Es läuft gerade sehr gut für Paul Graham Brown. “King Kong” erobert die kleinen Bühnen. Jetzt hat der britische Komponist und Autor innerhalb von zwei Wochen zwei Uraufführungen: “Superhero” in Wiesbaden und “Der große Houdini” in Hof.
Wir haben ihn und Anthony McCarten, Autor der preisgekrönten Romanvorlage und des Musical-Buchs, vor der “Superhero”-Premiere getroffen und mit ihnen über Stück und Schaffungsprozess geredet.
“Superhero” ist keine typische Musical-Story. Kann Musical auch tragisch sein?
Anthony McCarten: “Superhero” hat ein tragisches Thema, aber wir erzählen es auf sehr leichte Weise mit Humor. Was neu ist: Es verbindet Comic-Realität mit einem realen Charakter. Das ist eine Verbindung, die hoffentlich ankommen wird.
Ist es ein Unterschied, ob man einen Roman schreibt oder ein Theaterstück oder, wie in diesem Fall, ein Musical?
Anthony McCarten: Ja. Beim Romanschreiben ist das Eigenartige, dass man in den Kopf von jemandem geht, und dann kommt die Herausforderung, es theatralisch zu machen, diese inneren Gedanken nach außen zu bringen. Die Romanvorlage war in diesem Fall hilfreich, denn die Gedanken des Jungen sind in seinem Alter Ego ausgedrückt – Miraculous Man, dem Comic-Helden. In der Comic-Geschichte kann man erkennen, was in dem Jungen vorgeht, was seine wirklichen Gefühle sind.
Wie finden Sie die Themen für Ihre Romane und Stücke?
Anthony McCarten: Ich stolpere über sie. Ich finde sie zufällig. Meine Eltern sind beide an Krebs gestorben, so hat das Thema Krebs mein eigenes Leben berührt. Ich bin Vater von 14-jährigen Jungen und ich sehe, wie sie in der digitalen Welt verloren gehen könnten. Deshalb wollte ich damit etwas machen. Und dann hatten wir die Situation in Australien, dass ein Psychologe einen 14-jährigen, krebskranken Jungen zu einer Prostituierten gebracht hatte, weil er es für seine Pflicht hielt, dem Jungen seinen letzten Wunsch zu erfüllen, nämlich vor seinem Tod Sex zu haben. Das war sehr kontrovers und verursachte viele Diskussionen, und ich dachte, das wäre ein interessanter Punkt für ein Stück.
Wie kam es dazu, dass die Uraufführung von “Superhero” in Wiesbaden stattfindet?
Paul Graham Brown: Das kam durch unseren Verlag, der relativ früh im Schreibprozess gesagt hat, die beste Stelle, speziell für dieses Werk, wäre das Junge Staatsmusical in Wiesbaden. Ich habe es dann an die Regisseurin [Iris Limbarth, die Red.] geschickt und ziemlich schnell kam eine Reaktion: “Das klingt interessant, spannend, können wir weiterreden?”
Wie schwierig war es, die Musik für “Superhero” zu komponieren? Es ist ja musikalisch ziemlich abwechslungsreich.
Paul Graham Brown: Es wäre eine Lüge zu sagen, dass es für mich am Anfang einfach war. Es war auch eine neue Zusammenarbeit: Anthony und ich hatten vorher noch nie zusammengearbeitet. Anthony hat irgendwann gesagt, er könne sich vorstellen, dass Don, der Junge, ein Rapper ist. Ich habe es sofort abgelehnt, und Anthony hat gesagt: “Warum?” Und ich habe gesagt: “Ich mag das nicht, ich mag keinen Rap. Ich bin eigentlich ein melodischer Komponist und in Rap ist keine Melodie.” Wir haben es gelassen und ab und zu hat Anthony mir Youtube-Clips gezeigt. Irgendwann hat’s bei mir Klick gemacht und ich habe gedacht: “Ja, das will ich jetzt machen” – aber es war eine Umstellung für mich, auch im Kompositionsprozess.
Wie kamen Sie darauf, “Superhero” zu vertonen?
Paul Graham Brown: Mein Agent, Moritz Staemmle, hat mir das Buch zugeschickt und auch nichts weiter dazu erzählt. Ich habe die erste Hälfte gelesen und gesagt: “Falls es zu meinem Musical-Deal kommt, DAS möchte ich machen!” Ich fand den Roman von Anthony so geil und es ist eine Herausforderung, so was zu machen.
Wie gehen Sie beim Komponieren vor? Orientieren Sie sich dabei immer am Text oder schreiben Sie drauf los?
Paul Graham Brown: Normalerweise sitze ich mit dem Autor zusammen (manchmal bin ich auch selbst der Autor) und wir entwickeln ein sogenanntes Treatment, dann sehr detaillierte Skizzen, und wir entscheiden zusammen, was sind die Songs. Jeder Song hat einen Arbeitstitel, und dann sitze ich am Klavier und denke: “Okay, habe ich über diesen Titel etwas zu sagen?”. Und wenn ich weiß, ob ich einen Groove habe oder eine Hookline, dann mache ich eine Melodie und dann kommen die eigentlichen Texte dazu.
Ihre früheren Musicals waren musikalisch klein besetzt und für kleine Bühnen komponiert, jetzt haben Sie hier in Wiesbaden schon ein bisschen mehr zur Verfügung und bei der Uraufführung von „Der große Houdini” in Hof haben Sie ja sogar ein ganzes Orchester. Komponiert man da anders, wenn man weiß, “Oh, cool, da kann ich jetzt Hörner oder andere Instrumente einsetzen”?
Paul Graham Brown: Ich finde, ein Musical muss auch nur mit Klavier funktionieren. Und das ist immer der Anfang. Bei “Superhero” war es ein bisschen anders, weil du Rap oder Grooves nicht mit dem Klavier machen kannst. Aber ich bin der Überzeugung, wenn ein Musical nur mit Klavier oder nur mit sehr reduzierten Mitteln funktioniert, dann ist alles andere nur Ergänzung.
Wiesbaden ist jetzt von der Bühne her schon mal ein bisschen größer als die Bühnen, die sie sonst zu Verfügung hatten, in Hof ist sie noch größer – erobern Sie jetzt die die großen Theater?
Paul Graham Brown: (lacht) Schau’n wir mal. Das ist nur so passiert, vor allem wegen dieses Erfolgs mit “King Kong”, was mittlerweile überall gespielt wird. Das ist nur ein Dreipersonenstück und das Konzept war für eine kleine Bühne. Es ist nicht so, dass ich beschlossen haben, kleine Projekte zu machen, es ist einfach so passiert.
Sind Sie normalerweise bei den Proben dabei?
Paul Graham Brown: Bei “Superhero” nicht. Das ist heute Abend das erste Mal für uns beide.
Also gab es keine Möglichkeit zu sagen: “So will ich das nicht”?
Paul Graham Brown: Ich glaube, man ist komplett dabei oder man ist komplett weg. Ein Zwischending geht irgendwie nicht. Ich bin in Hof in die Produktion von “Der große Houdini” mehr eingebunden, deshalb war ich in Wiesbaden aus Zeitgründen nicht dabei.
Dann hoffe ich, dass Sie Ihre Premiere heute Abend genießen! Vielen Dank für das Gespräch.