Reflection
Kevin Tarte / 2014

Sechs Jahre nach Erscheinen seiner Maxi-Single “Jump” hat Kevin Tarte sein Solo-Album “Reflection” herausgebracht. Das lange Warten hat sich gelohnt: Die CD lässt mit dem satten Sound eines fünfzig-köpfigen Live-Orchesters, einer außergewöhnlichen Tracklist, hochkarätigen Gaststars, maßgeschneiderten Arrangements und Tartes individuellen Interpretationen keine Wünsche offen.


Wenn Musicaldarsteller CDs herausbringen, läuft es verdammt oft auf die selbe Formel hinaus: Zehn bis fünfzehn Standardsongs des Genres – inklusive der Repertoire-Stücke der eigenen Bühnen-Erfolge – aufgenommen zum Playback des Computer-Sounds und möglichst schnell auf den Markt geschmissen. Wer das erwartet, sollte um “Reflection” einen weiten Bogen machen. Liebhaber guter, handgemachter Musik werden an dem Werk jedoch sicher ihre helle Freude haben.

Kevin Tartes erste Solo-CD bietet eine ausgewogene Mischung aus Filmmusik, epischen Balladen, Jazz-Standards und Klassikern großer amerikanischer Songwriter. Von den vierzehn sorgfältig ausgewählten Titeln tangieren lediglich drei den Bereich des Musicals. Schon die ersten Klänge des Openers “Indian Summer” sind Balsam auf der Seele von Freunden fulminanten Orchester-Sounds und interessanter Arrangements. Diese können sich auch während der dreizehn folgenden Titel im siebten Himmel wägen.

“Reflection” zu hören gleicht einer emotionalen, abwechslungsreichen Reise. Es geht vorbei an Rodgers & Hammersteins’ “If I loved you” (aus “Carousel”) und “Bali Ha`i” (aus “South Pacific”) über Jazz-Standards wie “How Do You Keep The Music Playing” oder “I Wish You Love” zu moderneren Pop-Songs wie “The Prayer” (ansprechendes Duett mit Pia Douwes) und “Dein Lied”. Laith Al-Deens bekannter Hit ist nicht nur der einzige deutschsprachige Song des Albums, sondern auch der, den man vielleicht am wenigsten von Tarte erwartet hätte. Klar intoniert und mit viel Gefühl und hervorragendem Pop-Ansatz gesungen, gelingt es ihm, sich die soulige Nummer zu eigen zu machen. Dasselbe gilt für seine Interpretationen von “True Colors” und John Miles’ legendären Klassiker “Music”. Natürlich tragen auch die interessanten, passgenau auf ihn zugeschnittenen Arrangements dazu bei, dass man Vergleiche zu anderen Versionen dieser Titel gar nicht erst zieht, sondern sie vielmehr gleich als eigenständige Fassungen akzeptiert.

Eine Stippvisite zu einem der populärsten Musicals unserer Zeit erfolgt mit dem Duett “As Long As You’re Mine” (aus “Wicked”), für das der Künstler niemand geringeren als Willemijn Verkaik gewinnen konnte. Last but not least darf auch ein ausgedehnter Abstecher in die Welt des Films auf unser Reise nicht fehlen. Mit “Mi Mancherai” und “Nella Fantasia” nimmt sich der gebürtige Amerikaner zwei italienischsprachiger Filmsongs an, bei denen seine klassisch ausgebildete Stimme wunderbar zum Tragen kommt. Blockbuster-Fans können sich zudem über zwei große Balladen freuen: “Remember” stammt aus “Troja” und wurde mit einigen gruseligen, die Stimmung des Songs unterstreichenden Effekten ausgestattet. “Into The West” ist der Titelsong des dritten “Herr der Ringe”-Streifens “Die Rückkehr des Königs” und in Tartes Version gleichermaßen hörenswert wie Gänsehaut-erregend – zweifelsohne ein absolutes Highlight des Albums.

“Reflection” berührt, überrascht und begeistert. Die Songauswahl ist mutig, abwechslungsreich und von einem unleugbaren Hang zu den großen Klassikern verschiedener Genres geprägt. Man hört dem Album an, wie viel Aufwand und Herzblut darin steckt. Am Besten sollte man sich aber selbst ein Urteil bilden. Es lohnt sich: Mit “Reflection” setzt Kevin Tarte neue Maßstäbe.

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