© Emília Horpácsi
© Emília Horpácsi

Rock of Ages (2022)
Schlossfestspiele, Zwingenberg/Neckar

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

“Lehnt euch zurück und genießt, wie wir euch den Gehörgang spalten!” Das ist die vollmundige Ankündigung vor Beginn des 1. Aktes, die per Lautsprecher über den Innenhof des Zwingenberger Schlosses auf einer malerischen Anhöhe oberhalb des Neckars hallt. So ganz passt dieses rockig-sündige Thema der 80er Jahre nicht in die romantische Umgebung am Rande des Odenwalds – und wie sich herausstellt, nimmt das mit dem “Gehörgang spalten” letztendlich auch kein allzu positives Ende.

In dem ursprünglich für kleine Rock-Bars konzipierten Jukebox-Musical von 2005 geht es um den Drang nach Exzess, Freiheit und Liebe in einer sich verändernden Welt. Ein berühmter Club auf dem Sunset Strip soll von einem deutschen Baumogul (natürlich aus dem Odenwald) abgerissen und damit einer Ära ein Ende gesetzt werden. Ein Mitarbeiter der Spelunke verliebt sich in eine junge Schönheit vom Lande, die mit Träumen von Schauspielerei nach Hollywood kommt. Trotz des Aufbegehrens von Clubbesitzer und einer Gruppe Rebellen wird die Schließung forciert. Mit einem Knall – dem Abschiedskonzert der Rock-Größe Stacee Jaxx, verabschiedet sich nicht nur die Bar, sondern auch das junge Liebespaar voneinander – jedenfalls vorerst. Sie wird Poledancer; er wird Boyband-Sänger. Beide sind unglücklich in ihren neuen Berufen und legen ihre vorigen Differenzen letztendlich beiseite, um wieder zusammen zu kommen. Auch der Club wird durch Proteste und das Einwirken des Sohnes vom deutschen Baumogul wieder eröffnet.

Regisseur Michael Gaedt inszeniert “Rock of Ages” mit einer großen Portion Selbstironie und setzt einen charismatischen Sascha Krebs als Showman ein – dies kommt dem Stück sehr zugute. Mit einigen witzig-originellen Einfällen gelingt es Gaedt, das Publikum bei Laune zu halten. So lässt er den Rockstar Jaxx in einem vermutlich von einem Kinderkarussell abmontierten Mini-Helikopter auf einem rasch ausgerollten roten Teppich seinen großen Auftritt feiern, das wilde Techtelmechtel von Jaxx und Sherrie auf der Toilette mit Klopapier-Kanonen aufpeppen und zwei gestandene Rocker ein sentimentales Duett auf glitzernden Segways bestreiten. Durch zähe Dialoge und teilweise zusammenhanglos aneinandergereihte Songs entstehen einige Längen, die Gaedts Inszenierung trotz allem nicht überspielen kann.

Das Bühnenbild ahmt mit peppigen Graffiti die Front von Rock-Spelunken der 80er nach und wirkt stimmig, allerdings in starkem Kontrast mit den gänzlich undekorierten umgebenden Burggemäuern, sodass der Zuschauer das Gefühl nicht loswird, dass es nicht so ganz zusammen passt. Die Kostüme und Frisuren der Darsteller passen dahingegen perfekt in das Stück: Lederjacken, lange Haare, Ketten, knapp angezogene Damen und der eine oder andere nackte Oberkörper wirken authentisch wie aus dem Bourbon Room entsprungen.

Das Licht leuchtet die Bühnenfläche und – bei Szenen, in denen Figuren durch die Reihen schreiten – auch den Zuschauerraum optimal aus. Nur in einigen wenigen Momenten, vor allem in Ensemble-Szenen und Auftritten des Rockstars Jaxx, fährt die Lichttechnik höhere Geschütze auf und untermalt die turbulenten Teile der Show mit LED-Wand, Projektionen auf die Burgmauer und Discolichtern, so bei “Here I Go Again” oder “Don’t Stop Believing”.

Das Tondesign ist im ersten Akt nicht optimal: Musik und Darsteller sind zu leise, Darsteller insgesamt in Gesangsparts nicht deutlich zu hören. Geschuldet ist dies in keinem Fall der kleinen, aber feinen Rockband, die den Songs alles an Wumms und Kraft gibt, was in ihrer Macht liegt. Die Aussteuerung des Tons lässt schlichtweg keinen vollen, satten Klang zu. Im zweiten Akt bessert sich dies etwas, aber von einem Rock-Musical hätte man deutlich mehr Schmackes erwarten dürfen.

Letzteres gilt auch für einige der Darsteller. Die nötige Power für Rock-Evergreens des Kalibers, mit dem “Rock of Ages” aufwartet, kommt in großen Teilen der Show nicht richtig auf. Auch der starke deutsche Akzent einiger Ensemble-Darsteller fällt in den englischsprachigen Songs unangenehm auf. Das Ensemble, größtenteils bestehend aus jungen Damen, glänzt zwar durch Tanz und Bewegung – auch dank der fetzigen und sexy Choreographien von Doris Marlis – aber gesanglich überzeugen sie bis auf wenige Ausnahmen kaum. Dem entgegenhalten muss man fairerweise die Hitnummer “Here I Go Again”, die sich von einem Chor aus dünnen Stimmchen graduell zu einem wahrhaften Feuerwerk entwickelt – hier kann das Gesangsensemble dann doch noch glänzen!

Auch bei einigen der Hauptdarsteller ist der Gesang ein Schwachpunkt. Michael Gaedt, der neben seiner Regietätigkeit auch noch in die Rolle des Clubbesitzers Dupree schlüpft, “spaltet den Gehörgang” in erster Linie mit vielen unsauberen und schiefen Tönen, die man ihm aufgrund seines grandiosen Schauspiels aber verzeiht. Den abgehalfterten Lebemann, der um das Schicksal seines Clubs und einer Ära ringt, nimmt man ihm zu jeder Sekunde ab. Die Hauptrolle der Sherrie wurde mit Jana Marie Gropp besetzt. Schauspielerisch facettenreich und mit attraktiver Bühnenpräsenz führt auch sie über ihre wackelige Gesangsstimme hinweg. Ihre Bühnenchemie mit Sascha Lien, der als Drew solide singt und spielt, ist nett mit anzusehen. Die Duette der beide gehören allerdings zu den schwächeren Liedern des Abends, wo sie eigentlich richtige ‘Banger’ hätten sein sollen. Anders ist Gropps Zusammenwirken mit Alex Melcher als Stacee Jaxx: die unterhaltsamsten Szenen der Show – vom Techtelmechtel auf der Toilette zu “I Wanna Know What Love Is” bis zum aufgezwungenen Lapdance-Kampf auf “Heat of the Moment” – liefert dieses ungleiche Paar zusammen ab.

Melcher ist in seiner Rolle ein Showstopper: unterhaltsam, lustig, rockig und mit virtuoser Stimmführung haucht er dem stereotypen Rockstar sein Leben ein. Er lässt sich sogar live kopfüber in eine Mülltonne schmeißen, um seinen Niedergang zu verdeutlichen.

Die odenwald-badisch-kurpfälzisch sprechenden Herren Bürgermeister (Peter Steitz), Hertz (Holger Ries) und Franz (Sven Wagenhöfer) sorgen durch ihre aufgesetzten Dialekte für viele Lacher und überspielen ihre gesanglichen Defizite mit Humor, bei dem besonders Sven Wagenhöfer in mehreren Szenen brilliert. Allen voran, als er sich bei “Hit Me with Your Best Shot” erstmals gegen seinen Vater stellt. Stimmlich eine Überraschung ist Markus Wäsch als Sherries Vater, der mit rockiger Reibeisen-Stimme “Sister Christian” anstimmt. Jana Kaltenbach als herrlich trockene Regina wartet mit einer starken Bühnenpräsenz und Stimmgewalt auf – an ihr merkt man, dass klassische Musical-Stimmen eben doch genug ‘Schmackes’ für Rocklieder haben können, ohne dabei explizit rockig zu klingen. Selbiges kann über Elke Christina Podhradsky als Kellnerin Nummer 1 gesagt werden.

Sascha Krebs als Lonnie beweist sich als souveräner Erzähler, Entertainer, Comedian und hervorragender Sänger, der leider zu wenige Solo-Parts abbekommen hat. “He commands the stage”, hätte man dazu eventuell in Hollywood gesagt. Neben Alex Melcher ein Highlight des Abends! Der dritte Höhepunkt in der Runde ist Brigitte Oelke als Justice, die ihr etwas hölzern wirkendes Schauspiel mit einer Stimmbrillanz wettmacht, die ihresgleichen sucht. Nach “Surrender All Your Tears Tonight” und “Every Rose Has Its Thorn” erhält sie zu Recht langen Szenenapplaus. Im Vergleich zum Ensemble und den vielen verpufften Klassikern ist es bedauerlich, dass Krebs und Oelke, denen der Rock-Sound im Blut zu liegen scheint, nur so wenige Chancen haben, den Songs das gebührende Leben und die notwenige Power einzuhauchen.

Insgesamt ist “Rock of Ages” in Zwingenberg ein recht unterhaltsames Musical mit einigen Längen sowie einem spielstarken, aber gesangsschwachen Ensemble, das mithilfe von drei Glanzlichtern durch den Abend getragen wird. Einige sehens- und hörenswerte Passagen, die den steilen Fußweg zum Schloss Zwingenberg zwar lohnen, aber den Zuschauer nicht mit dem Gefühl zurücklassen, hier den wortwörtlichen “Rock of Ages” erlebt zu haben.

 
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KREATIVTEAM
Musical Comedy mit den größten Hits der 1980er-Jahrern
Buch von Chris D’Arienzo
Arrangements und Orchestrierung von Ethan Popp und David Gibbs
Deutsch von Holger Hauer
InszenierungMichael Gaedt
ChoreografieDoris Marlis
Musikalische LeitungRainer Roos
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
SherrieJana Marie Gropp
LonnieSascha Krebs
DrewSascha Lien
Dennis DupreeMichael Gaedt
Stacee JaxxAlex Melcher
JusticeBrigitte Oelke
HertzHolger Ries
FranzSven Wagenhöfer
ReginaJana Kaltenbach
Ramona Umminger
Bürgermeister / JaKeithSascha Oliver Bauer
Joey PrimoHeiko Menger
KellnerinElke Christina Podhradsky
MutterRamona Umminger
Charlotte Schinnagel
VaterMarkus Wäsch
JournalistinMaria Meßner
BarkeeperLukas Arnold
DJAlexander Gellner
Festspielchor, Tänzer und Rockband der Schlossfestspiele Zwingenberg
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Mi, 27.07.2022 20:30Schlossfestspiele, Zwingenberg/NeckarPremiere
Do, 28.07.2022 20:30Schlossfestspiele, Zwingenberg/Neckar
Fr, 29.07.2022 20:30Schlossfestspiele, Zwingenberg/Neckar
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