Alexander Klaws schwimmt gerade ganz oben auf der Erfolgswelle. Die aktuelle “Jesus Christ Superstar”-Inszenierung, in der Klaws die Titelrolle verkörpert, hat eingeschlagen wie eine Bombe und der Run auf die Tickets für die vier Zusatzvorstellungen übers Osterwochenende legte prompt die Server des Theaters Dortmund lahm. Wir sprachen mit dem Allrounder über sein aktuelles Engagement, seine Ambitionen, seine Ansichten zur derzeitigen Musical-Entwicklung und nicht zuletzt über den Status von Crossover in Deutschland.
Er ist der erste und auch wohl einzige Kandidat, der es nach seinem Sieg bei der RTL Casting Show “Deutschland sucht den Superstar” geschafft hat, sich in der deutschen Unterhaltungsbranche nachhaltig zu etablieren. Bereits seit elf Jahren macht Alexander Klaws von sich Reden. Nach dem Ausstieg aus der DSDS-Maschinerie fand der sympathische Musiker rasch seinen eigenen Weg. Er wusste, was er wollte: Das tun, was ihm Spaß macht und auf keinen Fall halbe Sachen. Von 2005 bis 2006 absolvierte er an der Joop van den Ende-Academy in Hamburg eine Musicalausbildung und gab sein Musicaldebüt im Dezember 2006 als Alfred bei der “Tanz der Vampire”- Produktion am Berliner Theater des Westens. Die kritischen Stimmen von damals, die fragten, ob der “DSDS-Fuzzi” überhaupt Musical kann, sind längst verstummt. Es folgten Engagements bei “Tarzan” in Hamburg (2010-2013) und bei den Freilichtspielen Tecklenburg. 2013 war Alexander dort als Ranger im “Der Schuh des Manitu” zu sehen, 2014 spielte er “Joseph” in dem gleichnamigen Lloyd Webber-Frühwerk. Zwischendurch gab es immer mal wieder Ausflüge zum Fernsehen. Und natürlich ist da auch noch seine eigene Musik: Bis dato veröffentlichte Klaws fünf Solo-Alben – die letzen beiden in deutscher Sprache.
Du hast jetzt En-Suite-Musical gespielt in Berlin und Hamburg und warst in den letzten beiden Sommern bei den Freilichtspielen Tecklenburg engagiert. In dieser Spielzeit bist du am Theater Dortmund in der “Jesus Christ Superstar”-Inszenierung von Gil Mehmert zu sehen. Ist die Arbeit am Stadttheater eine ganz besondere Herausforderung, schon alleine weil man nicht allabendlich auf der Bühne steht?
Das ist schon eine Herausforderung, vor allem, wenn man es anders gewöhnt ist. Man hat eben nicht acht Shows die Woche, sondern steht vielleicht nur alle zwei bis vier Wochen einmal auf der Bühne, muss dann aber genauso auf den Punkt präsent sein und abliefern wie unter anderen Umständen auch. Übers Osterwochenende haben wir gleich vier Shows hintereinander und ich bin schon gespannt, wie das läuft. Gerade bei einer Show wie “Jesus Christ Superstar” ist das unglaublich anstrengend, stimmlich wie emotional. Das ist der springende Punkt: Ich bin gewohnt, jeden Tag in der Woche an meine Grenzen zu gehen. Bekommt man aber nur einmal die Woche dazu die Gelegenheit, ist das schon eine ganz andere Herausforderung. Insgesamt würde ich also sagen, es ist anders, aber spannend!
Man entwickelt eben auch nicht so eine Routine wie beim En-Suite-Betrieb… Siehst du das eher als Nachteil oder kann das auch von Vorteil sein?
Ich persönlich finde, dass es gerade bei “Jesus Christ Superstar” sehr gut ist, wenn die Routine ausbleibt, die man entwickelt, wenn man eine Rolle Tag für Tag verkörpert. Man braucht für “Jesus” eine ganz andere Energie und da ist das Gefühl, dass das – salopp gesagt – schon abgenudelt ist, eher wenig zuträglich. Vielmehr ist jedes Mal, wenn die ganze Cast wieder zusammenkommt, dieser Reiz da, dieses Kribbeln. Man freut sich jedes Mal so auf die Show, als spiele man sie zum ersten Mal. Daraus entwickelt sich eine ganz andere Dynamik, man hat viel mehr Freiraum zum Entdecken und bleibt flexibler. Mir gefällt das. Ich bin jemand, der versucht, auch noch das Letzte aus einer Rolle herauszuholen und niemand, der sagt: “Ach, das ist jetzt ohnehin nur eine weitere Show!” In dem Moment, wo ich auf der Bühne stehe, werde ich zu dem Charakter den ich gerade verkörpere. Das bin dann ich!
Wenn man die Presse- und Zuschauerreaktionen nach der Premiere Revue passieren lässt, so kann man sagen, dass das scheinbar genauso wahrgenommen wurde. Ich war beeindruckt von der Intensität deines Schauspiels zu diesem doch sehr frühen Zeitpunkt in der Spielzeit…
Ich habe immer die Ambition, mir eine Rolle zu eigen zu machen. Ich lebe das in dem Moment! Als ich beispielsweise “Tarzan” in Hamburg gespielt habe, bin ich nach Hause gegangen und habe mich immer noch so bewegt wie ein Affe – einfach, damit mir die erforderlichen Bewegungsabläufe in Fleisch und Blut übergehen. Ich wollte authentisch wirken, die Illusion für die Zuschauer perfekt machen. Irgendwann später am Abend bin ich dann ins Bett gekrabbelt ohne überhaupt zu merken, dass ich mich immer noch so bewege… das geht dann ineinander über, wird zu einem Teil von Dir. Und genau das versuche ich bei jeder Rolle zu erreichen. Ich betrachte eine Rolle nicht als einen Job, den ich bei Feierabend abhake. In dieser Hinsicht sehe ich das wie Jack Nicholson, der sich, wenn er in einem seiner Filme einen Psycho spielt, auch durchaus mal eine Woche in die Psychiatrie einweisen lässt – einfach, um die Rolle wirklich zu hundert Prozent verkörpern zu können.
Natürlich versuche ich, ein gesundes Level zu finden. Es gibt Momente, wo es sehr viel Emotion braucht, dann gibt es aber auch jene Augenblicke, wo man sich zurücknehmen sollte. Eine Gratwanderung, denn es soll authentisch sein und nicht aufgesetzt oder schlichtweg “too much” wirken. In der Regel spüre ich aber sehr genau, wo ein Tick mehr schon zu viel ist. Und bei einer Rolle wie Jesus ist man aber auch abhängig von den Anderen. Judas… Maria Magdalena – das sind Gegenspieler, die ich brauche.
Gerade hast du den smago! Award für Vielseitigkeit erhalten. Das ist ein gutes Stichwort. Du hast von Pop über Schlager bis Musical alles mögliche gemacht, dich auch als TV-Schauspieler ausprobiert. Wie siehst du eigentlich den Status von Crossover in Deutschland? Ist es schwieriger, Fuß zu fassen, wenn man mehrgleisig fährt und sich nicht ausschließlich auf ein Genre fixiert?
Leider ist Deutschland ein Land mit einer Art “Schubladen-Denken” – entweder bist du das eine, oder das andere. Dass man auch zwei oder drei verschiedene Sparten auf einmal bedienen kann oder möchte, wird in Deutschland – im Vergleich beispielsweise mit Amerika – nur zögerlich angenommen und akzeptiert. Ich werde oft gefragt: „Was bist du denn jetzt eigentlich? Sänger? Schauspieler? Moderator?” In erster Linie bin ich Musiker, da liegen meine Wurzeln, da komme ich her und das ist mein Fundament. Alles andere sind Leidenschaften, die ich ausleben darf und in denen ich mich auch oft neu entdecke kann – wie zum Beispiel vor kurzem bei “Let’s Dance”. Dass ich Standard tanzen kann, war mir vorher auch nicht klar. (lacht)
Ich finde es schade, dass die Akzeptanz für Crossover in Deutschland noch so gering ist, denn letztendlich zeugt das ja auch von einer Weiterentwicklung und dem Mut, etwas Neues auszuprobieren. Als Beispiel fällt mir da spontan Heino und sein Coveralbum ein – egal, wie man es finden mag: Niemand hätte damit gerechnet, dass der eingesessene Schlagerstar ein Rock-Pop Album herausbringt. Es war ein mutiger Schritt, etwas Neues, was die Leute überrascht hat. Ich werde zwar jetzt kein Heavy-Metal Album rausbringen, aber ich finde es wichtig, sich musikalisch ausprobieren zu können. Denn nur dadurch entwickelt man sich weiter.
Hast bzw. hattest du diesbezüglich mit Vorurteilen zu kämpfen? So nach dem Motto: “Jetzt kommt da dieser DSDS-Heini, der Musical machen will?” Oder aber: “Das ist doch der Musical-Typ, der plötzlich im TV schauspielern will?”
Ja klar. Gerade am Anfang trifft man auf viel Skepsis – womit wir auch wieder beim Schubladen-Denken wären. Man muss sich erst einmal beweisen und zeigen, dass man das wirklich kann. Ich will aber bewusst keine Schubladen bedienen, sondern einfach das machen, was mir Spaß macht. Ich suche mir immer wieder neue Herausforderungen, probiere vieles aus. Aber alles, was ich anfange, ziehe ich zu 100% durch – entweder ganz oder gar nicht! Wenn man etwas macht, dann muss man das auch in sich fühlen. Nur dann kann man mit Herzblut dabei sein. Auf mehreren Hochzeiten zu tanzen ist nicht ganz einfach – das schafft man nur, wenn man mit Leib und Seele dabei ist. Wenn man das nicht ist, sollte man sich doch besser auf eine Sache beschränken.
Ein Großteil deines Erfolges rührt sicher auch daher, dass die Leute merken: Das, was du machst, ist authentisch und eben nicht aufgesetzt.
Es ist schön, wenn das ankommt, denn gerade im Showgeschäft geht es ja leider oft sehr “künstlich” zu. Ich finde, die Musicalwelt leidet oft, weil viele der Ansicht sind, dass da ganz viel künstlich ist. Gerade erleben wir aber eine Art Umschwung. Die theatralischen, gemachten Gefühle sind nicht mehr gefragt, sondern es wird nach großen, echten Emotionen verlangt. Das macht den Reiz des großen Musicals von heute aus. Selbst die Opernhäuser entdecken Musicals mehr denn je für sich und viele Stadttheater finanzieren sich mittlerweile übers Musical – das ist schön mitzuerleben.
Große Gefühle und großes Musical – gleichzeitig wird an allen Ecken und Enden gespart. Allen voran am Orchester. Beim “Phantom der Oper”, 1990 noch mit knapp 30 Musikern am Start, sitzen heute nur noch 14 Leute im Graben…
Direkt nach meinem Engagement bei “Tanz der Vampire” in Berlin bin ich nach Oberhausen gefahren, um dort die Premiere der neuen “TdV”-Inszenierung zu erleben und habe große Erwartungen gehabt. Denn das Stück und insbesondere die Musik sind einfach grandios! In Berlin war das Orchester schon kleiner als zuvor noch in Hamburg. Bernd Steixner, der musikalische Leiter des Theater des Westens, hat damals dann aber gesagt: “Wir machen das so oder gar nicht” – also keinesfalls mit noch weniger Musikern. In Oberhausen hatten sie dann noch weniger Geiger und viel kam nur noch vom Keyboard. So etwas ist schade und ich war sehr enttäuscht. Auch wenn die Cast gut war und alles drum herum gestimmt hat – mit Bombast-Rock hatte das einfach nichts mehr zu tun.
Ist das mit ein Grund, warum du mittlerweile verstärkt auf Stadttheater- und Freilichtproduktionen ausweichst?
Ich finde, der Spar-Trend ist gefährlich und man muss aufpassen, dass man diese positive Bewegung, über die wir gerade gesprochen haben, nicht wieder zerstört. Deswegen habe ich auch Engagements beispielsweise in Tecklenburg angenommen, wo wirklich noch vierzehn bis achtzehn Leute unten im Graben sitzen. Wenn gespart werden muss, dann bitte nicht am falschen Ende und an der Qualität. Ja, ich achte mittlerweile sehr darauf, wo ich meine Rollen spiele. Der Grund ist einfach: Wenn ich auf der Bühne stehe, ein Stück singe und dann merke: “Da fehlt was!”, dann kann ich auch nicht ernst nehmen, was ich selber spiele. Ich möchte mit einem Orchester spielen und nicht mit einer Band. “Jesus Christ Superstar” ist da etwas anderes. Aber zu Musicals wie “Tanz der Vampire” oder “Phantom der Oper” gehört nun einmal ein großes Orchester. Von daher hoffe ich, dass wir das irgendwann mal wieder erleben.
Ein schönes Schlusswort! Herzlichen Dank für dieses Interview und weiterhin noch viel Erfolg!