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Autor Peter Lund hat seinen Musical-Studenten ein bitterböses Stück auf den Leib geschrieben, in dem sie mit ihren eigenen Karriere-Perspektiven konfrontiert werden. Ein toller Cast vertreibt sich dabei selbst aus dem erträumten Musical-Paradies.
Die Verträge der an ein Provinztheater in Süddeutschland gastverpflichteten Darsteller geben es her: Acht unvergütete Promo-Auftritte auf einer Elektroauto-Messe werden zusätzlich angesetzt, 17 der ursprünglich geplanten Musical-Vorstellungen werden hingegen ersatzlos gestrichen. Im Ensemble machen sich wirtschaftliche Existenzängste breit, da niemand nur von Applaus und dem Einatmen von Bühnenluft leben kann.
Mit dem für seine Musical-/Show-Studenten geschriebenen Musical “Paradise Lost” stößt Autor und Regisseur Peter Lund sie in die Untiefen ihrer beruflichen Zukunft. Selbstzweifel, der dauerhafte Kampf um Engagements, damit einhergehende finanzielle Sorgen, Missgunst und Intrigen unter Kollegen drohen ebenso, wie das Zerplatzen der eigener Karriere-Träume durch zum Beispiel eine ungeplante Schwangerschaft. Wie viel eigene Erfahrungen und Erlebnisse der letzten 25 Jahre Studenten-Ausbildung hat Lund hier wohl einfließen lassen? Immerhin wird mit diesem Stück das Silberjubiläum der Kooperation zwischen der Universität der Künste (UdK) und der Neuköllner Oper gefeiert, aus der bis jetzt zwanzig Musicals hervorgegangen sind.
Peter Lund wäre jedoch nicht Peter Lund, wenn er nicht auch in seinem neuesten Musical-Streich den bissig-bitteren Plot wieder mit einer Meta-Ebene verknüpfen würde. Dieses Mal zeigt er die Parallelen zwischen dem Theateralltag und dem Alten Testament auf. So proben die sieben Darsteller Szenen vom Sündenfall Adams und Evas, der Rivalität Kains und Abels oder der Rettung der Ägypter durch Moses. Nicht nur der Tanz um das Goldene Kalb ist zeitgemäßer denn je, auch die Frauenfiguren Judith und Esther finden in der jungen Darstellerin Maja ein neuzeitliches Pendant. Ob sie der Verlockung, die weibliche Hauptrolle durch den Besuch des Königs im Zelt – beziehungsweise auf der Besetzungscouch des Regisseurs zu ergattern -, schlussendlich widersteht, deutet Lund nur vage an. Eines wird jedoch ganz deutlich: Regisseure sind keine Götter, auch wenn sie wie in diesem Stück als glorifizierter Boss “Er” erwähnt werden und nur als eingespielte “Stimme von oben” (Matthias Noack) in Erscheinung treten. Ein bissiger Seitenhieb Lunds auf die eigene Zunft.
Für Lunds aufs Tempo setzende, flotte Inszenierung vom Darsteller-Blues im tristen Hotel und den Szenen auf und hinter der Provinztheaterbühne hat Ulrike Reinhard eine nach vorn leicht abgeschrägte, runde Spielfläche entworfen. Umrahmt wird sie von schäbig wirkenden Holzwänden, die die Illusion verleihen, von einer Theaterbühne aus in den Zuschauerraum zu blicken. Die am hinteren Abschluss postierte, munter aufspielende, achtköpfige Band unter der Leitung von Markus Syperek (alternierend: Tobias Bartholmess) wirkt, als säße sie in einem Orchestergraben vor der sich anschließenden ersten Zuschauerreihe. Wenige wechselnde Versatzstücke in dem kahlen Raum schaffen Atmosphäre und ermöglichen einen schnellen Szenenwechsel. Als Kostümbildnerin setzt Ulrike Reinhard auf aktuelle Alltags- und Probenbekleidung, für die Theaterszenen aber auch auf skurrile Entwürfe wie für die geflügelten Fantasie-Wesen im Garten Eden.
Auch wenn der aktuelle UdK-Absolventen-Jahrgang unter Pandemie-Beschränkungen studieren musste, ist das, was hier zu sehen und zu hören ist, um so beachtlicher. Das gilt besonders für die tänzerischen Fähigkeiten. Choreograf Bart De Clercq kitzelt aus dem jungen Cast mit den unterschiedlichsten Stilen von klassischem Ballett über Show-Tanz bis Akrobatik-Elementen Höchstleistungen in Ausdruck und Präzision heraus.
Auf der Bühne tobt eine angenehm homogene Truppe durch das vermeintliche Theater-Paradies. Stimmlich sticht Tobias Blinzler als Adam mit seinem markigen, tiefen Bariton hervor. In Punkto Bühnenpräsenz haben Mirjam Wershofen als frech-frivole Judith und Adam Demetz als langmähniger Rocker Jonas die Nase vorn. Gemeinsam mit Steffen Gerstle in der etwas undankbaren Hosenrolle der gutherzigen Garderobiere darf Demetz den schmissig-witzigen Showstopper “Hör auf die 1” zum Besten geben. Das ist nicht die einzige musikalische Reminiszenz von Komponist Thomas Zaufke an das thematisch recht ähnlich gelagerte Musical “A Chorus Line”. Auch der als Zugabe gegebene Song “Die Kunst ist meine wahre große Liebe” erinnert daran. Ansonsten liefert Zaufke wie gewohnt eine abwechslungsreiche Partitur, die vom Gospel über klassischen Broadway-Sound bis hin zur gefühlvollen Ballade reicht.
“Am Anfang ist immer das Nichts” – mit diesem fast schon philosophisch anmutenden Song beginnt und endet das Musical. Die über der Szenerie einsam baumelnde Glühbirne wird wieder aus dem Gewinde geschraubt, das Licht erlischt und auch am Ende ist wieder das Nichts. Dennoch nimmt der Zuschauer viel mit nach Hause: Auch wenn das Leben auf der Bühne paradiesisch wirkt, muss es dahinter noch lange nicht so sein.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung, Text | Peter Lund |
Komposition | Thomas Zaufke |
Musikalische Leitung | Markus Syperek Tobias Bartholmeß |
Choreografie | Bart de Clercq |
Ausstattung | Ulrike Reinhard |
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CAST (AKTUELL) |
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Adam | Tobias Blinzler |
Schlange | Steffen Gerstle |
Jonas | Adam Demetz |
Kai | Timothy Leistikow |
Lilli | Annika Steinkamp |
Peedy | Paul Fruh |
Alex | Manuel Nobis |
Judith | Mirjam Wershofen |
Eva | Lisa Maria Hörl |
Maja | Isabella Seliger |
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GALERIE |
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TERMINE |
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