Hörenswerte Solo-CD des Komponisten von “Gaudi”, “Gambler” und “Poe”.
“Eric Woolfson sings The Alan Parsons Project That Never Was” ist ein Album, dem man mit konventioneller Besprechungsmethode nicht beikommt – schon der nicht eben schnittige Titel verrät, dass es jetzt kompliziert wird. Vereinfacht ausgedrückt: Diese Veröffentlichung richtet sich in akustischer Hinsicht vor allem an die Hörerschaft von The Alan Parsons Project – sämtliche Titel hören sich so an, als seien sie einem Originalalbum aus der späten Schaffensphase der achtziger Jahre entsprungen. Sind sie aber nicht. Könnten aber, so meint zumindest Eric Woolfson, seinerzeit für den künstlerischen Gehalt der Project-Alben zuständig. Oder eben auch nicht, denn dem ausführlichen Booklet und den aufschlussreichen Informationen zur Entstehungsgeschichte der einzelnen Songs kann entnommen werden, dass sein ehemaliger Partner Alan Parsons etwa einen Song wie “Steal Your Heart Away” geradezu verabscheut hätte, womit dieser Titel sein Schicksal mit dem Song “Eye In The Sky” teilt, der ebenfalls nicht die Gnade von Parsons fand und somit praktisch gegen seinen Willen zu einem Welthit von The Alan Parsons Project wurde. Woolfson unternimmt nun mit diesem Album den spielerischen Versuch, in Zeiten nach dem Project entstandenes Songmaterial so klingen zu lassen, als ob es vom Project selbst veröffentlicht worden wäre. Faktisch also im Nachhinein selbst hergestellte “bisher unveröffentlichte” Aufnahmen, die jedoch seinerzeit überhaupt nicht zur Veröffentlichung anstanden, weil es sie schlichtweg noch nicht gab. Alles klar?Nur unter Einbeziehung dieses Gedankenganges lässt sich nachvollziehen, warum sich der ein oder andere Titel so anhört, wie er sich anhört; im Falle der bereits erwähnten flotten und eingängigen Pop-Nummer wäre Woolfson jedoch besser beraten gewesen, sie in einem anderen Kontext und vor allem zeitgemäßer zu präsentieren. So aber ist man beim Hören einfach froh, dass die Achtziger vorbei sind – zu enervierend ist der aus heutiger Sicht plumpe Keyboard-Rhythmus geraten, der damals eben hip war. Ganz anders verhält es sich mit “Rumour Goin’ Round” – mit einem zerfransten Anfang und einer starken Melodie, die sich im Mittelteil harmonisch verdichtet und eine treibende Kraft entwickelt, überzeugt dieser komplexere Song als klassische Project-Nummer, die bei vielen Fans Gefallen finden wird, zumal Woolfson hierfür auf Originalaufnahmen der Project-Studiomusiker zurückgreifen konnte.Anhänger von The Alan Parsons Project können an dieser Stelle das Denken einstellen und sich für die gewohnte Dauer einer LP-Länge (knappe 43 Minuten) an einer Aufnahme erfreuen, die wunderbare Kompositionen bereit hält und sich eben fast so anhört wie ein Project-Konzeptalbum, dessen Song-übergreifende Klammer diesmal kein übergeordnetes Thema, sondern die Stimme des Komponisten Woolfson ist. Nicht jedoch die Musical-Hörer, für die geht das Denken weiter. Diese waren bislang nämlich gewohnt, dass bereits bestehende Songs von The Alan Parsons Project in Songs für die Musicalbühne umgearbeitet werden. Dieses Album geht nun den umgekehrten Weg, indem es bereits bestehende Original-Musicalsongs in Alan-Parsons-Project-Songs (die es jedoch nie gab – Titel des Albums nun verstanden?) verwandelt. So kann sich der Musical-Hörer nun einen Eindruck davon verschaffen, wie sich der großartige “Gambler”-Song “Golden Key” in einer Fassung von The Alan Parsons Project angehört hätte. Gleiches gilt für die dramatisch-melancholische “Edgar Allan Poe”-Hymne “Immortal”, die auch in der Interpretation von Eric Woolfson einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Für das Musicalpublikum von besonderem Interesse sind jedoch die Musicalsongs, die Woolfson auf dieser Einspielung zum ersten Mal veröffentlicht. So präsentiert sich mit der gefühlvollen Ballade “Nothing Can Change My Mind” auch ein neuer Song für “Gaudi”, der in zukünftigen Aufführungen seine Verwendung finden soll. Zudem stellt Woolfson zwei Songs aus seinem neuesten – bislang nur in Korea aufgeführten – Musical “Dancing Shadows” vor. Darunter auch die psychedelische Nummer “I Can See Round Corners”, die mit eindringlicher Melodie und elegischer Einspielung starke Bilder im Kopf entstehen lässt und den Höhepunkt dieses Albums darstellt.Einzig Woolfsons Musical-Erstling “Freudiana” fehlt – macht aber nichts, denn die Songs dieses Werkes liegen schon allesamt als Alan-Parsons-Project-Nummern vor, wenngleich sie nie so genannt wurden. Das dazugehörige Konzeptalbum wurde nämlich unter einer Bezeichnung veröffentlicht, die die Arbeitsweise des kurz zuvor aufgelösten Project-Duos treffender wiedergab als es der eigentliche Band-Name jemals vermochte: “Freudiana – Music and Lyrics: Eric Woolfson, Produced by Alan Parsons”.