Ignoranz, Langeweile und Resignation vor dem Chaos mit blasierter Mimik und kleinen Gesten sein Rollenportrait durch.
Zum homogen zusammengesetzten, musical-geschulten Hausensemble, das durchweg auf hohem Niveau singt, spielt und tanzt, gehören auch Nadine Aßmann und Ireneusz Rosinski als diabolisch-verwegenes Geschwisterpaar Magenta und Riff-Raff. Außerdem überzeugen Susanne von Lonski als quirlige Columbia sowie Andreas Goebel in einer Doppelrolle als Eddie und Dr. Scott (rollenweise mit Elvis-Tolle oder hitlereskem Schnauzbart). Fetzige Beats im satten Sound liefert die an der Bühnenrückwand auf einem Podest hinter schwarzer Gaze versteckte Rock-Band unter der Leitung von Tilmann Hintze.
Unvorstellbar, dass „The Rocky Horror Show”, die im Juni 2013 vierzig Jahre auf dem Buckel hat, in absehbarer Zeit einen ernsthaften Konkurrenten bekommen könnte, der ihr den Titel als DAS Kultmusical streitig macht. Eine durch und durch gelungene, vom Publikum interaktiv mitgestaltete und bejubelte Aufführungen, wie sie jetzt an den Uckermärkischen Bühnen zu sehen ist, läßt keinen anderen Schluss zu.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung und Choreografie | Winfried Schneider |
Musikalische Leitung | Tilmann Hintze |
Bühnenbild | Daniel Gantz |
Kostümbild | Thorsten Fietze |
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CAST (AKTUELL) |
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Magenta / Usherette | Nadine Aßmann |
Brad Majors | Daniel Heinz |
Janet Weiss | Saskia Dreyer |
Narrator/Erzähler | Stefan Bräuler |
Rocky | Peter-Benjamin Eichhorn |
Columbia | Susanne von Lonski |
Frank 'N'Furter | Dirk Weidner |
Riff-Raff | Ireneusz Rosinski |
Eddie / Dr. Scott | Andreas Goebel |
Braut | Claudia Benkert |
Bräutigam | Peter Borth |
Ensemble | Michalina Brudnowska Katrin Lièvre Patricia Thanel Andreas Decker Jakub Gwit Pawel Klowan Lara de Toscano |
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GALERIE |
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