Nicht nur eine sondern gleich zwei CDs umfasst Chris Murrays zweites Musical-Solo-Album – ein abwechslungsreiches und gelungenes Mammutprojekt.
Oft bleibt auf einer Solo-CD gerade genug Platz, um sich einmal quer durch die üblichen Standard-Hits zu hangeln. Dank seines mit insgesamt 42 Titeln beträchtlichen Umfangs bietet Chris Murrays zweites Musical-Solo-Album einen kunterbunten Streifzug quer durch die Musical-Landschaft, bei dem neben Klassikern auch eher unbekannte Stücke und selten auf CD vertretene Songs zu hören sind.
Sei es “Am Anfang war das Wort” aus “Die Erschaffung der Welt”, “Heut’ Nacht” aus “Der fliegende Holländer” oder auch die Songs aus “Friedrich, Mythos und Tragödie” und “Elisabeth, die Legende einer Heiligen” – Murray beweist bei der Titelauswahl ein Händchen dafür, eingängige Lieder zu finden, die Lust darauf machen, unbekannte Stücke kennenzulernen. Zwischendurch dürfen auch die Standards nicht fehlen, denn so ganz ohne “Superstar”, “Musik der Nacht” & Co. geht es dann doch nicht. Aber auch bei den bekannten Musicals greift Murray immer wieder zu Songs, mit denen der Hörer noch nicht übersättigt ist, etwa “Dulcinea” aus “Der Mann von La Mancha”, “Durch das Dunkel der Welt” aus “Aida” oder dem extra für den “Les Misérables”-Film neu geschriebenen “Suddenly”.
Viele der Stücke, mit denen er sich auf “Musical Times hoch 5” präsentiert, stammen direkt aus Murrays darstellerischem Repertoire. Seine oft langjährige Bühnenerfahrung in den jeweiligen Rollen ist auch auf der CD deutlich hörbar: So arbeitet er etwa Judas’ Zynismus, Draculas Einsamkeit, Javerts Verbissenheit oder Radames’ Liebe zu Aida wunderbar klar und intensiv heraus und stellt damit einmal mehr seine Vielseitigkeit unter Beweis. Stimmlich sind es vor allem die kraftvollen Lieder, mit denen er besonders auftrumpfen kann und wo sein klangvoller Tenor am besten zum Tragen kommt, aber auch die leisen, sanften Töne und die etwas poppigeren Titel beherrscht Murray und macht sie sich zu eigen. Ein besonderes Highlight des Albums – sowohl musikalisch als auch interpretatorisch – ist “Der doppelte Schwur” aus “Les Misérables” in einer Einspielung, bei der er sowohl Javerts als auch Valjeans Parts singt.
Auffallend ist, dass die Mehrzahl der Lieder auf Deutsch vorgetragen wird – was einerseits daran liegt, das viele der Titel aus deutschsprachigen Musicals stammen. Andererseits hat sich Murray aber auch bei vielen ursprünglich englischen Titeln für die deutsche Übersetzung entschieden, was meistens positiv auffällt, wenn auch nicht immer. Den “unmöglichen Traum” aus dem “Mann von La Mancha” auf einer CD auf Deutsch zu hören, ist ungewohnt, aber rundum stimmig. Bei “Arm ist das Kind” aus “Chess” hingegen kann selbst die intensive, emotionale Interpretation nicht die holprigen deutschen Lyrics vergessen lassen.
Das Doppel-Album ist allgemein recht balladenlastig, doch rockigere Titel wie “Superstar” und “Macht” (aus “Der Ring”) sowie Swing-Nummern wie die herrlich wortwitzigen Songs aus “Die Erschaffung der Welt” sorgen immer wieder für Abwechslung. Auch die instrumentalen Arrangements können sich durchweg hören lassen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hierbei die “Dracula”-Titel, die dank der Kombination aus Philipp Polzins klangvollen Neuarrangements und Murrays stimmstarker Interpretation zu den Höhepunkten des Albums gehören.
Alles in allem ist “Musical Times hoch 5” ein überaus gelungenes Solo-Projekt, das auch mit stattlichen 160 Minuten Spielzeit so kurzweilig und abwechslungsreich ist, dass man es gerne in einem Stück anhört und die Pause-Taste zwischendurch nur mit Widerwillen drückt.