Dagmar Manzel (Lilli Vanessi/Katharina) © Monika Rittershaus
Dagmar Manzel (Lilli Vanessi/Katharina) © Monika Rittershaus

Kiss Me, Kate (2008 - 2016)
Komische Oper, Berlin

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Eine überragende Dagmar Manzel brilliert in der Titelrolle als kratzbürstig fauchende Furie und lebenslustige Schauspielerin Lilli Vanessi. Manzels Glanzleistung und eine adäquat besetzte Solistenriege lassen in der weit über drei Stunden dauernden Vorstellung so manch optische Entgleisung im Regie-Konzept von Barrie Kosky vergessen.

“Schwestern – wollt ihr etwa Lassie?”. Auch wenn es zunächst nicht danach klingt. Die nur schwer an einen Gatten zu vermittelnde Katharina aus der in der Musicalhandlung zur Aufführung kommenden Shakespeare-Komödie “Der Widerspenstigen Zähmung” hat nichts gegen bellende Vierbeiner. Allein die nach ihrer Beobachtung beim Mann vom Kopf bis zu den Zehen sprießende Körperbehaarung macht ihn zum Tier und ist eines der schlagendsten Argumente für Katharinas Gesangsbotschaft “Bloß kein Mann”. Die neue deutsche Übertragung von Susanne Felicitas Wolf sprudelt nur so vor solchen Gags. Auch wenn Reime wie “der Typ aus Padua ist ganz ga-ga” sehr bemüht wirken, freut sich der Zuhörer, dass der Cole-Porter-Klassiker nicht mehr in der behäbigen Text-Fassung aus den 1950er-Jahren daher kommt.

Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt hingegen die optische Umsetzung. In der bereits erwähnten Shakespeare-Aufführung tummeln sich Katharinas Freier nicht mehr im Italien der Renaissance. Sie sind über den großen Teich in einen grellen Kosmos mit Cowboys in roten oder schwarzen Pailletten-Outfits gebeamt worden. “Yipee” schreien diese vollbärtigen Kerle mit tuntig wirkendem Glitter-Makeup und schwingen zur Spinettbegleitung imaginäre Lassos über ihren Köpfen. In dieser Welt der Show verkommen nicht nur die höfischen Tänze zum Squaredance-Spektakel, auch präsentieren zappelige Hampelmänner der ausgehungerten Katharina unter einer silbernen Servierglocke einen mehrlagigen Super-Hamburger als Appetithappen. Über der skurril überzeichneten Hochzeitsgesellschaft flattert ein funkelnder Pailletten-Vogel, dem die unwillige Braut-Furie mit einem gezielten Pistolen-Schuss den Garaus macht, so dass er als nackter Plastiktorso auf den Bühnenboden knallt.

In der Sichtweise von Regisseur Barrie Kosky ist die Theateraufführung im Musical eine glamouröse Schwulen-Parade mit Slapstick-Einlagen, die Bräutigam Petruchio im strahlendweißen Zorro-Kostüm mit einem Schal in Regenbogenfarben als Symbol der Homosexuellen anführt. Auch wenn dieser Inszenierungsansatz das Publikum daran erinnern soll, dass der Komponist Cole Porter nur aus gesellschaftlichen Konventionen mit einer Frau verheiratet war und seine Musicalsongs laut Programmheft in der Originalsprache versteckte Andeutungen von Homoerotik enthalten sollen, hätte ein wenig Zurückhaltung diesem schrill-überdrehten Teil der Inszenierung gut getan. Zumal die verschwenderische Pailletten-Orgie im Kostümbild von Alfred Mayerhofer wenig zu der im Textbuch beschriebenen verarmten Theatertruppe passt.

Diese präsentiert sich jenseits der Glitzerwelt als eine Gruppe von Individuen, die in Unterwäsche auf den nächsten Auftritt wartet. Immer neu gruppierte Koffer und Kisten für Requisiten deuten diesen spartanischen Backstage-Bereich an, in dem auch die Inszenierung Format hat und Barrie Kosky beweist, dass er das Regie-Handwerk beherrscht. Sowohl stillere Momente wie Fred Grahams bittersüße Bilanz “Wo ist mein alter Lebensstil?” als auch Showstopper wie Lois Lanes “Ich bleib dir treu, mein Schatz” oder der spannungsgeladene Auftakt nach der Pause (“Viel zu heiß”) begeistern. Otto Pichlers mitreißende, akrobatisch anspruchsvolle Choreografien unterstreichen den positiven Eindruck und rechtfertigen die sehr langen Tanzeinlagen bei vielen Songs. Nicht nur hier läuft das zwölfköpfige Tanzensemble zu Hochform auf.

Bühnenbildner Klaus Grünberg hat den Einheitsraum zweigeteilt: Auf der kahlen, linken Seite spielt sich komplett die Handlung ab. Wenn auf der Bühne “Der Widerspenstigen Zähmung” gezeigt wird, stürmen Clowns herein und ziehen einen Glitzervorhang vor die Gitterdurchsicht auf den mit Leitern, Kisten und Scheinwerfern vollgestellten Hintergrund. In Massenszenen ist es auf dieser Spielfläche allerdings auch beängstigend eng. Die rechte Bühnenhälfte dominiert eine sich aus dem Orchestergraben herausschraubende weiße Showtreppe, auf der die Musiker platziert sind. Dieses stimmungsvolle Bild erinnert an Revue-Filme aus UFA-Zeiten, hat allerdings auch Tücken. Zuschauer, die im Parkett in den ersten Reihen sehr weit rechts oder direkt hinter dem leicht erhöht stehenden Dirigentenpult sitzen, dürften mit Sichtproblemen auf das Geschehen zu kämpfen haben. Das um einen Pianisten und eine Rhythmusgruppe verstärkte Orchester der Komischen Oper Berlin genießt allerdings diesen ausnahmsweise einmal sichtbaren Auftritt und swing, jazzt und groovt sich unter dem zackigen Dirigat von Musicalspezalist Koen Schoots durch Cole Porters Partitur. Die Chorsolisten ertragen mit einigem Mut zur Hässlichkeit ihre Auftritte als Volk, singen und bewegen sich auf dem für sie ungewohnten Musical-Terrain jedoch achtbar.

Der Star des Abends heißt Dagmar Manzel (Lilli Vanessi), die vom ersten Moment an im Zentrum der Aufführung steht. Mit vollem Körpereinsatz und einem beeindruckenden Repertoire an Mimik und Gestik gestaltet sie eine Szene als garstig fauchender Drache, der jeden Mann zum Jammerlappen degradiert, um sich in nächster Sekunde zu einer verschmitzt flirtenden Dame mit Charme zu wandeln. Manzel ist eine grandiose Komödiantin mit Sinn für Timing und Pointen, die ihre vielen Gesangsaufgaben mit sattem Sopran wie nebenbei meistert. Als Chef der Theatertruppe und Lillis ehemaliger Ehemann Fred Graham wirkt Roger Smeets sehr blass. Er gibt weder den windigen Geschäftsmann, noch einen leidenschaftlichen Schmierenkomödianten oder einen feurigen Liebhaber. Regisseur Barrie Kosky hätte mit dem Darsteller ein schärferes Rollenprofil herausarbeiten müssen. Zwar singt sich Smeets mit seiner klassisch geschulten Baritonstimme tapfer durch die Porter-Partitur, doch auch gesanglich kann er nicht restlos überzeugen.

Sigalit Feig ist eine leichtlebige wie flotte Lois Lane, deren Sopran insbesondere in den Piano-Passagen gefällt. Feig ist eine begnadete Tänzerin, die in Danny Costello (Bill Calhoun) einen adäquaten Partner hat. Er steppt sich nicht nur in die Herzen seiner Angebeteten, im Liebeslied “Bianca” entfaltet sich auch seine angenehm leichte Tenorstimme zu voller Pracht. Chrisoph Späth und Peter Renz kalauern sich berlinernd als Ganoven durch den Abend. Auch sie mutieren zu Cowboys in grasgrünen Glitter-Outfits. Allerdings erst in der letzten Strophe des unverwüstlichen “Schlag nach bei Shakespeare”-Songs. Eine Erklärung dafür ist in dessen Werk allerdings nicht zu finden.

Musical Comedy in zwei Akten von Samuel und Bella Spewack
Gesangstexte und Musik: Cole Porter
Deutsche Textfassung: Susanne Felicitas Wolf
Neue Orchestration von Don Sebesky (Broadway 1999)

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungKoen Schoots
Daniel Behrens
InszenierungBarrie Kosky
BühnenbildKlaus Grünberg
KostümeAlfred Mayerhofer
ChoreografieOtto Pichler
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Lilli Vanessi / KatherinaDagmar Manzel
Fred Graham / PetruchioTom Erik Lie
Peter Bording
Lois Lane / BiancaSigalit Feig
Bill Calhoun / LucentinoRobin Poell
Erster GanoveChristoph Späth
Zweiter GanovePeter Renz
Harrison HowellStefan Sevenich
Dick / GremioMiha Podrepsek
Christoph Jonas
Harry / HortensioSilvano Marraffa
Shane Dickson
Harry Travour / BaptistaHans-Martin Nau
HattieBarbara Sternberger
PaulJohannes Dunz
RalphMatthias Spenke
TanzensembleAllessandra Bizzarri
Daniella Foligno
Andea Heil
Nora Pichette
Eleonora Talamini
Sarah Bowden
Axel Baer
Friedrich Bührer
Silvano Marraffa
Miha Podrepsek
Jesco Himmelrath
Christian Hante
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (HISTORY)
Fred Graham/PetruchioRoger Smeets
Bill Calhoun/LucentinoDanny Costello
Harrison HowellF. Dion Davis
Dick/GremioMiha Podrepsek
Harry/HortensioRobin Poell
PaulThomas Eberstein
Mate Gal
TanzensembleAxel Baer
Allessandra Bizzarri
Sarah Bowden
Friedrich Bührer
Alexon Capelesso
Daniella Foligno
Christian Hante
Andrea Heil
Jesco Himmelrath
Miha Podrepsek
Nora Pichette
Eleonora Talamini
Robert Johansson
Bridie June Rack
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Sa, 31.05.2008 19:00Komische Oper, BerlinPremiere
Fr, 06.06.2008 19:00Komische Oper, Berlin
Sa, 07.06.2008 19:00Komische Oper, Berlin
▼ 78 weitere Termine einblenden (bis 22.02.2016) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay