Der kaum verschleierte Rauswurf des Deutschland-Chefs der Stage Entertainment, Jan-Pelgrom de Haas, macht Musicalfreunden im deutschsprachigen Raum Mut: Mit Maik Klokow hat wieder ein Theatermann das Sagen.
Der Vorgänger ist der Nachfolger: Maik Klokow, im Sommer 2005 von Hamburg ins Stage-Entertainment-Hauptquartier in die Niederlande gewechselt, beerbt den glücklosen Jan-Pelgrom de Haas. “Ab sofort”, so Unternehmens-Pressesprecher Stephan Jaekel, übernimmt Klokow wieder die Geschäftsführung der deutschen Dependance des Unterhaltungsmultis. Nicht nur für das Fachpublikum kam der Wechsel überraschend: Auch für die meisten Mitarbeiter kam das plötzliche Aus unverhofft.
Es ist Feuer unterm Dach bei der Stage Entertainment. Anders ist die Über-Nacht-Absetzung des im Vorfeld als Macher und Betriebswirt hochgelobten de Haas kaum zu erklären. In der offiziellen Erklärung gibt es kein Wort des Bedauerns über das Ausscheiden de Haas’, im Gegenteil wird Nachfolger Klokow als der richtige Mann für Joop van den Endes Visionen von hoher Showqualität gelobt. Der Medienmanager de Haas kommt nicht zu Wort. Nach den diplomatischen Maßstäben der Konzerne ist das ein Rauswurf mit Fußtritt.
Welchen auslösenden Grund die Trennung auch immer haben mag, eine glückliche Besetzung war de Haas nicht. In den kaum eineinhalb Jahren seiner Amtszeit hat der Musical-Marktführer praktisch stillgestanden. Unter seiner Ägide mag sich der Event-Bereich mit “Blue Man Group” und “Holiday on Ice” profitabel entwickelt haben. Dem Kerngeschäft Musical aber vermochte de Haas keine neuen Impulse zu verleihen.
Im Zuge der Stückrotation wanderte der “Tanz der Vampire” von Hamburg nach Berlin, in Essen wurde das “Phantom der Oper” (wenn auch in hoher Qualität) endverbraucht, das Joop-van-den-Ende-Lieblingsprojekt “3 Musketiere” wanderte nach Stuttgart. Auch das Tourneegeschäft mit “Aida” und dem Werbeträger “Best of Musical” blieb ohne große Überraschungen. Auffallend waren dagegen einige merkwürdige strategische Entscheidungen: Die angekündigte Premiere einer zeitweise dritten parallel laufenden “Mamma Mia!”-Produktion in Essen noch vor dem Ende der Spielzeiten in Hamburg und Stuttgart gab ebenso Anlass zur Verwunderung wie die monatelange Hängepartie um den Standort für “Wicked”. Der Import des vor allem in Fankreisen gehypten Hexen-Epos ist vor dem Hintergrund der kaum bekannten Geschichte um die Zauberwelt von Oz zwar durchaus eine mutige Entscheidung, die Ankündigung einer Spielortankündigung mit darauf folgendem großen Schweigen aber kann getrost als Kommunikations-GAU gewertet werden.
Beinahe gebetsmühlenartig wurde darüber hinaus weiterhin die “bevorstehende” Premiere des Mauer-Musicals “Winds of Change”, eines Erbstückes aus der Klokow-Ära angekündigt, ohne dass aber in der realen Stückentwicklung Fortschritte erkennbar gewesen wären. Dies alles wurde von de Haas – auffallend zurückhaltend auch in der Außendarstellung – kaum inhaltlich kommuniziert oder gar kommentiert. Als ein Mann des Theaters erschien de Haas nie.
Anders dagegen Maik Klokow, der nun wieder den Platz an der Spitze der deutschen Stage Entertainment übernimmt. Mit ihm verbindet sich der klug gemanagte Aufstieg zum Branchenmarktführer in Deutschland wie der Mut zu – nicht immer gelungenen – Experimenten und Wagnissen. Geschickt hatte Klokow sich aus der Konkursmasse des einstigen Branchenprimuses Stella bedient und den deutschen Ensuite-Musicalmarkt mit der Markteinführung der Verkaufshits “König der Löwen” und “Mamma Mia!” konsoldiert. Mit Hilfe strategischer Partnerschaften und unter Nutzung weiterer Theater in Ballungsräumen gelang es ihm, einen Tourneebetrieb für Großproduktionen in Gang zu bringen und auch das offenbar profitable System der Stückrotation zu etablieren.
Zwar blieben qualitativ hochwertige Produktionen wie “Titanic” und “42nd Street” hinter den Erwartungen und auch die traurige Pflicht, den Off-Versuch Schlossparktheater samt folgendem Operetten-Intermezzo zu schließen, fiel an Nachfolger de Haas. Klokows Ruf, auch künstlerische Aspekte in seine Entscheidungen einzubeziehen, stand dennoch außer Frage.
Das in allen Pressemitteilungen ausdrücklich mit seinem Namen verbundene Udo-Jürgens-Musical “Ich war noch niemals in New York” schließlich gibt Hoffnung auf eine wieder planvoll entwickelte Musical-Zukunft bei der Stage Entertainment – auch wenn dies nicht allen Fankreisen passt. Die Kombination der bekannten Jürgens-Songs und einer leichten Familiengeschichte mit Hauptdarstellern weit oberhalb des bisher im Musical üblichen Altersrahmens (siehe Castingausschreibung), ist Indiz für gründliche Überlegungen zum Markt und den Zielgruppen – und zugleich dem Mut, etwas Neues zu produzieren.
Dieser Realismus, gepaart mit einem Schuss des in der Vergangenheit bewiesenen Wagemutes in Sachen Stückauswahl, ist Klokows Geschäftspolitik zu wünschen. Kommt dann noch eine nachvollziehbare Kommunikations- und Werbestrategie dazu – derzeit ist die Stage Entertainment oftmals ähnlich transparent wie Aldi und Lidl -, sollte der Branchenprimus bald wieder ein deutlicheres Profil erkennen lassen.