Hannes Staffler (Athos), Dennis Weißert (Aramis), Florian Peters (D'Artagnan) © Jan-Pieter Fuhr
Hannes Staffler (Athos), Dennis Weißert (Aramis), Florian Peters (D'Artagnan) © Jan-Pieter Fuhr

3 Musketiere (2023)
Staatstheater, Augsburg

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“Einer für alle und alle für Einen” ist das Motto der “3 Musketiere”, das in diesem Sommer über die Freilichtbühne am Roten Tor in Augsburg hallt. Leider verpasst es das hiesige Staatstheater, die tollen Möglichkeiten ihrer Kulisse vor dem historischen Stadteingang Augsburgs für sich zu nutzen und begnügt sich damit, die von Ulrich Wiggers 2019 für das Theater Magdeburg erdachte Inszenierung in weiten Teilen zu übernehmen. Gepaart mit drastischen Eingriffen in die Komposition der Gebrüder Bolland und einem durchwachsenen Sound bleibt ein Theaterabend in Erinnerung, der nur in einigen wenigen Highlights aufblitzen lässt, was alles hätte möglich sein können.

Dabei beginnt die Show durchaus vielversprechend mit einem Theater im Theater: Wiggers nimmt in seiner Fassung den zur Zeit der Handlung im 16. Jahrhundert aufkeimenden Glaubenskonflikt zwischen Katholiken und Hugenotten auf und lässt – wie bei “Der Mann von La Mancha” – die Insassen eines Hugenotten-Gefängnisses die Rollen spielen, die ihnen der Conférencier (zu Beginn ebenfalls ein Häftling) zuweist. In dieser Rolle steht Marina Lötschert auf der Bühne und beweist ihr herrlich komisches Talent. Sie vermag es, dem Conférencier sowie weiteren kleinen Rollen, die sie im Laufe des Stückes, übernimmt jeweils einen individuellen Charakter zu geben. Eine Möglichkeit, die den Hauptfiguren der Show größtenteils versagt bleibt.

Die “3 Musketiere” ist eines der Musicals, in denen die Handlung durch Dialoge erzählt und immer dann durch einen Song unterbrochen wird, wenn eine der Figuren ihre Gedanken und Motive reflektiert. Werden Songs gestrichen, bleibt die Handlung weiterhin größtenteils schlüssig, die Motive der Charaktere verschieben sich allerdings deutlich oder gehen gar verloren; die Figuren werden zu holzschnittartigen Vorlagen. So auch bei den “3 Musketieren” in der Augsburger Inszenierung. Vermutlich aus Gründen des Lärmschutzes (die Freilichtbühne liegt mitten in der Altstadt) wurden bei den Songs großzügig die Schere angesetzt. Besonders hart hat es die Rolle des Kardinal Richelieu getroffen. Ganze zwei seiner drei Songs wurden ersatzlos gestrichen: Richelieu verkommt in der Augsburger Inszenierung zu einem blind wütenden Bösewicht, der aus bloßem Machtwillen gegen Königin Anna intrigiert. Die Rechtfertigung seiner Handlung, nämlich dass er einen göttlichen Auftrag darin sieht, das Land zu regieren, weil der König zu schwach ist, geht durch die Streichung von “Oh Herr” und “Glaubt mir”  völlig unter.

Das gleiche Schicksal ereilt die Rolle der Milady de Winter durch die Streichung ihres Solos “Männer”, welches eigentlich im Zusammenhang mit “Wo ist der Sommer”, in dem sie ihre verlorene Liebe zu Athos betrauert, deutlich ihre Zerrissenheit beschreibt. Auch der Tod von Constance, der großen Liebe D’Artagnans, die von Milady vergiftet wird, verläuft aufgrund der Streichung ihres “Gott lächelt uns zu” eher nebenher und weckt wenig Emotionen. Unterstützt wird die schablonenhafte Personenzeichnung noch durch stereotype Darstellung: Rochefort, der zwielichtige einäugige Handlanger Richelieus, darf das ganze Stück über nur mit einer betont rauen und tiefen Stimme, König Ludwig XIII dagegen ausschließlich betont hochtrabend-königlich sprechen – wobei letzterer dann auch noch völlig überraschend im Laufe des Stückes sein Stottern verliert, eine Störung, die dem realen Ludwig XIII nachgesagt wird.  

Beim Transfer von Magdeburg nach Augsburg wurde zudem offenbar verpasst, die ungleichen Platzverhältnisse zwischen der Freilichtbühne und dem im Vergleich dazu deutlich beschränkten Bühnenraum eines Theaters zu bedenken. Die Darsteller müssen so extrem weite Wege zurücklegen, um zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, was oft dafür sorgt, dass musikalische Intros verlangsamt werden müssen. Dies nimmt der Show das notwenige Tempo; die Erzählweise wirkt stellenweise enorm schleppend. Außerdem stehen die Darsteller in den Duetten extrem weit auseinander, was jegliche Interaktion schwierig macht. Dies gipfelt bei “Wer kann schon ohne Liebe sein” darin, dass Constance, Milady de Winter und Königin Anna so weit auseinander stehen, dass es nicht möglich ist, auch nur zwei (geschweige denn alle drei) Sängerinnen gleichzeitig in den Blick zu nehmen.

In nur wenigen Szenen blitzt der Glanz der damaligen Magdeburger Inszenierung auf: “Die Überfahrt”, die auf einem Schiff bei stürmischer See spielt, gelingt durch ein lediglich angedeutetes Schiff, tollen Licht- und Nebeleffekten sowie die tänzerischen Leistungen des Balletts des Augsburger Staatstheaters, wenn auch ein etwas weniger behäbiger Opernchor der Szene noch mehr Dramatik hätte geben können. Diese fehlt auch komplett in den Fechtszenen, die einen großen Teil der Inszenierung in Anspruch nehmen. Die Szenen laufen wenig flüssig, die Fecht-Choreographien wirken noch sehr auswendig gelernt und steif.

Die Kostüme der Show sind der Zeit entsprechend und bis zur kleinsten Statistenrolle aufwendig gefertigt. Besonders schön ist das Kostüm der Königin in der Jagdszene gelungen: Die Krone Annas wurde hier einem Hirschgeweih nachempfunden und es entsteht der Eindruck, dass Richelieu nicht auf der Jagd nach Wild ist, sondern eigentlich Königin Anna im Visier seiner Treibjagd hat. Versteckt in der Häuserkulisse von Paris sitzt das große Orchester des Staatstheaters Augsburg unter der Leitung von Anna Malek. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Sound des großen Orchesters der Show den idealen Rahmen bietet. Leider war in der besuchten Vorstellung die Abmischung in weiten Teilen nicht gelungen. Der Orchestersound kommt als Einheitsbrei über die Rampe. Einzelne Instrumente sind beinahe niemals rauszuhören. Die Abmischung mit den Gesangsstimmen ist ebenfalls stark wechselnd und wenig ausgewogen.

Besetzt ist die Augsburger Inszenierung wie in jedem Jahr mit dem hauseigenen Ensemble sowie zusätzlichen Gästen. Eine solche Besetzungspolitik birgt bei einem Musical aus dem Pop- und Rockbereich immer die Gefahr, dass Sängerinnen und Sänger, die in klassischen Werken hervorragend besetzt wären, wie Fremdkörper wirken und als Fehlbesetzungen wahrgenommen werden. Das geschieht hier leider mit der Figur der Königin Anna, gespielt von Luise von Garnier. Ihr Solo “Kein geteiltes Leid” kann in der klassisch gesungenen Fassung keine Emotionen aufbauen.

Zu den immer wiederkehrenden Gästen auf der Freilichtbühne am Roten Tor gehört mittlerweile Alexander Franzen, der in diesem Jahr als Kardinal Richelieu zu sehen ist. Durch die Überarbeitung darf er erst im letzten Teil des zweiten Aktes zum ersten Mal singen. Mit seinem verbleibenden Song “Nicht aus Stein” gelingt ihm dann aber einer der wenigen Gänsehautmomente der Show.

Die drei Musketiere Athos (Hannes Staffler), Aramis (Dennis Weissert) und Porthos (Patrick L. Schmitz) machen ihre Sache gut. Lediglich Hannes Staffler hat als ehemaliger Geliebter der Milady einen eigenen Song. Sein “Engel aus Kristall” gehört ebenfalls zu den gelungen inszeniert und gesungenen Szenen. Milady de Winter war in der besuchten Vorstellung Susanna Panzner, die sich die Rolle mit Katja Berg teilt. Panzners “Ich bin zurück” entwickelt eine enorme Wucht. Bedauerlicherweise hält sich diese Energie nicht bis zum Ende der Show. Bei “Wo ist der Sommer” entsteht keinerlei Verbindung zu ihrer großen Liebe Athos. Beinahe wie zwei Fremde stehen sie sich auf der Bühne gegenüber. Ihr Selbstmord, nachdem auch Athos sie am Tod Constances für schuldig spricht und sich gegen sie stellt, wirkt dann auch eher wie eine Flucht vor der drohenden Bestrafung als wie eine Verzweiflungstat.

Die Rolle des D’Artagnan übernimmt Florian Peters. Zu Beginn noch zögerlich und stimmlich noch nicht ganz warm, schafft er es im Laufe der Show immer mehr von sich zu überzeugen und ist spätestens bei “Constance” in seiner Figur angekommen. Die in diesem Song besungene Constance ist in Augsburg Larissa Hartmann, deren Leistung im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen lässt. Mit ihrer glockenklaren Stimme und ihre umwerfend charmanten Bühnenpräsenz liefert sie bei den
“3 Musketieren” eine hervorragende Visitenkarte ab.

Die “3 Musketiere” bieten in Augsburg solide, aber nicht langanhaltend in Erinnerung verhaftende Unterhaltung vor einer sehr ansehnlichen historischer Kulisse. Fans des Musicals dürfte die großflächigen Streichungen in der Partitur allerdings die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen.

 
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KREATIVTEAM
InszenierungUlrich Wiggers
Florian Honigmann
Musikalische LeitungAnna Malek
AusstattungLeif-Erik Heine
ChoreografieKati Heidbrecht
KampfchoreografieThomas Ziesch
DramaturgieSophie Walz
 
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CAST (AKTUELL)
D'ArtagnanFlorian Peters
Milady de WinterKatja Berg
Susanna Panzner
Kardinal RichelieuAlexander Franzen
AthosHannes Staffler
AramisDennis Weißert
ParthosPatrick L. Schmitz
ConstanceLarissa Hartmann
Königin AnnaLuise von Garnier
König Ludwig XIII./Herzog von BuckinghamErik Völker
Rochefort / D’Artagnans VaterSebastian Müller-Stahl
James / Conférencier / GardistMarina Lötschert
BootsmannGerhard Werlitz
D´Artagnans MutterCarola Bach
Jutta Lehner
Wirt in ParisMarkus Hauser
KardinalsgardistenStatisterie
Pomme-de-Terre, ein PferdStatisterie
BallettBallett Augsburg
ChorOpernchor des Staatstheater Augsburg
OrchesterAugsburger Philharmoniker
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 17.06.2023 20:30Freilichtbühne am Roten Tor, AugsburgPremiere
Fr, 23.06.2023 20:30Freilichtbühne am Roten Tor, Augsburg
Sa, 24.06.2023 20:30Freilichtbühne am Roten Tor, Augsburg
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