© André Havergo, www.noz.de
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Zwischen Regenschauern und Sommerhitze: Nach der Corona-Zwangspause startet Tecklenburg wieder durch

Endlich wieder Musical-Open-Air-Saison! Wie haben wir es vermisst. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wird auch in Tecklenburg wieder geprobt – zunächst einmal für die erste Großproduktion “Sister Act”, die am Freitag, den 24.06.2022 Premiere feiert. Grund genug, um uns mit Intendant Radulf Beuleke und “Sister Act”-Regisseur Werner Bauer zu treffen und mit ihnen über die vergangenen zwei Jahre und den anstehenden Tecklenburger Freilicht-Sommer zu reden.

Zunächst einmal die unvermeidliche Corona-Frage. Die Pandemie war für uns alle ein tiefer Einschnitt in unser Leben und es fühlt sich falsch an, darüber einfach hinwegzugehen und so zu tun als wäre nichts gewesen. Wie haben Sie die letzten zwei Jahre er- und überlebt?

Werner Bauer: Es hat alle hart getroffen. Regisseur*innen, Darsteller*innen und alle anderen Theater-Schaffenden. Und die Misere ist für viele noch nicht vorbei. Denn durch die Verschiebungen der letzten zwei Jahre überlappen sich nun die Produktionen, was wiederum heißt, dass man die für dieses Jahr geplanten Projekte nicht wahrnehmen kann. Das bedeutet einen zusätzlichen, nachträglichen Verlust.

Radulf Beuleke: Das stimmt, die Corona-Zeit war nicht leicht. Für uns war sie allerdings eine reine Umbuchungsphase. Dieser Service war uns wichtig, denn er ist eine Reaktion auf die Treue unseres Publikums, das bereit war zu warten. Die allgemeine Tendenz zur Kritik an Maßnahmen und angeblichen Einschränkungen haben wir nicht geteilt. Unser Motto und unsere Perspektive war immer: Es wird und muss weitergehen!

Das tut es glücklicherweise jetzt auch. Doch bevor wir uns gleich “Sister Act” zuwenden, interessiert uns, wie Sie als Zuschauer selbst Stücke erleben. Können Sie sich fallen lassen und das Stück einfach nur als “normaler” Zuschauer genießen, oder hat man immer seine Regisseurs- bzw. Intendantenbrille auf?

Radulf Beuleke: Ich denke, jeder schaut mit wachem Auge und beobachtet, formuliert innerlich Zustimmung und Kritik. Eigentlich also genau so, wie es ein so genannter “Normaler” eben auch macht. Was ich allerdings hasse, sind direkte Kommentare nach Vorstellungen oder Premieren, unreflektiert und ohne Abstand. Mir gefällt es am besten, etwas Neues zu sehen. Sich spontan für ein Stück entscheiden, ohne vorheriges Wissen – am liebsten in der Oper. Und dann einfach hören und schauen!

Werner Bauer: Ich beziehe die Frage jetzt mal auf meine eigenen Inszenierungen und muss zugeben, dass es mir nicht gelingt, mich fallen zu lassen. Wahrscheinlich liegt das in der Natur der Sache, dass man nicht abschalten kann, wenn man seine eigene Inszenierung sieht. Irgendwie arbeitet man automatisch immer weiter. Aber vor allem bei Komödien ist es schon so, dass ich es auch genießen kann, wenn es beim Publikum zündet und viel gelacht wird. Das ist dann eine schöne Bestätigung, etwas richtig gemacht zu haben.

Der Tecklenburger Open-Air-Sommer steht unmittelbar bevor; der traditionelle Auftakt mit der Pfingst-Gala war bereits ein voller Erfolg. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Radulf Beuleke: Auf ganz viel! Sommer heißt, wieder draußen sein, mit einer neuen Mannschaft arbeiten und eine Idee realisieren. Leben als erleben! Zwischen Regenschauern und Sommerhitze, zwischen Frieren und Schwitzen gemeinsam eine Inszenierung auf die Bühne bringen und auf den Erfolg hoffen.

Werner Bauer: Die Wetterextreme macht es einem in der Tat nicht immer leicht. Freilichtbühnen sind generell eine große Herausforderung: Nicht nur das Wetter, sondern auch die Lichtverhältnisse am Abend, die Proben im Freien… Man muss ständig auf wechselnde Gegebenheiten reagieren und flexibel sein. Dafür arbeitet man aber auch im Grünen, in der Natur. Und das ist schon ein ganz besonderer Genuss! Die Atmosphäre ist natürlich ebenfalls eine ganz andere als im Theater. Darauf freue ich mich wirklich sehr.

Und die Zuschauer? Worauf können diese sich bei “Sister Act” besonders freuen?

Werner Bauer: Natürlich auf viel Humor! Aber das Stück an sich bietet sehr viel mehr. Es ist eine berührende Geschichte über Befreiung von Zwängen sowie über die Erkenntnis, dass man sich ab zu überdenken und hinterfragen sollte und dass Empathie der Schlüssel sein kann. Zwei unversöhnliche, extrem unterschiedliche Welten – nämlich das Milieu in Philadelphia und das Klosterleben – prallen da aufeinander. Und doch finden sie einen Weg, aufeinander zuzugehen und die jeweils anderen Haltungen nicht nur zu respektieren, sondern sogar freundschaftlich zu verbinden. Eine wunderschöne Message, die wir gerade in diesen Zeiten wirklich gut gebrauchen können!

Da sagen Sie was! Können Sie uns vielleicht noch etwas mehr zur Tecklenburger Inszenierung verraten?

Werner Bauer: Eigentlich wären wir vor zwei Jahren die erste freie Inszenierung in Deutschland gewesen. Doch dann kam uns leider das Virus dazwischen. Trotzdem wird das hier in Tecklenburg ein besonderer Abend werden. Das liegt vor allem an dem tollen Ensemble, das sich mit viel Lust und Freude an die Arbeit gemacht hat und dem es gelungen ist, etwas tiefer in die Geschichte zu graben. So entstehen viele berührende Momente im rasanten Wechsel mit komischen Situationen. Zudem spielen wir in einer wunderbaren Kulisse, die von Jens Janke mit einem fantastischen Bühnenbild komplettiert wird. Und “Sister Act” wäre ja nicht “Sister Act”, wenn es nicht auch viele tolle Tanzszenen geben würde. Mehr will ich wirklich nicht verraten.

Also einfach vorbeikommen und sich selbst ein Bild machen?

Werner Bauer: Ja, genau! Lachen, genießen, sich berühren lassen, abschalten!

Abschließend vielleicht noch ein kleiner Ausblick auf die Zukunft, Herr Beuleke?

Radulf Beuleke: Nach der Premiere von “Sister Act” beginnen wir gleich mit den Proben für unsere zweite Großproduktion, “Der Besuch der Alten Dame” in einer Inszenierung von Ulrich Wiggers. Premiere ist am 22. Juli. Und nach der Saison ist vor der Saison! Nach der Planung für 2023 werden wir uns konzentrieren auf das Jahr 2024. Die Bühne feiert dann ihr 100-jähriges Jubiläum.

Wir sind gespannt, was die Freilichtspiele im Juliläumsjahr für uns bereit halten. Vielen Dank für das Gespräch und Toi Toi Toi für die Premiere!

 
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