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Erste Stadttheaterproduktion des Wildhorn-Musicals um die Trennung von Gut und Böse im Menschen – in einer modernen, frischen Inszenierung von Michael Heinicke. Dem guten Ensemble werden namhafte Gastdarsteller zur Seite gestellt: Randy Diamond und Christoph Goetten wechseln sich in der Titelrolle ab, Maricel gibt wie schon in Bremen die Lucy und als Lisa steht Nadine Hammer (alternierend: Muriel Wenger) auf der Bühne.
Bei der Stadttheater-Erstaufführung von Wildhorns “Jekyll & Hyde” setzt Regisseur Michael Heinike auf eine Inszenierung, die sich von Anfang an deutlich von der Bremer Originalproduktion abhebt. Wer das Stück in Bremen, Wien oder Köln gesehen hat, wird es in Chemnitz kaum wieder erkennen – ein riskanter Schachzug, der letztendlich aber aufgeht.
Setzte man am Broadway noch auf ein realistisch-viktorianisches Bühnenbild und versuchte in Bremen einen schwierigen Spagat zwischen Realismus und moderner Abstraktion, so geht der Chemnitzer Bühnenbildner Peter Sykora einen Schritt weiter und verlegt das Stück konsequent in die Gegenwart: Jeykll arbeitet am Computer und Lucy verführt die Männer mit bauchfreiem Top und kniehohen Stiefeln. Der Stoff ist ohnehin zeitlos. Auch wenn wahnwitzige biologische Thesen im viktorianischen England eher an der Tagesordnung waren, so bleibt die Moral der Geschichte doch aktuell.
Das Bühnenbild ist stimmungsvoll – sei es die riesige Halle des Hospitals oder auch Jekylls unterirdisches Labor – und auch mit Liebe zum Detail ausgestattet, aber leider trotz Drehbühne und mehreren Ebenen auch recht statisch, was zur Folge hat, dass u.a. Jekylls Verlobungsfeier in der Krankenhaus-Halle stattfinden muss. Auch bei den teilweise sehr gewöhnungsbedürftigen Kostümen muss man ein paar Abstriche machen.
Im Unterschied zu den bisherigen deutschsprachigen Inszenierungen beginnt Dr. Jekyll seine Versuche hier nicht, um seinem kranken Vater zu helfen, sondern aus purem wissenschaftlichen Ehrgeiz, der an Obsession grenzt und oft mit Temperamentsausbrüchen einher geht. Man sollte meinen, bei einem derart hitzköpfigen Jekyll sei es schwer, Edward Hydes Boshaftigkeit entsprechend abzusetzen – erstaunlicherweise gelingt dies aber hervorragend. Hyde hebt sich nicht nur optisch deutlich von seinem Alter Ego ab, auch stimmlich und schauspielerisch ist die Grenze klar herausgearbeitet.
Als Jekyll liefert Hauptdarsteller Randy Diamond eine solide Leistung ab (man wünscht sich manchmal etwas mehr Klang in den Gesangspassagen), als Hyde jedoch ist er schlichtweg überragend. Mit schallender, rauer Stimme variiert er zwischen angsteinflößender Besessenheit und gefährlich-verführerischer Laszivität. Der Konflikt, in dem sich Lucy befindet, die sich von Hyde gleichzeitig angezogen und abgestoßen fühlt, ist verständlich: Das Zusammenspiel der beiden wird zu einem erotischen Todestanz.
Vor allem bei der “Konfrontation”, der finalen Auseinandersetzung zwischen seinen beiden Ichs, ist Diamond beeindruckend. Nach der Ermordung Lucys bricht Jekyll durch und kämpft um die Kontrolle. Optisch jedoch ist Diamond noch ganz Hyde, und bekommt auch sonst keine Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, um die Differenzierung der beiden Charaktere während des Zwiegesprächs deutlich zu machen. Doch allein durch seine veränderte Stimme und Mimik ist stets offensichtlich, ob es Jekyll oder Hyde ist, der gerade die Oberhand hat.
Maricel, die bereits in der Bremer Produktion die Lucy verkörperte, geht voll und ganz in ihrer Rolle auf. Sie legt den Charakter mit einem angenehm warmen, weichen Timbre in der Stimme als gleichermaßen verletzliches wie verführerisches Mädchen der Nacht an: Sirene und Opfer zugleich, von Jekylls Güte ebenso angezogen wie von Hydes animalischer Ausstrahlung und unfähig, sich gegen beides zu wehren.
Nadine Hammer gelingt es, dem eigentlich eher farblosen Charakter der Lisa durch ihre Bühnenpräsenz und eine Rollenauslegung, die Lisa im selben Maße Zartheit und Stärke verleiht, eine gewisse Faszination zu verleihen. Stimmlich läuft Hammer zwar erst im zweiten Akt wirklich zu Höchstform auch, kann dann aber mit ihrer gefühlvollen Interpretation von “Da war einst ein Traum” und auch im sehnsüchtigen Fern-Duett mit Lucy “Nur sein Blick” das Publikum voll begeistern.
In den Nebenrollen liefern vor allem Martin Gäbler als Jekylls loyaler Freund Utterson und Nico Müller als Lisas Ex-Verlobter Simon Stride eine sehr stimmstarke und schauspielerisch akzentuierte Vorstellung ab. Auch Matthias Winter als Lisas Vater, Wieland Müller als verbohrter Bischof, Sylvia Schramm-Heilfort als scharfzüngige Society-Lady und Thomas Schultz als Lucys brutaler Zuhälter können überzeugen.
Dramaturgisch wurden im Stück etliche Änderungen vorgenommen. Songs wie “Mädchen der Nacht” oder “Die Welt ist völlig irr” sucht man vergebens, ihr Fehlen fällt aber auch nicht negativ ins Gewicht. Im Gegenteil – Jekylls erste Verwandlung zu Hyde geht dadurch nahtlos in “Welch Gefühl, so lebendig zu sein” über, was der Szene eine wunderbare ungebrochene Dynamik gibt. Gleichfalls ins Konzept passt der Ausschnitt aus “Gefährliches Spiel”, den Lucy in der Mitte eben dieser Szene singt, und der ihre erste Begegnung mit Hyde auf den Punkt bringt. Die Fassade-Reprise im zweiten Akt erhält ebenfalls eine neue faszinierende Facette, da Spider die eigentliche Ensemblenummer mit tiefer Bass-Stimme fast im Alleingang intoniert und der Chor im Hintergrund nur als Echo zu hören ist.
Kurz: “Jekyll & Hyde” in Chemnitz ist ein rundes, eigenständiges Stück, das den Vergleich mit der Originalproduktion nicht herbeizwingt, ihn aber auch keinesfalls scheuen müsste.
Nachtrag zur Alternativbesetzung Christoph Goetten (Jekyll/Hyde) und Muriel Wenger (Lisa):
Man merkt es Christoph Goetten an, dass er bereits in der Kölner Großproduktion des Stücks als Jekyll/Hyde auf der Bühne stand: seine Darstellung ist bis ins kleinste Detail ausgefeilt und sehr intensiv. Vor allem bei Jekyll, der sonst oft in Hinblick auf den Kontrast zu Hyde eher zurückhaltend interpretiert wird, fällt das positiv auf. Goettens Jekyll (mit wirrem rotem Wuschelhaar) ist leidenschaftlicher Wissenschaftler, dessen Besessenheit von seinen Studien von Anfang an etwas Dunkles an sich hat – eine Interpretation, die durch die Härte in Goettens Stimme verstärkt wird. Sein Hyde wirkt dagegen fast schon ein wenig blass, vielleicht auch, weil es bei den Paradesongs des bösen Alter Egos wie “Welch Gefühl so lebendig zu sein” etwas an Stimmstärke fehlt. Die “Konfrontation”, bei der auch er sich genau wie Diamond auf Mimik und Stimmmodulation verlassen muss, um die beiden Rollen herauszuarbeiten, ist dennoch beeindruckend differenziert.
Muriel Wengers legt Lisa deutlich reifer und selbstbewusster an, als man es sonst von der Rolle gewöhnt ist. Ihr dunkler, warmer Gesang ist manchmal fast schon ein wenig zu verführerisch für eine Tochter aus gutem Hause. Nichtsdestotrotz profitiert der Charakter von Wengers Rollenauslegung, weil Lisa dadurch – um es mit einem Zitat aus dem Stück zu sagen – “an Kontur gewinnt” und interessanter wird, besonders in ihrer Beziehung zu Jekyll.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Michael Heinicke |
Musikalische Leitung | Domonkos Héja |
Bühne und Kostüme | Peter Sykora |
Kreativteam | Cast | Termine | Termine (Archiv) | ||||||
CAST (AKTUELL) |
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Dr. Henry Jekyll, Mr. Edward Hyde | Randy Diamond Christoph Goetten |
Lucy Harris | Maricel |
Lisa Carew | Nadine Hammer Muriel Wenger |
John Utterson | Martin Gäbler |
Sir Danvers Carew | Matthias Winter |
Sir Archibald Proops | Jürgen Mutze |
Lord Savage | Andreas Mühle |
General Lord Glossop | Roland Glass |
Lady Beaconsfield | Sylvia Schramm-Heilfort |
Bischof von Basingstoke | Wieland Müller |
Simon Stride | Nico Müller |
Spider, der Zuhälter | Thomas Mäthger Thomas Schultz |
Nellie, die Chefin der "Roten Ratte" | Anett Krüger |
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TERMINE |
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