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Anscheinend glaubt man in Wiesbaden, dass Schauspieler problemlos auch Musical übernehmen können. Anders ist nicht zu erklären, warum die großen Partien dieser Produktion mit Mitgliedern des Schauspiel-Ensembles besetzt wurden. Viele falsche Töne bleiben dem Publikum dennoch erspart, denn es wird – mit einer Ausnahme – auf den Einsatz von Mikrofonen verzichtet. Selbst der gesprochene Text hat es im Großen Haus schwer, beim Zuschauer anzukommen; der Gesang hat keine Chance.
Uwe Eric Laufenberg, Intendant des Staatstheaters Wiesbaden und gelernter Schauspieler, übernimmt den Part des Professor Higgins. Eine Rolle, die er schon als Chef der Kölner Oper für sich geplant hatte. Also sollte man davon ausgehen, dass diese Rolle ihm am Herzen liegt. Umso enttäuschender, dass er aus der dankbaren Figur nichts macht. Lustlos den Text aufsagend, lässt er seine zahlreichen Pointen versanden. Stimmlich ist er nicht sehr gefordert, denn der Part ist primär für einen Schauspieler geschrieben und als Sprechgesang angelegt, aber es hapert auch an Einsätzen und Rhythmusgefühl.
Seine Kollegin Mira Benser ist stimmlich völlig überfordert, dafür überzeugt sie als Schauspielerin. Man nimmt ihrer Eliza sowohl die Gossen-Kratzbürste, als auch die Qual im Unterricht und den Wandel zur Dame ab.
Aus unersichtlichen Gründen hat Björn Breckheimer als Freddy Eynsford-Hill als einziger Darsteller auf der Bühne einen Mikroport. Mit “In der Straße wohnst du” darf er einen Evergreen singen, der die Grenzen seines Tonumfangs deutlich macht. Seine Tanzeinlage fügt sich wenig geschmeidig ein. Warum er bei seinem letzten Auftritt Jeans und Lederjacke trägt, als sei er gerade der “West Side Story” entsprungen, erschließt sich nicht.
Schlichtweg fabelhaft: Michael Birnbaum als Alfred P. Dolittle. Berstend vor Energie, jede Pointe nutzend, gehört ihm die Bühne. Seine kräftige Reibeisen-Stimme kann sich als einzige mühelos durchsetzen. Darstellerisch sind auch Wolfgang Kraus (Oberst Pickering), Petra Welteroth (Mrs. Pearce) und Margit Schulte-Tigges (Mrs. Higgins) starke Stützen des Ensembles und bringen spielfreudig den trockenen Humor des Buchs zur Geltung.
Regisseurin Beka Savic gönnt Oberst Pickering und Mrs. Pearce sogar eine kleine Affäre. Ohne sie zu viel Raum einnehmen zu lassen, inszeniert sie dieses Detail sehr schön mit verstohlenen Blicken und kleinen Gesten. Es ist schwer, neue Ideen für ein so oft gespieltes Stück zu finden. Savic wählt ansonsten den soliden Weg, lässt ihr Ensemble dabei aber zu oft in langen Textpassagen unkreativ und sinnlos auf und ab laufen. Unklar bleibt auch, was sie mit den fünf Straßenartisten ausdrücken wollte. Während der Ouvertüre sind sie schöne Farbtupfer und witzige Pausenfüller, wenn sie während eines Bühnenumbaus vor dem Vorhang “gefangen” sind. Ansonsten sind sie überpräsent, wenn sie mit großer Gestik und Mimik das Geschehen auf der Bühne kommentieren, und unnötig, wenn sie bei “Ich hätt’ getanzt heut‘ Nacht” wie Geister auftauchen und den Fokus der Szene an sich reißen. Die Gaukler fallen auch optisch durch ihre Kostüme zwischen historischem Zirkus und Commedia dell’arte aus dem Rahmen.
Für den Rest des Ensembles hat Claudia Jenatsch schöne 30er Jahre-Kostüme entworfen, die für die Besucher des Ascot-Rennens trotz einiger fantasievoller Hut-Kreationen etwas zu dezent ausgefallen sind. Sie unterstreichen das Bühnenbild, dem Bettina Neuhaus einen charmanten Pop-Up-Bilderbuch-Look gegeben hat. Die Ausleuchtung von Andreas Frank und die gut gesetzten Video-Projektionen von Gérard Naziri runden das Gesamtbild positiv ab. Wenn aber in der Szene in Covent Garden die Passanten statt aus der Oper aus einem Kino kommen, dann sollte auch der Text entsprechend geändert werden.
Durch den Verzicht auf stimmliche Verstärkung muss sich das Hessische Staatsorchester sehr zurücknehmen. Dass die Musiker dabei nicht in angestrengtes Piano-Spiel verfallen, sondern das Tänzerische der Partitur beibehalten, ist eine große Leistung. Der musikalische Leiter Christoph Stiller ist zudem immer wieder gefordert, Bühne und Orchestergraben auf eine Linie zu bringen. Dass ihm und seinen Orchester das gelingt, ist der Grund, warum die Aufführung trotz aller Verständnisprobleme nicht zum akustischen Desaster wird.
Es bleibt die Frage, warum man in Wiesbaden nicht mit eben dieser Besetzung die Schauspiel-Vorlage “Pygmalion” im Kleinen Haus auf den Spielplan genommen hat. Es wäre für alle Beteiligten die einfachere Wahl gewesen. Als Musical bleibt diese Produktion unbefriedigend.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Christoph Stiller |
Inszenierung | Beka Savic |
Bühne | Bettina Neuhaus |
Kostüme | Claudia Jenatsch |
Choreografie | Myriam Lifka |
Licht | Andreas Frank |
Chor | Albert Horne |
Dramaturgie | Katja Leclerc Laura Weber |
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CAST (AKTUELL) |
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Professor Henry Higgins | Uwe Eric Laufenberg |
Mrs. Higgins | Margit Schulte-Tigges |
Eliza Doolittle | Mira Benser |
Alfred P. Doolittle | Michael Birnbaum |
Oberst Pickering | Uwe Kraus |
Freddy Eynsford-Hill | Björn Breckheimer |
Mrs. Eynsford-Hill | Petra Urban |
Mrs. Pearce | Petra Welteroth |
Zoltan Karpathy | Klaus Krückemeyer |
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GALERIE |
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