Das im Aachener Grenzlandtheater uraufgeführte Comedy-Musical im Jukebox-Stil mit bekannten Schnulzen und Schlagern, inklusive eines Potpourris aus Hape Kerkeling-Songs und -Zitaten, gastiert im Kammertheater Karlsruhe. Vorlage ist die gleichnamige TV-Komödie von 1995 mit Kerkeling selbst sowie Angelika Milster in den Hauptrollen. Wer Hapes Filme kennt, wird auch von der Bühnenfassung in seinen Erwartungen nicht enttäuscht: Der typische Humor mit chaotischen Situationen und schrägen Charakteren kitzelt die Lachmuskeln und ist im besten Sinne ‘trashig’.
Die Handlung ist einfach zusammengefasst: Der Club Las Piranjas irgendwo im Nirgendwo lockt mit verführerischen Werbespots ahnungslose deutsche Touristen an und entpuppt sich als Urlaubshölle. Die Animateure Biggi und Edwin foltern die Reisegäste mit Zwangsarbeit, die als sinnbefreite Partyspiele getarnt ist, reißen sie zu nahezu kriminellen Uhrzeiten aus dem Bett und zwingen ihnen in regelmäßigen Abständen obskure Abendfeten auf. Überwacht wird das Inferno von der stets betrunkenen Hoteldirektorin Doktor Renate Wenger, die eine Liebelei mit Edwin hat – in den wiederum Biggi verknallt ist. Auch zwischen den Reisegästen, die aus deutschen Touri-Stereotypen bestehen, knistert und brodelt es. Karlheinz und Hildegard aus der Ruhrpott-Arbeiterschicht, die sächselnde Sexbombe Margot, der unterbelichtete Fresssack Kurt und die leicht hyperaktive Kasselerin Herta, die zugleich Biggis größter Fan ist, geben sich ein Stelldichein. Zusammen versuchen sie, aus dem Urlaubsgefängnis zu entkommen.
Gespickt ist diese hektisch-komische, zum Teil vulgäre und rundum alberne Handlung mit zahlreichen Schlagern wie Nana Mouskouris “Weiße Rosen aus Athen” und “Guten Morgen Sonnenschein”, Udo Jürgens‘’ “Griechischer Wein”, “Lass die Sonne in dein Herz” von der Schlagertruppe Wind oder dem Roland Kaiser-Hit “Dich zu lieben”. Auch zahlreiche Hape Kerkeling-Songs, nämlich jene seines Alter-Egos Uschi Blum, finden Eingang in das Stück und werden zur allgemeinen Unterhaltung von Animateurin Biggi vorgetragen – da dürfen “Sklavin der Liebe”, der “Mittsommerblues” und “Ich denke nur noch an mich” nicht fehlen. Auch Lieder aus dem Spielfilm, wie das allmorgendliche “Begrüßungslied” oder die Disney-Ballade “In meiner Welt” von Aladdin finden ihren Platz im Stück. Die bekanntesten von Kerkelings Paraderollen haben kurze Cameo-Auftritte: Hannilein, Königin Beatrix, Evje van Dampen, Siggi Schwäbli, Uschi Blum und natürlich Horst Schlämmer. Eine wirklich kuriose Mischung, die nur auf eines Abzielt: Quatsch, Klamauk und Lacher. Und das gelingt!
Das Bühnenbild und die Choreographien passen genauso zum Thema des Stückes wie die Musik: In den ulkigsten Tänzen und Bewegungsabläufen wird slapstickartig durch die Pappaufsteller-Kulissen des Hotels gehüpft. Die Panels werden kreuz und quer über die Bühne gezerrt, gedreht, kombiniert und umgeworfen, um sämtliche Räumlichkeiten und Areale des Hotelgeländes zu präsentieren: Gästezimmer, Speisesaal, Bar, Rezeption, Poolbereich, Balkon, Korridore und Partykeller entstehen und verschwinden mit einfachsten Mitteln. Die einzige feste Installation steht in der Mitte der Bühne und wird umrahmt von quietschbunten LED-Lichterketten und dem leuchtenden “Club Las Piranjas” Schriftzug: Sie fungiert als Tresen für Rezeption und Bar, wird mit einem Handgriff zur Bühne für die Reiseleiter, kann aber auch geöffnet werden und mimt dann den Swimmingpool. Das Kulissenkonzept geht so voll auf und muss in dem Kontext des Stücks auch nicht hochwertig oder komplex sein.
Auch das Drumherum fügt sich mit viel Liebe zum Detail in das Gesamtbild ein: Das Foyer ist wie eine Strandbar dekoriert, das Theaterpersonal ist wie eine Mannschaft von Flugbegleiter*innen kostümiert und wünscht beim Betreten des Auditoriums einen “Schönen Urlaub” und die beiden im Zentrum stehenden Figuren adressieren das Publikum laufend als Teil der Show, nämlich als die “gelbe Piranja-Gruppe”, während die schauspielernden Klischee-Touristen in die “blaue Piranja-Gruppe” eingeteilt werden. So sind die Zuschauer in die überenergetische Morgenroutine eingebunden und müssen mitsingen. Einige werden, ganz in Hape Kerkeling-Stil, in Sketche eingebunden, von den Reiseleitern mit Sekt versorgt, zu einer Polonaise überredet oder gezwungen, ihren Namen leiernd singend vorzutragen. Die Darsteller wandern laufend über den Zuschauerraum ab oder erscheinen plötzlich in der einen oder anderen Sitzreihe oder “schwimmen” durch das Meer des Auditoriums. Als Zuschauer Quasi zum Teil der Handlung zu werden macht vielleicht nicht jedem Spaß, aber wenn man als Kerkeling-Fan dieses Musical besucht, wird man auf seine Kosten kommen.
Die Besetzung ist schier grandios und spielt die komplett überzogenen Figuren mit großem komödiantischen Gefühl – das Ensemble ist durchweg solide, wobei drei Cast-Mitglieder herausstechen: William Danne, der als Edwin im Grunde in Kerkelings Filmrolle schlüpft, schafft es ein “Hape-Gefühl” zu erwecken, ohne seine eigene urkomische Art dabei zu überspielen. Ob im knappen, schrittbetonten Badehöschen, in der griechischen Toga oder als persischer, Aladdin-singender Sultan: Stets ist Danne der große Entertainer und Träger der Show. Jessica Kessler als Biggi fällt mit ihrer quirligen Art und ihrer beeindruckenden, für die Lieder eigentlich viel zu guten Gesangsstimme auf. Ihr Zusammenspiel mit Danne als Edwin ist zum Schreien komisch. Ihre Biggi ist die klischeehafteste Reiseleiterin, die man sich vorstellen kann. Den Vogel schießt allerdings Michaela Hanser als Dr. Renate Wenger ab: Den Spagat zwischen der herrischen, überartikulierten Misanthropin und der komplett in Alkoholexzessen eskalierten Schnapsdrossel vollführt diese großartige Schauspielerin mit Leichtigkeit und einem komödiantischen Timing, das seines Gleichen sucht.
Auch wenn das Musical musikalisch eher auf der schwächeren Seite angesiedelt ist und auch ohne Live-Band auskommen muss, lebt das Stück von dem ulkig-klamaukigen Schauspiel und den wunderbar überzeichneten Figuren sowie dem Showkonzept als solchem. Empfehlenswert vor allem für Fans von Hape Kerkelings Oeuvre.
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