Gelungene Inszenierung des Lerner-/Loewe-Klassikers in moderner Optik: Dank der Brechstangen-Pädagogik eines blasierten Intellektuellen wird eine Obdachlose zur Society-Lady.
Bildungsmisere, zunehmende Armut und Unterschicht-Problematik werden nicht nur in den Medien diskutiert, sondern sind auch die Ansatzpunkte für Peter Grisebachs aktualisierte Sichtweise von “My Fair Lady”. Hierzu befreit der Regisseur die Story vom Muff des viktorianischen Englands und verlegt sie ins Jetzt und Heute. So findet der Sprachunterricht der von der Straße aufgelesenen Eliza nicht mehr in einem engen, mit Büchern voll gestopften Studierzimmer statt. Im Jahre 2006 residiert Professor Higgins in einem lichtdurchfluteten, stylisch eingerichteten Maisonette-Loft. Im Designer-Chromregal neben dem hellen Kunstledersofa stehen allenfalls ein paar DVDs. Mit Hilfe der Drehbühne kann das trendige Heim schnell in einen von einer Plakatwand dominierten Fabrikhof verwandelt werden, in dem die Straßenszenen um Alfred Doolittle spielen. Während sich die Londoner Unterklasse aus schrillen Hausfrauen in Kittelschürzen, spärlich bekleideten Nutten und der desillusionierten Jeans- und Turnschuh-Generation zusammensetzt, stolziert die High Society auf dem Rennplatz von Ascot ganz traditionsbewusst in Samt und Seide umher (Bühne & Kostüme: Jan Bammes). Obwohl Grisebach mit seiner Inszenierung voll und ganz dem Buch von Alan Jay Lerner vertraut und auf zusätzliche sprachliche Modernismen verzichtet, gelingt ihm das Kunststück, “My Fair Lady” elegant und ohne Blessuren ins 21. Jahrhundert zu transferieren. Dank seiner ausgefeilten, auf Tempo und Witz setzenden Personenregie schnurrt der Musical-Oldie über die Bühne, als wäre er ein Stück von heute. Einzig die walzer- und polkalastige Partitur, die das Städtische Orchester unter Christoph Hornischer zuverlässig und mit einer gehörigen Prise Pep intoniert, verrät, dass Frederick Loewe sie bereits vor über fünfzig Jahren komponiert hat.
Im Zentrum der Bremerhavener Aufführung steht Hans Neblung, dessen Henry Higgins ein blasierter Intellektueller mit Hornbrille ist. Fast zu spät entdeckt der Wissenschaftler, dass auch ein Herz in seiner Brust schlägt. In seinen beiden Solo-Songs “Lass ein Weib an Dich heran” und “Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht” stellt Neblung sowohl stimmlich als auch schauspielerisch mit Bravour den aktuellen Seelenzustand des Professors dar. Seine Higgins-Interpretation wird in der besuchten Premiere zu Recht vom Publikum bejubelt. Iris Wemme als Haushaltsfaktotum Mrs. Pearce, Christine Dorner als schrullige Mrs. Higgins und vor allem der mit sattem Bass singende Klaus Damm (Alfred P. Doolittle) gestalten ihre Auftritte als komödiantische Kabinettstückchen. Daniela Stuckstette glänzt in Darstellung und Gesang, sowohl als schnodderige Obdachlose als auch als elegante Lady, wobei ihre Stimme zu ausgereift und opernhaft für die Rolle der Eliza ist. In diesem Sinne fast schon eine Fehlbesetzung ist Ralph Ertel (Freddy Eynsford-Hill), der den Song “In der Straße, in der du lebst” so schmalzig vorträgt, als würde er einer klassischen Lehár-Operette entstammen
Stadt- und Staatstheater zeigen immer wieder gern den Klassiker “My Fair Lady”. Die in Bremerhaven gezeigte Sichtweise in moderner Optik beweist, dass dieses Musical auch heute noch aktuell sein kann.
Musical nach Bernhard Shaws “Pygmalion” und dem Film von Gabriel Pascal
Buch: Alan Jay Lerner
Musik: Frederick Loewe
Deutsche Übersetzung: Robert Gilbert
Sa, 28.10.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | Premiere |
Mi, 01.11.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Fr, 03.11.2006 15:00 | Stadttheater, Bremerhaven | geschl. Vorstellung |
▼ 24 weitere Termine einblenden (bis 30.06.2007) ▼ |
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Sa, 11.11.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Fr, 17.11.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
Fr, 24.11.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Mo, 27.11.2006 15:00 | Stadttheater, Bremerhaven | geschl. Vorstellung |
Mi, 29.11.2006 15:00 | Stadttheater, Bremerhaven | geschl. Vorstellung |
Fr, 01.12.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
So, 03.12.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
Do, 14.12.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
Sa, 16.12.2006 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
So, 31.12.2006 19:00 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
Fr, 05.01.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Fr, 12.01.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
So, 21.01.2007 15:00 | Stadttheater, Bremerhaven | geschl. Vorstellung |
Fr, 26.01.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
So, 28.01.2007 15:00 | Stadttheater, Bremerhaven | geschl. Vorstellung |
Do, 01.02.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
So, 11.02.2007 15:00 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Fr, 23.02.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Fr, 16.03.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Sa, 31.03.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | ausverkauft |
So, 08.04.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
So, 20.05.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
So, 03.06.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | |
Sa, 30.06.2007 19:30 | Stadttheater, Bremerhaven | zum letzten Mal |
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