Nach “I love you, you’re perfect, now change!” im vergangenen Jahr hat sich die Kulturszene Kottingbrunn mit der deutschsprachigen Erstaufführung von “Tomorrow Morning” zu einem Geheimtipp für kleine Kammermusicals in Österreich entwickelt. Mit dem Finanzierungsmodell für die CD-Einspielung zum Stück geht man neue Wege.
Es fängt an mit Kat und John und endet mit Catherine und Jack. Dazwischen liegt ein Abend vor einem Morgen, der so ziemlich alles ändert. Beim ersten Paar ist es die Scheidung, bei letzterem der Hochzeitstag.
So einfach lässt sich “Tomorrow Morning” zusammenfassen und doch findet sich in diesem Stück so ziemlich alles wieder, worum es im Leben und der Liebe geht. In den Hauptrollen spielen sich Oliver Arno, Kathleen Bauer, Anja Haeseli und Martin Pasching, durch den Abend und überzeugen durchgehend. Die Musik hat Ohrwurmcharakter und die kleine Bandbesetzung passt zu dem Stück. Auch die deutsche Übersetzung von Daniel Große Boymann ist mit Wortwitz gelungen. Während der Show bleibt das Bühnenbild gleich, ein Sofa im Mittelpunkt, ein paar Regale und einfache Requisiten. Durch viele geschickte Einfälle unter der Regie von Peter W. Hochegger fällt jedoch nie unangenehm ins Gewicht, dass sich alles auf der selben Bühne abspielt.
Humor und Ernsthaftigkeit liegen in Laurence Mark Wythes Musical nah beieinander. Im Verlauf des Stücks muss man sich manches Mal vor Lachen schon den Bauch halten, zum Beispiel dann, wenn die Protagonisten über ihre geheimen Laster singen. Andere Szenen sind jedoch ganz still und berührend, so auch wenn Jack (Martin Pasching) verzweifelt seine Liebe zu seiner fast Ex-Ehefrau Catherine (Kathleen Bauer) besingt. Ganz besonders stark ist die Endszene und wieder einmal huscht den Zuschauern ein Grinsen über die Gesichter, wenn Jack (Oliver Arno) doch das teure Brautkleid für seine Freundin Kat (Anja Haeseli) bestellt hat. Die positive Botschaft dahinter (etwa: “Leb im Hier und Jetzt!”) beschäftigt einen auch dann noch, wenn man das Theater längst verlassen hat. Gerade diese Mischung aus kurzweiligen und eindringlichen Szenen macht aus “Tomorrow Morning” einen besonderen Theaterabend.
Dabei ist dies nicht der erste Ausflug der Kulturszene Kottingbrunn in die Welt der Musicals. Schon im letzten Jahr spielte dort mit “I love you, you’re perfect, now change!” ebenfalls ein Vier-Personen-Stück mit ähnlicher Thematik, davor wurde “Non(n)sens” aufgeführt. Die Kulturszene wurde vor 17 Jahren als gemeinnütziger Verein gegründet und hatte zu dieser Zeit nur eine besondere Veranstaltung im September jeden Jahres. Diese Septemberproduktionen wurden immer mehr zu Theaterproduktionen. Vor drei Jahren entschlossen sich die Verantwortlichen dann dazu, einen zweiten Höhepunkt in das alljährliche Programm einzubauen, nämlich ein Musical. Die Wahl fiel hierbei auf Off-Broadway-Musicals, da diese mit geringem Budget und kleiner Besetzung realisiert werden können. Mittlerweile hat die Kulturszene sich mit insgesamt über 130 Veranstaltungen im Jahr einen Namen gemacht.
“Tomorrow Morning” ist somit die dritte Musicalproduktion des Hauses und sticht besonders heraus, da es sich um eine deutschsprachige Erstaufführung handelt. Das Kammermusical von Laurence Mark Wythe wurde 2006 in London aufgeführt, danach spielte es unter anderem auch in Australien und hat nun den Weg nach Österreich gefunden. Ebenfalls außergewöhnlich ist die Idee, zu dem Stück eine CD über Crowdfunding zu realisieren. Hierbei beteiligen sich viele interessierte Einzelpersonen finanziell an dem Projekt und werden dafür mit sogenannten “Goodies” belohnt . Diese variieren je nach Höhe der finanziellen Beteiligung. Bei diesem Projekt konnte diese Belohnung so etwas simples wie der Download der CD sein, daneben wurden aber auch ausgefallenere Kaufanreize angeboten, wie ein Schachspiel mit Oliver Arno oder eine Eislaufstunde mit Anja Haeseli. Durch das Crowdfunding wurden die Produktionskosten mittlerweile gedeckt und die CD kann in Produktion gehen und soll noch im Frühjahr erscheinen. Alle Beteiligten sind überwältigt von der Resonanz und hätten damit nicht gerechnet. Martin Pasching beschreibt die CD als eine “Duftmarke” und hofft, dass damit vielleicht auch bei anderen Bühnen das Interesse geweckt wird, das Stück auf die Bühne zu bringen.
Der Reiz am Off-Broadway liegt für Martin Pasching besonders darin, dass mit wenig Kulisse gespielt wird und das gesamte Theater “pur” ist. Außerdem hat “Tomorrow Morning” für ein Musical ungewöhnlich viele Sprechparts und dementsprechend einige Szenen, in denen mehr Schauspiel gefragt ist. Oliver Arno ist angetan von der Idee, dass sich das Publikum “mehr auf die Darsteller konzentriert” und sich in solch einem kleinen Rahmen viel mehr ausprobieren lässt und die Inszenierung somit freier ist. Dies ist bei den meisten Musical-Klassikern nicht der Fall, hier schreiben die Rechteinhaber vor, was die Inszenierung zu beinhalten hat. Für Oliver Arno ist es außerdem eine besondere Herausforderung, dass sie die Allerersten sind, die dieses Stück in Österreich auf die Bühne bringen – denn im Notfall kann niemand für seine Rolle einspringen und es liegt alles in seiner Hand.
Im Gesamten zeigt “Tomorrow Morning” wieder einmal, dass auch und gerade in kleinen Orten auf ebenso kleinen Bühnen etwas Außergewöhnliches auf die Beine gestellt werden kann. Es wird spannend zu sehen, was die Kulturszene Kottingbrunn im nächsten Jahr für die Musicalsparte bereithält.