Somewhere in the Audience
Eric-Woolfson-Sampler / 2013

Prominent besetzter Sampler mit bekannten und unbekannten Songs aus den Musicals von Eric Woolfson. Hörenswert!


Vermutlich würde es diese CD nicht geben, wenn vor gut zwanzig Jahren mit “Freudiana” einiges anders gelaufen wäre. Das Musical über die Psychoanalyse Sigmund Freuds stand kurz davor, den Sprung über den großen Teich anzutreten, als sich plötzlich Komponist Eric Woolfson und Koproduzent Brian Brolly unversöhnbar über die Finanzen in die Haare kriegten. Peter Weck, seinerzeit Intendant der Vereinigten Bühnen Wien und Regisseur des Stückes, kann von dieser vertanen Chance heute noch ein Lied singen, wie unlängst in seiner Biografie “War’s das?” nochmals eindrücklich geschehen. Bis zum viel zu frühen Tod Woolfsons Ende 2009 gehörte es seitdem zu dessen Schicksal, sich im deutschsprachigen Raum mit Regisseuren herumärgern zu müssen, die mehr oder weniger frei mit seinen Stücken umgingen – furioser Höhepunkt war die Auseinandersetzung um seine Herzensangelegenheit “Poe”, die rund um die Produktion an der Oper Halle einige Anwälte beschäftigte. Den Broadway oder das West End indes haben seine Werke jedoch nie gesehen.

Was ein Jammer ist, wie diese Visitenkarte des Musicalschaffens von Eric Woolfson erneut beweist, denn er komponierte fünf Werke, die geradezu verschwenderisch mit ausgezeichneten Melodien ausgestattet sind. Um sie erneut für eine Aufführung an den relevanten Bühnen New Yorks oder Londons zu empfehlen, sangen nun etliche namhafte Musicaldarsteller einige Songs hieraus auf Grundlage der bereits vorhandenen Tonspuren neu ein. Unter den Interpreten findet sich etwa auch Louise Dearman, die mit ihren beiden Engagements in der Londoner “Wicked”-Produktion als erste Darstellerin überhaupt sowohl die Elphaba als auch die Glinda als Erstbesetzung verkörperte. Auf dieser Einspielung ist sie zusammen mit Tim Howar (“Rock of Ages”) mit dem von seiner zeitlosen Schönheit getragenen Song “Parca Güell” sowie mit einer dramatisch-packenden Version von “Too late” zu hören (beide aus “Gaudí”). Ebenfalls vertreten: Pia Douwes – mit großer Stimme und sicherem Gespür für die Songs interpretiert sie „Tiny star” aus “Poe” und die “Gambler”-Ballade “Far away”.

Wer die bereits veröffentlichten Cast-Aufnahmen kennt, wird auf dieser Einspielung in Sachen Neuinterpretation nicht viel Neues entdecken. Einzig Sharon D. Clarke, die Original-Killer-Queen vom West End, weiß in dieser Hinsicht markante Punkte zu setzen: Ungewohnt rau und gleichsam eindringlich präsentiert sie mit großer Gestaltungslust “Halfway” aus dem Musical “Gambler”, während sie für “Forbidden fruit” aus “Gaudí” eine rockige und kraftvolle Version dazuzusteuert. Größter Kaufanreiz für Woolfson-Liebhaber dürften jedoch die Songs aus “Dancing Shadows” sein, im Jahr 2007 von Regisseur Paul Garrington (zuletzt “Mamma Mia!” in Stuttgart) erfolgreich in Seoul auf die Bühne gebracht, da nun erstmals Songs hieraus auf CD veröffentlicht werden (sieht man einmal von den beiden im Stil des Alan Parsons Projects produzierten Songs “I can see round corners” und “Along the road together” ab, die sich auf der CD “The Alan Parsons Project that never was” befinden). Jacqui Dankworth, die auch in der “Les Misérables”-Verfilmung zu sehen war, präsentiert hieraus mit “What kind of world” einen dunkel-poetischen Folk-Song, der mit seiner zurückgenommenen Melodie ungemein anrührend ist.

Ein Interpret darf auf einer neuen Woolfson-CD natürlich nicht fehlen: Steve Balsamo, kongenialer Partner von Woolfson während des “Edgar Allan Poe”-Projekts, bei dem er die Titelrolle innehatte. Hier ist er im Duett mit Anna-Jane Casey zu hören, die ebenfalls bei der Weltpremiere von “Poe” in den Londoner Abbey Road Studios mitwirkte. “If I could write the book of life again” heißt ihr Song aus “Dancing Shadows” – eine hübsche Ballade voller unaufgeregter Gelassenheit. Einzig “Freudiana” ist auf dieser Zusammenstellung nicht zu finden – so lange können Rechtestreitigkeiten also nachwirken, wenn sich Geschichte im Nachhinein nicht neu schreiben lässt. Aber auch so vermag diese Auswahl an Songs in musikalischer Hinsicht weitaus stärker zu strahlen als viele der heute aktuell gespielten Stücke – für Fans von Eric Woolfson ein Muss, für alle anderen ein schöner Einstieg in seine fabelhafte Musik.

Overlay