Uwe Kröger © Moni Fellner
Uwe Kröger © Moni Fellner

"Geh dorthin, wo die Augen strahlen, wenn man dich empfängt" - Uwe Kröger im Interview

Kaum eine der großen Rollen, in der er nicht bereits auf der Bühne stand. Er war der erste “Tod” im Musical-Welterfolg “Elisabeth”. Er war Maxim de Winter, der GI Chris und er war Joe Gilles. Seit einigen Jahren steht Uwe Kröger nun aber nicht mehr nur auf der Bühne sondern wechselt gerne die Perspektive und nimmt im Regie-Stuhl Platz. Aktuell führt er Regie bei “A Tale of Two Cities“, einer Musical-Uraufführung am Theater Hof. Wir haben ihn dort getroffen und mit ihm über die Unterschiede der Arbeit an einem Stadttheater im Gegensatz zu den großen Musical-Tempeln, über die Zusammenarbeit mit alten Kollegen und natürlich über seine aktuelle Arbeit geplaudert.

“A Tale of Two Cities” ist nun bereits deine dritte Regie-Arbeit für das Theater Hof. Was führt dich immer wieder hierher und wie unterscheidet sich die Arbeit an einem Stadttheater von den großen Bühnen, zum Beispiel in Wien?

Uwe Kröger: Ich hab nie wirklich damit geliebäugelt, Regie zu führen. Mein Gedanke war immer viel mehr “Wenn ich mal groß bin, werde ich mir vielleicht anmaßen, Regie zu führen”. Reinhardt Friese, der Intendant hier am Theater Hof hat mich dann aber letztlich überzeugt. “Spamalot”, meine erste Regiearbeit, hat die Latte auch gleich enorm weit nach oben gelegt. Das Stück ist nicht ganz leicht zu inszenieren, weil das Buch bereits sehr konkret ist. Ich hatte damals das große Glück, mit Timo Radünz an meiner Seite zu wissen. Timo ist unglaublich geschickt und intelligent. Ich habe zwar viele Produktionen mit aus der Taufe gehoben, aber immer auf der Künstler-Seite. Timo hatte schon bei meiner ersten Regiearbeit ein unglaublich gutes Händchen für Licht, Technik und eigentlich für alle komplexen Abläufe, die bei so einer Arbeit ineinandergreifen. Ich habe angefangen, Dinge aufzuschreiben und Timo hat alles dann in sinnvolle Zusammenhänge gebracht. So arbeiten wir bis heute: Ich komme mit einer Idee und Timo kann diese optimal ergänzen und schaut mit einem ganz anderen Auge darauf. Dass ich jetzt bereits die dritte Show hier mache, liegt an der Treue von Reinhardt Friese und an dem großen Vertrauen, dass wir mittlerweile zueinander haben.

Einer der Hauptunterschiede zwischen einem kommerziellen Haus und einem Stadttheater ist, dass ein Stadttheater wie hier in Hof an andere Dinge gebunden ist. Hier gibt es konkrete Aufträge, die nebeneinander laufen. Es gibt einen engen Terminplan, weil die Häuser mehrere Produktionen gleichzeitig erarbeiten und spielen. Somit hat man als Regisseur nicht automatisch immer alle Personen gleichzeitig zur Verfügung und hier eine Produktion zu erarbeiten, erfordert ein ganz anderes Zeitmanagement. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass es ein festes Ensemble gibt. Ich hatte also beim Casting überhaupt kein Mitspracherecht. Hier kommt dann aber wieder – und das ist einer der Gründe für mich, auch immer wieder hierher zurückzukommen – die Zusammenarbeit mit Reinhardt Friese ins Spiel: Er trifft bei der Besetzung eine derart gute Vorauswahl und hat ein enorm gutes Bauchgefühl, was das Casting anbelangt. Ich kann mich bei ihm sehr gut darauf einlassen, mit Menschen zu arbeiten, die ich vielleicht auch überhaupt nicht kenne, und mich mit ihnen gemeinsam auf den Weg machen, zu überlegen, wie wir an die jeweilige Figur rankommen.

Probe von “Tale of Two Cities” © Theater Hof

Wohin legst du bei deinen Regiearbeiten den Fokus? Was ist dir besonders wichtig, wenn du ein Stück erarbeitest?

Uwe Kröger: Erstmal würde ich mir auf keinen Fall anmaßen, dass meine Ideen und wie ich an die Arbeit herangehe, die Antwort auf Regie bin. Das auf keinen Fall. Was mir wichtig ist – und das ist mir im Lauf der Zeit immer bewusster geworden – ist, dass die Geschichte, die wir erzählen, die Figuren auf der Bühne und deren Reise immer absolut im Vordergrund stehen. Es braucht also so etwas wie einen “Schauspiel-Flüsterer”; jemand der sich eine Produktion von der Schauspiel-Seite aus betrachtet. Dabei ist es besonders wichtig, “von innen nach außen” zu denken. Viele denken ja bis heute immer noch, dass Musicals wegen ihres Bombasts sehr oberflächlich sind. Aber alle Rollen, die ich bisher gespielt habe – ob man die Art und Weiße, wie ich das gemacht habe, nun mochte oder nicht – wurden in jedem Detail erarbeitet. Ich wollte dabei nie etwas dem Zufall überlassen.

Wenn große Hollywood-Stars eine sich eine Rolle erschließen, stellen sie sich dafür bestimmte Fragen, um den Charakter, den sie spielen, näher zu kommen. Zum Beispiel, was seine Lieblingsfarbe oder sein Lieblingsgetränk ist. Genauso habe ich es auch gemacht. Es ist zum Beispiel ein Tick von mir, dass ich für jede Rolle ein eigenes Parfum hatte. Mit solchen Dingen konnte ich um jede meiner Figuren eine eigene Welt aufbauen und eine Figur erdenken, die eine Background-Story hat. Dieses emotionale und soziale Gefüge hält die Figur dann, wenn sie mit anderen Figuren in Interaktion tritt.

Als Regisseur ist es also meine Aufgabe, zu ermöglichen, dass der Aufbau der Figuren “von innen nach außen” stattfindet. Mir ist es enorm wichtig, dass sich die Darsteller wohl fühlen bei dem was sie tun und sich ausprobieren können. Bei “A Tale of Two Cities” arbeite ich mit den unterschiedlichsten Darstellern, die neben ihren individuellen Persönlichkeiten auch sehr unterschiedliche künstlerische Backgrounds mitbringen. Es sind Leute aus der Oper, aus dem Tanz, aus dem Bereich des Musicals aber auch aus dem Schauspiel. Sie unter einen Hut zu bringen funktioniert aber nur dann – und das klingt vielleicht abgedroschen –  wenn man sie dort abholt, wo sie gerade stehen. Wenn wir dann das Gefühl haben, wir könnten das Stück einfach auf dem Piano – ohne Bühnenbild, ohne irgendwas – erzählen und die Geschichte ergibt Sinn, weil die Leute auf der Bühne davon überzeugt und berührt sind, dann haben wir schon viel gewonnen und können dann alles darum herumbauen.

Letztendlich hatten wir so eine Situation im letzten Jahr, als das Theater Hof einen Wasserschaden hatte und unsere Inszenierung von “Cabaret” nicht mehr so stattfinden konnte, wie wir sie geplant hatten. Ursprünglich hatten wir ein tolles Konzept mit einer Drehbühne und einer riesigen Kamera. Ich hatte auch das Angebot von Reinhardt Friese, die gesamte Produktion ein oder zwei Jahre zu verschieben. Aber ich war so hungrig, wieder zu arbeiten und habe mich dann gegen eine Verschiebung entschieden. Wir mussten unsere Show dann aber quasi ganz anders als geplant, komplett vor dem Eisernen Vorhang spielen. Das aktuelle Revival von “Sunset Boulevard” in London funktioniert ja ganz ähnlich. Dadurch, dass alles außen rum weggenommen ist, kann man sich völlig auf die Geschichte konzentrieren.

Michael Falk, Uwe Kröger, Birgit Reutter, Timo Radünz, Jannik Harneit , Stefan Reil © Uwe Kröger

Glaubst du, dass die Stadttheater mittlerweile die kreativeren Orte als die großen Bühnen sind? Eine Zeitlang hieß es ja manchmal, dass Musical eigentlich nur die großen Bühnen können.

Uwe Kröger: Ich glaube, dass man das so nicht sagen kann. Musicals hat es ja immer gegeben und letztendlich sind Musicals, was die Stadttheater und die Landestheater groß gemacht haben, weil sie die Theater gefüllt haben. Das waren dann eben die Klassiker wie “My Fair Lady” die damals rauf und runter gespielt wurden. Als ich mein Studium an der Hochschule der Künste abgeschlossen habe, sind meine ganzen Kommilitonen anschließend an ein Stadttheater gegangen und haben dort feste Stellen bekommen. Die kommerziellen Theater mussten sich zu dieser Zeit erstmal behaupten. Stücke wie “Cats”, “Das Phantom der Oper” oder “Les Miserables” mussten beweisen, dass sie es wert sind, achtmal die Woche seine Seele dafür zu verkaufen. Für mich ist die Frage, wie kreativ ein Theater ist, nicht daran gekoppelt, ob es ein großes kommerzielles Haus ist oder ein klassisches Drei-Sparten-Haus. Es hängt viel eher am Intendanten des jeweiligen Hauses. Hier in Hof frage ich mich manchmal, wie Reinhardt Friese und sein Team es hier überhaupt schaffen, so viele Uraufführungen zu stemmen und so viele Gäste hierherzuholen, die auch immer wieder gerne kommen. Für mich, der hier am Haus ja auch ein Gast ist, ist es auf alle Fälle immer wieder bemerkenswert und spannend, dass es auf die Marke “Uwe Kröger” erstmal überhaupt keinen Druck gibt. Ich kann hier lernen, wie Gewerke ineinandergreifen und spüre zum Beispiel beim Opernchor jetzt in dieser Inszenierung eine große Lust, sich zu bewegen und zu spielen. Die Menschen am Theater hier sind bereit sich darauf einzulassen, Dinge auch mal anders zu erarbeiten, als sie es gewohnt sind. Die Frage nach der Kreativität ist für mich aber viel eher eine Frage nach dem jeweiligen Regisseur und dem Intendanten, der das dann auch zulässt und ermöglicht. 

Ich durfte zum Beispiel auch am Landestheater Salzburg mit Andreas Gergen ganz viele tolle Shows machen. Ich wurde oft gefragt, warum ich denn aus Wien weggehe um in Salzburg zu arbeiten. Besonders an den kleineren Häusern ist allerdings so, dass man sich dort oft bewusst für bestimmte Personen entscheidet und dann auch dort entsprechend empfangen wird. Ich habe dann oft zur Antwort gegeben, “Geh dorthin, wo die Augen strahlen, wenn man dich empfängt.”

Probe von “Tale of Two Cities” © Theater Hof

“A Tale of Two Cities” ist jetzt eine Uraufführung. Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess, über deine Zusammenarbeit mit dem Autor und Komponisten des Stückes Paul Graham Brown und über das Stück selbst erzählen?

Uwe Kröger: Es gab neben einem Regie-Konzeptgespräch auch ein erstes Reading. Danach haben Timo Radünz und ich einige Kürzungen vorgeschlagen. Insgesamt wollte ich die Geschichte ein bisschen anders erzählen und ich hatte auch schon eine Regie-Idee, die ich sehr spannend fand. Ich möchte jetzt natürlich nicht zu viel erzählen, aber wir belassen das Stück natürlich in seiner Zeit. “A Tale of Two Cities” ist ja ein Klassiker von Charles Dickens, das meistverkaufte original-englischsprachige Buch aller Zeiten. Ich kannte natürlich einige Stoffe von Dickens, mit dieser speziellen Geschichte war ich jedoch im Vorfeld überhaupt nicht vertraut. Ich denke, es ist eine sehr spannende Story über zwei Familien zur Zeit der Französischen Revolution rund um den Sturm auf die Bastille. Erstmal liegt da natürlich der Zusammenhang zu “Les Misérables” nahe, aber die Geschichte ist doch ganz anders. Es geht nicht so darum, dass das Volk aufbegehrt, sondern darum, was die Revolution mit Menschen gemacht hat, die in England lebten, aber noch Verwandte oder auch Geschäfte in Frankreich hatten. Bei seiner Erzählung legt Dickens einen bemerkenswerten Sarkasmus, ja fast schon Galgenhumor an den Tag, wenn er zum Beispiel beschreibt, wie die Leute überlegen mussten, welchen Reise-Hut sie aufsetzen, wenn sie von England nach Frankreich gereist sind. “A Tale of Two Cities” erzählt die Lebensgeschichte von zwei Männern, die sich in die gleiche Frau verlieben. Es geht viel um Liebe und Selbstlosigkeit, um die Frage, was ist selbstlose Liebe? Was heißt es, Rückgrat zu zeigen? Was heißt Menschlichkeit? Wie bei “Les Misérables” auch, mussten wir die Geschichte natürlich auch ausdünnen und uns auf einen roten Faden konzentrieren. Wir konnten in der Probenzeit viel ausprobieren. In freien Produktionen gibt es während des Entstehungsprozesses Workshops. Das hatten wir bei unserer Show natürlich nicht, weswegen wir die Probenzeit workshop-artig angelegt haben. Auch dadurch hatten wir nochmal die Gelegenheit, die Gesichte stringenter zu erzählen und die Figuren besser herauszuarbeiten.

Wir haben im Stück viele Schauspielszenen, die in einem Song enden. Die einzelnen Szenen und Songs sind durch ein Underscoring miteinander verbunden. Unser Komponist Paul Graham Brown hat sich hier enorm viel von den Besten abgeschaut. In seiner Machart ist die Komposition ein bisschen wie “Sunset Boulevard” oder auch “Les Misérables”. Die Musik ist aber ganz anders. Das erinnert “A Tale of Two Cities” sehr an “Passion”. Es hat viele verschiedene Musikrichtungen. Paul hat wundervolle Momente und Themen geschrieben, die im Laufe des Stücks immer wiederkehren. Musikalisch ist das Stück enorm interessant, weil die Musik an manchen Stellen sehr transparent ist und dann wieder sehr wuchtig. Mich persönlich langweilt es schnell, wenn in einem Stück jemand auf die Bühne kommt und dann quasi sagt: “Ich singe jetzt ein Lied”. Wenn es bei unserem Stück aber zum Beispiel ein Duett gibt, dann weil sich an einer Stelle der Geschichte zwei Menschen begegnen, die vielleicht sehr unterschiedlich sind. Indem sie ein Duett singen, wird aber die Gemeinsamkeit, die sie bei aller Unterschiedlichkeit haben, herausgearbeitet. Erst dann, wenn das gesprochene Wort nicht mehr weiterkommt, setzt die Musik ein.

Uwe Kröger © Moni Fellner

Wir sind im Laufe des Gesprächs ja schon ein paarmal auf die Cast zu sprechen gekommen. Kannst du uns noch ein bisschen was über deine Arbeit mit den Darstellerinnen und Darstellern erzählen?

Uwe Kröger: Wir haben eine ganz hervorragende Besetzung für unser Stück und konnten, obwohl wir nicht frei casten konnten, beim Theater Hof wirklich aus dem Vollen schöpfen. Jeder auf der Bühne bis hinein in die kleinste Rolle ist enorm willig zu lernen und sein Bestes zu geben. Stefan Reil als Charles Darnay, Jannik Harneit als Sydney Carton und Birgit Reutter als Lucie Manette sind der Wahnsinn und ein wirkliches Geschenk. Für mich persönlich ein besonderer Clou ist natürlich das Wiedersehen mit Yngve Gassoy Romdal. Wir haben uns seit Mozart 1999 vielleicht zwei oder dreimal gesehen. Als wir uns jetzt wiedergesehen haben, haben wir kurz gelacht und ich glaube, dass das ein Moment wiederholter “Liebe auf den ersten Blick” war. Es ist unglaublich, wieviel Spaß es macht – jetzt wo wir beide “erwachsen” sind – wieder mit ihm zu arbeiten. Er ist ein so feiner und intelligenter Schauspieler. Ich kann wirklich nur immer wieder sagen: Kommen und Anschauen!

Wir haben im deutschsprachigen Raum mittlerweile auch eine eigenständige Szene an Komponisten, Regisseuren und Darsteller. Gibt es jemanden, mit dem du unbedingt zusammenarbeiten möchtest?

Uwe Kröger: Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. Ich habe mich in den letzten Jahren ganz bewusst aus der Szene rausgezogen, weil ich immer meinen eigenen Kopf behalten wollte. Ich habe zwar einige neue Shows gesehen, aber ich bin nicht so viel in die Welt hinausgegangen. Mein Leben geprägt haben aber sicherlich Sylvester Levay und Michael Kunze. Gerade Kunze ist unglaublich klug, was Texte betrifft. Ich hoffe, dass ich noch oft mit Timo Radünz – diesen Namen sollte man sich auf alle Fälle merken – machen kann. Tmo hat unglaublich viele tolle Ideen und schon so viele tolle Sachen kreiert. Paul Graham Brown ist als Autor und Komponist auch sehr toll, weil er keine Angst hat, Neues zu probieren – zum Beispiel sein Musical über “King Kong”.

Was dürfen wir von Dir nach “A Tale of Two Cities” erwarten? Hast du Pläne, wie es danach weitergeht?

Uwe Kröger: Ich werde einige Vorstellungen von “Die Päpstin” in Füssen spielen. Dann plane ich ein Geburtstagskonzert mit viel Musik aber auch Stories aus dem “Nähkästchen”. Ich bin auch immer noch mit “Phantom” auf Tournee und im Sommer nächsten Jahres darf ich mit Drew Sarich und Ann Mandrella “Spamalot” in Baden bei Wien unter der Regie von Werner Sobotka spielen. Da freue ich mich sehr darauf. In dieser Kombination haben wir zuletzt “The Wild Party” gemacht. Das war vor 20 Jahren!

Lieber Uwe, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast um, mit uns zu sprechen. Wir wünschen Dir und deinem Team Toi-Toi-Toi für eure Premiere am 27.10. im Theater Hof. Wir sind dann natürlich auch vor Ort und werden davon berichten.

 
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