Nach recht kurzer Spielzeit am Broadway feierte das Disney-Musical “The Little Mermaid” in den Niederlanden sein Europa-Debüt in einer komplett neu inszenierten Tour-Produktion. Die Live-Aufnahme kann es in Sachen Besetzung mit der US-Fassung ohne Probleme aufnehmen, allerdings haben Komponist Alan Menken und Texter Glenn Slater für ihre Neubearbeitung die Schere an den falschen Stellen angesetzt.
Für die Europa-Fassung hat “The Little Mermaid” eine Generalüberholung durchlaufen. Schon die Ouvertüre der niederländischen Aufnahme zeigt, dass Alan Menkens Überarbeitung vor allem der Orchestrierung gut bekommen ist. Die Eröffnungsnummer erfährt eine völlig neue Spannung, die sich auch in den restlichen Tracks bemerkbar macht. Die Motive der Filmmelodien sind nun durchweg um einiges eleganter mit den Neukompositionen verbunden.
Mit der Besetzung der Hauptfiguren haben die Niederländer ein ausgezeichnetes Händchen bewiesen: Tessa Sunniva van Tol braucht den Vergleich mit Sierra Boggess, die Arielle am Broadway spielte, nicht zu scheuen. Sie singt die Partie der kleinen Meerjungfrau mit angenehm vollem, warmem Sopran und gewinnt der Rolle damit neue Bedeutungsebenen ab. Überraschende Facetten beweist auch Tommie Christiaan als Prinz Erik. Man spürt förmlich die Umtriebigkeit, mit der der Prinz sich auf die Suche nach seiner Retterin begiebt. So werden die Soli der beiden Protagonisten zu den Highlights der Aufnahme. Christiaans “Zonder Woorden” im zweiten Akt ist stark und gefühlvoll, van Tol begeistert mit “Mooier Dan In Mijn Mooiste Droom”. Arielles berühmte Ballade “Daar Ligt Mijn Hart” erweckt sie mit viel Feingefühl und Ausdruckskraft zu neuem Leben.
Auch die übrige Cast ist gut gewählt: Marolijn Touw rückt die Seehexe Ursula sowohl stimmlich als auch optisch wieder näher an die Filmfassung. Ihrem “Ja, Het Leven Is Zwaar” täte zwar ein wenig mehr Selbstgefälligkeit und Süffisanz gut, aber es verfehlt seine Wirkung nicht. Juan Walls als Krabbe Sebastian verleiht den Nummern “Onder De Zee” und “Kuss D’r Dann” den nötigen Pepp. Nur Roberto de Groot als Meerkönig Triton ist etwas schwach auf der Brust, verglichen mit dem kräftigen Bariton von Norm Lewis, der die Rolle am Broadway kreierte.
Allerdings können die Änderungen im Stück nicht wirklich überzeugen. Menken und Slater haben mit Ursulas “I Want the Good Times Back” eine der stärksten Nummern durch “Pappies Kleine Meisje” ersetzt, das mit seiner repetitiven Eiapopeia-Melodie keinen Mehrwert bringt. Dagegen wäre es eine gute Entscheidung gewesen, den Sängerinnenwettstreit kurz vor Schluss wieder gegen das Finale der Filmfassung zu tauschen. Doch hier blieb man der Broadwayfassung treu. “De Concours” ist zwar nicht ganz so enervierend wie in der Erstfassung, aber die Nummer wertet das Gesamtbild deutlich ab. Den Vergleich mit der Broadway-Version muss die niederländische Fassung aber dennoch keinesfalls scheuen.