Kurz vor Ende der Spielzeit in Mannheim hat es das aus St. Gallen kommende Ensemble geschafft, die erste deutsche Cast-Aufnahme des Broadway-Hits “Avenue Q” zu veröffentlichen. Die Einspielung mit den Änderungen für Mannheim muss sich zu keinem Zeitpunkt hinter der Broadway-Aufnahme verstecken, im Gegenteil. Stimmlich setzen die Darsteller sogar noch einen drauf.
Wird “Avenue Q” auf deutschen Bühnen funktionieren? Diese Frage stellten sich Musical-Fans hierzulande aus zwei Gründen. Erstens: Kann man die witzig-frechen Texte des englischen Originals adäquat übersetzen? Und zweitens: Wie reagiert das Stadttheater-Publikum auf freizügige Puppen mit sehr derben Sprüchen? Nun kann man sich endlich auch mit Hilfe einer CD-Einspielung davon überzeugen, dass “Avenue Q” nicht nur am Broadway oder West End funktioniert, sondern auch in St. Gallen und Mannheim.
Die meisten Songs wurden von Roman Riklin nahezu ein zu eins übersetzt, einzig bei “Schadenfreude” sind kleine Änderungen vorhanden, was dem Stück allerdings in keinster Weise schadet. Dem deutschsprachigen Publikum muss man nun mal den Begriff ‚Schadenfreude‘ nicht erklären, so wie es im englischsprachigen Original der Fall ist. Alle übrigen Texte bleiben auch in der deutschen Fassung zum Brüllen komisch und teilweise passend derb.Highlights der Aufnahme sind (natürlich) “Das Internet ist für Pornos” und “Wir alle sind ein bisschen rassistisch”. Besonders gut werden die Songs vor allem dann, wenn das komplette Ensemble singt: Perfekt einstudierte Harmonien lassen keinen Zweifel am Können der Darsteller und zeigen, wie gut dieses Ensemble auf einander abgestimmt ist.
Auch wenn alle Sänger der CD ihre Rollen sehr gut interpretieren, ist es doch vor allem Stefanie Köhm, die in der Doppelrolle Kate Monster/ Lucy D. Schlampe die Broadway-Aufnahme alt aussehen lässt. Sie verleiht beiden Rollen jeweils eine sehr charakteristische Stimmlage, sodass man immer ganz genau weiß, welche der beiden sie gerade singt. Außerdem schafft sie es bei aller Komik des Stückes, mit “Nur ein schmaler Grat” auch emotionale Tiefe zu zeigen. Da leidet man richtig mit Kate Monster und ihrem gebrochenen Herzen mit.Manuel Steinsdörfer überzeugt als naiv-tollpatschiger Princeton ebenso wie er als überhysterischer Rod amüsiert. Dass hier Princeton eher mit der schönen Gesangsstimme Steindörfers intoniert wird und Rod etwas quäkig daher kommt, unterstreicht nur die verschiedenen Charaktere. Publikumsliebling Trekkie Monster wird ebenso wie Nicky (und am Ende Ricky) von Florian Claus gesungen. Sein Trekkie pöbelt sich mich kräftig-grollender Stimme durch die Songs, während sein Nicky durch liebenswerte Nervigkeit auffällt. Die Hymne aller Ehefrauen (und auch so einiger Ehemänner) steuert Lanie Sumalinog als Christmas Eve mit “Je mehl du liebst jemand” bei. Ob keifend oder glockenhell: Stimmlich weiß sie jede Facette zu meistern. Martin Schäffners „Daniel Kübelböck” ist eine herrliche Parodie auf den ehemaligen DSDS-Promi, der sich sehr gut in die „Avenue Q” einfügt. Vorlagebedingt zu kurz kommen auf der CD Jonathan Agar als Brian und Cornelia Löhr, die hauptsächlich Lavinia Semmelmöse und das Bullshitbär- Mädchen spielt, aber kaum etwas zu singen hat.
In absatzkritischen Zeiten haben die Macher von „Avenue Q” mit dieser CD, die in den ersten paar Wochen ausschließlich über den eigenen „Avenue Q”-Webshop vertrieben wird, viel Mut bewiesen. Es wäre schön, wenn diesem Beispiel weitere Produzenten und Ensembles folgen. Denn so manche Produktion, ob auf einer großen oder kleinen Bühne, hat eine CD-Einspielung verdient.