Das Kammermusical über ein sich voneinander scheidendes Künstlerehepaar und ihre jeweilige Beziehung zu ihrer Kunst avanciert in Oldenburg zum idealen Corona-Stück: vorlagegemäß wenige Darsteller, viel Abstand, kaum gemeinsame Szenen auf der Bühne. Lediglich eine Plexiglaswand erinnert an die Pandemie. Trotz aller Erwartbarkeit bringen die beiden Darsteller ihre Rollen liebenswürdig und einfühlsam auf die Bühne. Besonders die stillen Momente lassen tief in ihr Innenleben blicken. Das Geschehen wird stets von maskentragenden schwarzen Wesen begleitet, die ein wenig Schwung in die Inszenierung bringen.
Zugegeben, das Stück verlangt Neulingen einiges ab: Während Schauspielerin Cathy die Bühne niedergeschlagen am Ende ihrer Ehe betritt, beginnt ihr Ex-Ehemann und Autor Jamie sein erstes Lied mit der ersten Verliebtheit fünf Jahre zuvor. Abwechselnd berichten sie singend von der Geschichte ihrer gescheiterten Ehe – er chronologisch und sie rückwärts. Damit niemand im Publikum den Überblick zwischen all den Zeitsprüngen verliert, sorgt das Oldenburgische Staatstheater für Übertitel in seinem Kleinen Haus.
Auch die Darsteller sind eine gelungene Wahl. Sophia Gorgi und KS Paul Brady ringen als Cathy und Jamie nicht nur mit ihrer Ehe, sondern auch mit ihrem eigenen Künstlerego. Sophia Gorgi macht sich als zu Drama neigende, erfolglose Schauspielerin in den lauten Tönen Luft. Paul Brady, akustisch manchmal leider schwer zu verstehen, überzeugt dagegen als bescheidener Autor, dem sein Ruhm viel zu schnell geht, in den ganz stillen Momenten. Dass sich die beiden Figuren kaum auf der Bühne begegnen, ergibt Sinn, erzählen sie doch sowieso beide ihre ganz eigene Geschichte. Lediglich im Finale und in der angedeuteten Heirat zur Mitte des Stücks treffen sie aufeinander und drehen sich tanzend umeinander, zwischen ihnen eine Plexiglas-Trennwand auf Rädern.
Zu den beiden Protagonisten gesellen sich in der Inszenierung von Mathilda Kochan drei Statisten. Sie tragen simple, schwarze Kleidung und unbemalte weiße Masken über das ganze Gesicht. Ihre Bewegungen sind rhythmisch und fantasievoll. Es wird deutlich, dass sie nicht von dieser Welt stammen. Sie scheinen jedoch keine bösen Absichten für die Protagonisten zu hegen. Diese schelmischen Maskenwesen – “Schicksalsgottheiten”, wie das Programmheft verrät – lenken das Geschehen, reichen auch mal eine Flasche Whisky oder schieben ein kleines Element, das an ein Boot erinnert, mühevoll im Kniegang über die Bühne.
Das statische Bühnenbild von Mathilda Kochan besteht aus einem Podest, auf welchem die satt klingende sechsköpfige Band des Oldenburgischen Staatstheaters unter Leitung von Felix Pätzold einquartiert wurde. Die Wände des Podests sind mit Graffiti-beschmierten Backsteinen versehen worden inklusive eines großen Graffitiherzes, das in zwei Teile gerissen wurde und so die Buchstaben C und J entzweit. Daneben steht eine große Straßenlaterne, über der es sogar einmal zu schneien beginnt. Die sich rhythmisch bewegenden Schicksalsgottheiten schieben und drehen die benötigten mobilen Elemente, allesamt mit Rollen versehen, auf und von der Bühne. Neben allerlei Sitzmöglichkeiten mischt sich auch ein riesiger Weihnachtsbaum darunter. Zu diesem insgesamt eher simpel gehaltenen Bühnenbild gesellt sich eine von einem Hebeelement heraufgefahrene, fast schon symbolische Plexiglasscheibe für die zwei einzigen beiden gemeinsamen Szenen – der Hochzeit und dem Finale.
Diese beiden gemeinsamen Szenen sind es, in denen man sich fragt: Warum sehen die beiden Figuren nicht schon viel früher in ihrer fünfjährigen Beziehung, dass sie gar nicht so gut zusammenpassen, wie sie glauben? Verdrängt Cathy zu lange ihren Unmut darüber, als Hausfrau zuhause festzustecken, während ihr Mann Karriere macht, oder erkennt sie die Misere ihrer Beziehung einfach nicht? Ist Jamie von seinem Verlag so vereinnahmt, dass er keine Zeit hat, sich mit seinen privaten Problemen auseinanderzusetzen oder gefällt ihm seine Rolle als umschwärmter Starautor einfach zu gut? Dem Oldenburgischen Staatstheater gelingt es, diese psychologische Komplexität aus Ehrgeiz und Liebe aufzuzeigen und gleichzeitig unbeantwortet zu lassen.
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