Ein durchweg überzeugender und opulenter Soundtrack zu einer der gelungensten Musicalverfilmungen seit langer, langer Zeit.
Seien wir ehrlich: Man kann es drehen und wenden wie man will und man braucht es auch nicht, wie schon so häufig geschehen, schönzureden. Filmadaptionen von Bühnenmusicals mit singenden Schauspielern, die sich mehr schlecht als recht durch ihre Songs quälen, braucht kein Mensch. So opulent können die Soundtracks, die im Vergleich zu den Bühnenfassungen zumeist mit erheblich mehr Orchestermusikern eingespielt werden, gar nicht sein, um die leider oft offenkundigen gesanglichen Defizite so zu kompensieren, dass man derlei Einspielungen tatsächlich mit Lust zu hören vermag. Dass es jedoch auch anders geht, beweist die Musik zur Leinwandadaption des Sondheim-Meisterwerkes “Into the Woods” – ein seltener Glücksfall.
Das exzellente Ensemble weiß sich nämlich gesanglich in solch überzeugender Selbstverständlichkeit auszudrücken, dass es eine wahre Freude ist und man gar nicht glauben mag, dass hier Darsteller nicht ihrer Hauptprofession nachgehen. Dies gilt auch für Meryl Streep, die in der “Mamma Mia!”-Verfilmung noch eine gesanglich arg brüchige Donna gab. Hier überrascht sie als Hexe mit einer äußerst versierten und makellosen Gesangsleistung, obwohl sie für diese Filmadaption doch in eine Rolle geschlüpft ist, die etwa maßgeblich von einer Bernadette Peters geprägt worden ist. Songs wie “Last Midnight” meistert sie mit sicherer und fester Stimme, den “Witch’s Rap” aus dem Prolog präsentiert sie mit feiner Taktung und ausbalancierter Dynamik und der Kernsong der Hexe “Stay with me” gerät in ihrer Interpretation zu einem Höhepunkt, was Ausdruck und Dramatik anbetrifft.
Die größte Überraschung ist jedoch Emily Blunt, die als Baker’s Wife geradezu fantastisch ist – die strahlende Präsenz, die sie im Film innehat, scheint auch im Soundtrack durch. So überzeugt sie etwa mit einer anrührend-charmanten Interpretation von “Moments in the Woods” oder im Duett mit dem gleichfalls vorzüglichen James Corden als Baker. Gemeinsam präsentieren sie den Song “It takes two” mit entwaffnend frischer Leichtigkeit. Anna Kendrick bringt zwar nicht den für diese Rolle typischen klassischen Sopran mit, weiß aber mit äußerst detailscharfen Interpretationen eine trotzdem wunderbare Cinderella in völlig neuer Typausprägung fernab jeglichen Märchenklischees zu formen. Dass die vor allem durch ihre Filmarbeiten bekannt gewordene Darstellerin schon über eine gehörige Portion von Broadway-Erfahrung verfügt und eine großartige Sängerin ist, hört man dem Song “On the Steps of the Palace” an, den sie auch in den anspruchsvollsten Passagen souverän meistert – auf die Filmadaption von „The Last Five Years” mit ihr darf man sich freuen.
Während Johnny Depp, eigentlich die einzige Enttäuschung in der Darstellerriege, mit “Hello, Little Girl” einen eher belang- und substanzlosen Wolf präsentiert, überzeugt hingegen Lilla Crawford als resolut-freche Little Red Riding Hood mit einer veritablen Interpretation von “I know Things Now” ebenso wie Daniel Huttlestone als naiv-gutmütiger Jack mit “Giants in the Sky”. Einen komödiantischen Höhepunkt liefern Chris Pine und Billy Magnussen als vor Selbstzufriedenheit strotzende Prinzen mit dem Song “Agony”, bei dem sie sich einen blasierten Wettstreit darüber liefern, wer von ihnen unter dem größeren Liebesschmerz leidet.
Leider fehlen im Film und somit auch auf diesem Soundtrack die hinreißend witzige “Agony”-Reprise und auch sonst vieles aus der zweiten Hälfte des Stückes. Die vielen Striche und massiven Änderungen am Material des zweiten Aktes rütteln zwar kräftig an der komplexen Gesamtkonstruktion des Werkes, bringen diese jedoch nicht zum Einsturz, was letztlich auch daran liegt, dass es Komponist und Textdichter Stephen Sondheim und Autor James Lapine selbst waren, die für die Leinwandadaption Hand angelegt haben. Auch wenn der ein oder andere Song fehlt, so hinterlässt neben den hervorragenden Darstellerleistungen natürlich Sondheims brillante Musik den nachhaltigsten Eindruck. Diese wurde für die Filmfassung mit großem Orchester und ungemein reichen Arrangements eingespielt, die mit viel Liebe zum Detail neue spannungsgeladene Schwerpunkte setzen und feine Nuancen herausarbeiten – selten hat es so viel Sinn gemacht, sich den Soundtrack zu einer Musicalverfilmung zuzulegen.