Mehr als nur Bahnhof

Ausschließlich über Sponsoren finanziert steht in Uelzen eine Musical-Produktion vor der Uraufführung, die allein in diesem Jahr 50.000 Besucher anziehen soll. Die Veranstalter setzen auf Konstatin Wecker – und den örtlichen Bahnhof.

Am 30. Juli feiert im niedersächsichen Uelzen “Hundertwasser – Das Musical” seine Uraufführung. Doch wer eine kleine Produktion mit regionalen Akteuren und zehn Aufführungen erwartet, der irrt: Das Musical mit Musik von Konstatin Wecker soll allein in der ersten Staffel im Sommer 2004 68 Vorstellungen mit insgesamt 50.000 Sitzplätzen füllen, in 2005 sind zwei weitere Staffeln geplant. Dr. Thomas Parr ist Geschäftsführer der Kulturförderungsgesellschft Uelzen mbH, die das Musical produziert. Wie kamen es zu einem solchen Großprojekt?

Parr: Großprojekt ist die richtige Bezeichnung. Die Anlaufzeit betrug über zwei Jahre, ich selber mache als Geschäftsführer der Kulturfördergesellschaft seit eineinhalb Jahren nichts anderes, als diese Musicalproduktion vorzubereiten.
Die Idee stammt von Heinz-Werner Lehmann, ausgebildeter Opernsänger und Vorstandsvorsitzender der Uelzener Versicherung, einer der größten Tier-Versicherungen Europas. Der Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen lockt in jedem Jahr 450.000 Besucher an – nicht Reisende sondern Leute, die extra wegen des Bahnhofs nach Uelzen kommen. Diese Menschen interessieren sich für die Stadt und für Hundertwasser, bleiben aber nur eineinhalb Stunden in der Stadt. Heinz-Werner Lehmann hat gesagt: Denen müsste man im Kontext Hundertwasser doch mehr bieten können.

Die Kulturförderungsgesellschaft wurde extra für dieses Projekt gegründet. Wie hoch ist der Etat, und welchen Anteil davon trägt die Stadt?

Die Gesellschaft ist eine Tochter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, weil Kunst- und Wirtschaftsmarketing hier Hand in Hand gehen. Im Aufsichtsgremiums sitzen Vertreter aus der Politik, aber auch die größeren Unternehmen der Stadt. Für die Vorfinanzierung galt es einen Etat von rund 0,75 Millionen Euro zu stemmen. Der Betrag wurde ausschließlich durch Sponsoring, also ohne öffentliche Gelder finanziert. Und mit dem Vorverkauf sind wir auch zufrieden. Eine Woche vor der Premiere sind mehr als 15.000 Karten für die erste Staffel bereits verkauft.

Überall wird über steigende Personalkosten geklagt. Wie viele Menschen stehen bei Ihnen auf dem Gehaltszettel? Oder setzen Sie überwiegend auf Amateure?

Unsere Gesellschaft hat drei Festangestellte, neben mir noch ein Projektkoordinator und eine Kulturmanagerin, und zwei freie Mitarbeiter. Insgesamt sind für das Projekt derzeit rund 80 Menschen engagiert, die meisten über unseren Partner, die Landesbühne Hannover. Die Landesbühne gastierte in der Vergangenheit regelmäßig in unserem Theater, deshalb kam der Kontakt sehr schnell zustande. Für die künstlerische Seite der Produktion ist die Landesbühne zuständig, die Gesamtverantwortung liegt allerdings bei uns. Auf der Bühne werden acht Hauptdarsteller, vier Ensemble-Sänger und neun Musiker stehen – alles Profis. Dazu kommen aus dem Amateurbereich 20 Choristen und vier Kinder.

Die Zeiten sind schwierig, viele Musicalproduktionen müssen um ihre Existenz kämpfen. Setzen Sie auf das regionale Publikum oder vermarkten Sie bundesweit?

Wir setzen auf die Hundertwasser-Interessierten und die Konstatin-Wecker-Fans. Die Verbindung aus beidem ist für uns der Bringer. Die Stadt Uelzen war bisher ja noch kein touristisches Magnetzentrum. Über Hundertwasser und Wecker wollen wir Menschen dazu bringen, sich auch für die Stadt zu interessieren. Deshalb vermarkten wir bundesweit und waren im vergangenen Jahr auf zwölf Messen, insbesondere für Reiseveranstalter und Busunternehmen. Seit drei Monaten bewerben wir die Produktion auch bei den Endkunden.

Kurz nach Probenbeginn ist Ihnen Ihr prominenter Hauptdarsteller, Ilja Richter, abgesprungen. Es hieß, künstlerische Meinungsverschiedenheiten wären der Grund. Ein Werbe-Gau?

Überhaupt nicht. Bei mir gab es nicht eine kritische Rückmeldung, weder aus der Öffentlichkeit noch von der Presse. Man spürte nach Probenbeginn schnell, dass die Atmosphäre nicht stimmte. Zwar waren Regiekonzept und Textfassung vorher abgesprochen, aber manchmal merkt man erst bei den konkreten Arbeiten auf der Bühne, dass die Vorstellungen nicht zusammenpassen. Aber es war ja zum Glück nicht drei Tage vor der Premiere. Durch die Umbesetzung haben sich keine Probleme ergeben.

Was können die Zuschauer künstlerisch erwarten. Touristengerechte leichte Kost?

Nein, das Stück ist sehr sinnlich und poetisch – kein Rockmusical, bei dem einem die Ohren wegfliegen. Zwar gibt es natürlich auch spektakuläre Momente, aber der Grundtenor ist verhaltener und geht von dem Lebenswerk Friedensreich Hundertwassers aus, von Ideen wie Transparenz und Schillerndem. Wir erzählen keine lineare Geschichte, es gibt Rückblenden und Traumsequenzen. Uns ist es wichtig, kein Dokumentartheater zu machen. Es begegnen sich Menschen, die sich in der Wirklichkeit nicht begegnet sind. Mit dem Vermarkter Mr. Money gibt es eine Person, die überhaupt kein Vorbild in der Realität hat. Vieles entspringt der Fantasie. Aber es hätte so passieren können.

Wieviel muss ich von Hundertwasser wissen, um das Stück zu verstehen?

Ein Interesse am Menschen und Mythos Hundertwasser sollte natürlich schon da sein. Aber ansonsten kann man sich auch an der wunderbaren Musik erfreuen. Die CD erscheint am 23. September.

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