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Nach “Der Ring” wagt sich Komponist Frank Nimsgern jetzt mit seinem neuesten Werk “Zauberflöte – Das Musical” bereits zum zweiten Mal an einen bekannten Opernstoff. Das Konzept, die Geschichte neu und modern zu erzählen und Mozarts Musik hierfür an der ein oder anderen Stelle als Verneigung zu zitieren, klingt zunächst einmal spannend. Die Umsetzung krankt allerdings an einem miserablen Buch, einer Inszenierung wie für ein schlechtes Schultheater und Witzen zum Fremdschämen.
Gleich zu Beginn der Show tritt Musical-Star Anna Maria Kaufmann als Orakel auf die Bühne und führt mit einem Monolog in die Geschichte ein. Leider dienen die nachfolgenden Auftritte des Orakels lediglich noch dem Selbstzweck: Anna Maria Kaufmann darf fortan nur noch völlig sinnentleerte, schier nicht enden wollende Monologe über die Kraft der Liebe pathetisch vortragen. Damit nimmt ihre Rolle – genauso wie einige der nachfolgenden Songs der Show – Zeit ein, die viel sinnvoller dem Erzählen der Geschichte hätten gewidmet werden sollen. Die meisten der entscheidenden Wendepunkte der Handlung werden nämlich entweder gar nicht thematisiert oder im Nachhinein in einem kurzen Satz abgehandelt. So zum Beispiel, wenn Pagageno und sein Papagei in das Gefängnis eindringen, in dem der böse Sarastro die Prinzessin Pamina gefangen hält, und sie dort ohne jedes Hindernis einmarschieren. Auf die – durchaus berechtigte – Frage Paminas, wie die beiden denn eindringen konnten, ist die nicht sehr aufschlussreiche Antwort Papagnos “Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg”. Gleich darauf zweifelt Papageno allerdings, ob es sich bei Pamina tatsächlich um die gesuchte Prinzessin handelt – schließlich sei sein “biometrischer Abgleich” mit dem Bild, dass er von Pamina gesehen habe, nicht ausreichend erfolgreich: Darauf waren nämlich Paminas Arme und Beine nicht zu sehen, doch die Frau, die jetzt vor ihm steht, hat Arme und Beine. In einer späteren Szene marschiert die Königin der Nacht ebenfalls ohne jedes Hindernis schnurstracks ins Gefängnis um ihre Tochter Pamina dazu aufzufordern, Sarastro umzubringen, damit sie wieder freigelassen werden kann. Dem Publikum stellt sich spätestens an dieser Stelle die Frage, wieso die Königin der Nacht ihre Tochter jahrelang im Verließ schmoren ließ, und einen Prinzen beauftragen musste, um sie zu befreien, wenn sie – oder in den vorherigen Szenen Papageno – doch so einfach ein- und ausgehen konnten.
Die angekündigte moderne Erzählweise bleiben die Autoren dem gesamten Stück über schuldig. Die Zeichnung der drei weiblichen Hauptrollen könnte beinahe nicht unemanzipierter ausfallen: Die fürchterlich naive Pamina lässt sich von ihrer Mutter einen Prinzen vorsetzen, in den sie sich verliebt, nur weil er sie retten will. Papagena wird in einen “Dirty Birdy” (so der dazugehörige Songtitel) in schwarzen Netzstrümpfen und knappen Oberteil verwandelt, um Papageno zu verführen. Und das einzige Motiv der von ihrem Mann verlassenen Königin der Nacht ist es, Rache an ihrem Verflossenen zu nehmen. Mehr 1950er Jahre Frauenbild geht beinahe nicht! Dazu gesellen sich klischeebeladene Flachwitze des homosexuell gezeichneten Kakadus (natürlich mit ausschweifendem Federschmuck auf dem Kopf) wie “Bin ich hier in einer Dark-Room-Party gelandet?” als er im finsteren Wald auf Papageno trifft.
Die Musik, die sich Frank Nimsgern für seine “Zauberflöte” ausgedacht hat, ist poppig-rockig, hat einige schöne Momente, bleibt aber insgesamt nicht im Ohr. Der musikalische Höhepunkt der Show, der mit Abstand auch den meisten Szenenapplaus einheimst, ist dementsprechend auch der Original-Zauberflöte Mozarts entliehen: Eine von Nimsgern rockige arrangierte und von Katja Berg (Königin der Nacht) und Misha Kovar (Pamina) eindrucksvoll als Duett performte Fassung von “Der Hölle Rache”. Auf eine Live-Band verzichtet “Zauberflöte”; die Musik wird vom Band gespielt. Das hat den Vorteil, dass sie sehr professionell klingt und optimal abgemischt ist, auf der anderen Seite der gesamten Show aber auch eine merkwürdige Sterilität gibt.
Für die Choreografie der Inszenierung zeichnen gleich drei Personen verantwortlich: Stefanie Gröning, die auch als Papagena auf der Bühne steht, Anna Martens und Alina Groder. Hier bewahrheitet sich das Sprichwort, dass viele Köche den Brei verderben: Die Show ist hoffnungslos überchoreographiert. In den allermeisten Szenen tummeln sich eine Vielzahl von Tänzerinnen und Tänzern in bunten, oft an das MDR-Fernsehballet der 90er Jahre erinnernden Revuekostümen auf der Bühne. Sie performen unübersichtliche und oft nicht nachvollziehbare Choreografien, in denen sie sich selbst auch immer wieder verstricken und den Blick des Publikums häufig vom eigentlichen Spot der Handlung wegtreiben. In Szenen, in denen die Handlung auch sehr schön durch Tanz erzählt werden könnte, wird diese Möglichkeit hingegen nicht genutzt: So zum Beispiel, wenn Tamino drei Herausforderungen bewältigen muss, damit Tamina freigelassen wird. Eine dieser Aufgaben ist es, dass Tamino dem Feuer und dem Wasser trotzen muss. Patrick Stanke darf sich hier aber nur händeraufend im Kreis über die Bühne drehen und schon ist die Aufgabe erfüllt.
Das Bühnenbild ist einfach und zweckmäßig. In der Mitte der Bühne befindet sich eine ansteigende Rampe, auf der die meisten Szenen spielen. Die verschiedenen Spielorte sind in ein typisches Licht für die jeweilige Szene getaucht. Die Königin der Nacht darf auf einen Halbmond sitzend von der Decke heruntergleiten. Wenn sich Papagena und Papageno als Paar finden, schweben sie an Seilen hängend über der Bühne. Requisiten gibt es nur wenige. Tamino hat seine titelgebende Zauberflöte immer bei sich, wobei das gesamte Stück über nicht klar wird, wofür er diese eigentlich braucht – zum Lösen der Aufgaben auf alle Fälle nicht.
Die Cast kann sich durchaus sehen lassen. Katja Berg darf als “Königin der Nacht” ihre rockige Seite zeigen und hat sichtbar Spaß daran, aus voller Kehle loszurocken. Ebenso Chris Murray als überzeugend finsterer Monostatos und Misha Kovar, die eine bezaubernde Prinzessin Pamina gibt. Tim Wilhelm, der als Sänger der Band Münchner Freiheit bekannt wurde, bringt zwar seine Songs mit starker und sicherer Stimme vor, schauspielerisch wirkt er allerdings etwas verloren im Bühnenchaos. Hier wäre eine stringentere Personen-Regie notwendig gewesen. Ihm zur Seite steht Mario Mariano als schwuler Kakadu, der Papageno beinahe immer begleitet und den das harte Los trifft, die plattesten Witze der Show reißen zu müssen. Christian Schöne ist der böse Sarastro und hat daran auch ebenfalls Spaß. Er macht das Beste aus seiner Rolle, der die Regie offenbar aufgetragen hat, immer möglichst tief zu sprechen, um die Boshaftigkeit zu untermauern. Mehrere Witze in der Show zielen zumindest darauf ab. Patrick Stanke übernimmt die Rolle des Prinzen Tamino. Mit seiner angenehmen Tenorstimme haucht er dem Prinzen glaubhaft Leben ein und zeichnet ihn zwischen Verliebtheit und Unsicherheit.
“Zauberflöte – das Musical” endet mit einem großen Show-Medley in dem dann auch endlich Anna Maria Kaufmann – allerdings nur gemeinsam mit allen anderen Darstellern – singen darf. Wieso eine Sängerin vom Kaliber der Kaufmann nur mit einer reinen Sprechrolle in diesem Stück bedacht wird, wird wohl – ähnlich wie einige Teile der Geschichte dieser “Zauberflöte” – für immer ein gut gehütetes Geheimnis der Autoren bleiben.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Frank Nimsgern |
Buch und Liedtexte | Benjamin Sahler |
Regie | Benjamin Sahler |
Choreographie | Stefanie Gröning Alina Groder Anna Martens |
Musikalische Leitung | Frank Nimsgern |
Dramaturgie | Dirk Schattner |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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