Zum zwanzigjährigen Jubiläum kehrt die Kaiserin nach Wien zurück – in einer Neubearbeitung der klassischen Wiener Inszenierung und mit einem Großaufgebot an bekannten Namen. Das alles sorgt für einen Abend von hoher Qualität. Ein wenig mehr Mut zu Neuem wäre dem Stück dabei allerdings gut bekommen.
“Kaiserinnen-Schmarrn” titelte die Wiener Presse hämisch, als “Elisabeth” im September 1992 in der österreichischen Hauptstadt seine Uraufführung feierte. Zu verschroben sei das Stück um Leben und Leid der Kaiserin. Texter Michael Kunze und Komponist Sylvester Levay versuchten in ihrem Bühnenstück eine Richtigstellung des durch die süßlich-kitschigen Romy Schneider-Filme der 1950er Jahre verzerrten Bildes der Kaiserin Elisabeth und schufen das Portrait einer emanzipierten Frau zwischen Hofzeremoniell, Schönheitskuren, politischen Winkelzügen und der Rastlosigkeit ihrer späten Jahre. Der Erfolg wandte sich gegen die Kritiker: Seit der Premiere sind zwanzig Jahre vergangen und “Elisabeth” steht nach wie vor auf den Spielplänen vieler Theater weltweit.
Zum Jubiläum haben sich die Vereinigten Bühnen Wien zu einer zweiten Wiederaufnahme des Stückes entschlossen. Die Regie der Inszenierung am Raimund Theater übernimmt, wie schon 1992 und 2003, Harry Kupfer und bietet eine aktualisierte Variante der Originalversion. Die Wiener Elisabeth-Fassung ist geschmackvoll und intelligent wie eh und je. Kupfer arbeitet mit geschickt gewählten Akzenten aus dem Bildfundus der k.u.k. Monarchie, die den Zuschauer in die Welt der letzten Habsburger entführen. Die düstere Gesamtwirkung des Bühnenbilds führt dabei immer wieder vor Augen, dass das Treiben auf der Bühne nur ein Abglanz einer längst vergangenen Epoche ist, das wiederauflebende Abbild einer schon verblichenen Welt. Gleichzeitig nutzt Kupfer die Bühne auch für augenzwinkernde Kritik am Sissi-Kitsch, lässt etwa bei der Verlobungsszene in Bad Ischl einen Vorhang aus Hirschgeweihen fallen und karikiert damit die Atmosphäre der Heimatfilm-Idylle. Behutsam wurde die Inszenierung auf den neuesten Stand gebracht: In der 2012er Version sind die Kostüme opulenter als zuvor und eine Videowand bietet auf der gesamten Bühnenbreite die Möglichkeit, das Szenenbild dezent in Bewegung zu setzen.
Wer in der neuen Wiener Fassung nach großen Neuerungen im Libretto sucht, wird enttäuscht werden. Der Prolog “Alle tanzten mit dem Tod” wird wieder, wie in der Ur-Fassung, mit Solo-Partien von Sophie und Ludovika, Franz-Joseph und Rudolf gespielt. Das Duett zwischen Elisabeth und dem Tod “Wenn ich tanzen will” ist seit der Essener Aufführung 2001 verbindlich und aus der Wiener Fassung 2003 wurde das Solo der Kaiserinmutter Sophie “Bellaria” wieder eingefügt. Einzige Neuerung ist die erstmalige Aufführung von “Rondo – Schwarzer Prinz” im deutschsprachigen Raum, das ursprünglich für die japanische Fassung des Musicals geschrieben wurde. Der fröhlich-treibenden Rhythmus des Liedes fällt allerdings aus dem Rahmen des ansonsten in sich sehr schlüssigen und stimmigen Stückes und es bleibt fraglich, ob dieser Ersatz für Elisabeths “Schwarzer Prinz” eine wirklich geschickte Entscheidung war.
Bei der Besetzung haben die Vereinigten Bühnen Wien einige der bekannten Namen der deutschsprachigen Musicalszene auf der Bühne versammelt. Annemieke van Dam spielt – wie schon bei den beiden Deutschlandtourneen 2009/10 und 2011/12 – die Titelrolle der Kaiserin. Dementsprechend versiert und sicher wirkt ihre Elisabeth, die in schauspielerischer Hinsicht facettenreich gelingt. Sie überzeugt sowohl in den Jugendpartien als Prinzessin in Bayern als auch als vergrämte Kaiserin der späten Jahre. Auch eine stimmliche Entwickelung ist in ihrem klaren Sopran deutlich angelegt. Wirkt ihr “Ich gehör nur mir” in den Schlusstönen noch ein wenig brüchig, so hat spätestens die Verbitterung bei “Nichts, nichts, gar nichts” Gänsehautpotenzial. Annemieke van Dam zeigt sich der Nachfolge von Pia Douwes und Maya Hakvoort gewachsen.
Mark Seibert spielt den Tod mit viel Nonchalance und der nötigen Arroganz. Stimmlich meistert er die Partie mühelos und einwandfrei. Sein Tod variiert zwischen sanft säuselndem Verführer und forderndem Angreifer, der letztlich mit einer gehörigen Prise Erotik Kaiserin und Publikum in seinen Bann zieht. Kurosch Abbasi als Elisabeths Mörder Luigi Lucheni nimmt nur langsam Fahrt auf und wirkt anfangs zu brav und gesittet. Spätestens im zweiten Akt hat er seine Rolle aber voll und ganz gefunden und schmettert “Kitsch” mit der hörbarer Lust zur Anarchie. Für das nötige Quäntchen Romantik sorgt Franziskus Hartenstein in seiner Rolle als gutmütiger Kaiser Franz-Joseph dank des Schmelzes seines warmen Tenors. Anton Zetterholm als Kronprinz Rudolf stemmt die eher kleine Partie stimmlich wie schauspielerisch solide, scheitert allerdings an der lyrischen Bandbreite, die für “Wenn ich dein Spiegel wär” vonnöten wäre.
Vor allem die Partien der Eltern von Franz und Elisabeth machen die neue Wiener Version des Stücks zu einem wahren Genuss. Christian Peter Hauser gibt den Herzog Max mit viel Spaß und angenehmem Bariton, Daniela Ziegler ist als Kaiserinmutter Sophie überzeugend streng und hinterlässt mit “Bellaria” einen bleibenden Eindruck. In der Doppelrolle als Herzogin Ludovika und Frau Wolf zeigt Carin Filipčić ein breites Spektrum ihres Könnens zwischen fröhlich-mütterlich und lasziv-provokant und macht die Bordellszene um “Nur kein Genieren” zu einem der besonderen Höhepunkte der Aufführung.
“Elisabeth” in der Wiener Fassung 3.0 ist eine ausgesprochen gelungene Wiederaufnahme des Stückes zum zwanzigsten Geburtstag. Harry Kupfers Inszenierung hat über die Jahre nichts von ihrem Charme und Biss verloren, das prominent besetzte Ensemble tut sein Übriges, um die Aufführung zu einem Erfolg zu machen. Dennoch stellt sich nach den zwei Wiener Vorgängerfassungen und den deutschen Tournee-Produktionen ein starkes Déjà-Vu-Gefühl ein. “Elisabeth” im Raimund Theater ist gut wie eh und je, Überraschungen sucht man allerdings vergebens. Vielleicht ja dann zum 25. Geburtstag.
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Mehrere Begriffe ohne Anführungszeichen = Alle Begriffe müssen in beliebiger Reihenfolge vorkommen (Mark Seibert Hamburg findet z.B. auch eine Produktion, in der Mark Müller und Christian Seibert in Hamburg gespielt haben). "Mark Seibert" Wien hingegen findet genau den Namen "Mark Seibert" und Wien. Die Suche ist möglich nach Stücktiteln, Theaternamen, Mitwirkenden, Städten, Bundesländern (DE), Ländern, Aufführungsjahren...