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KURZBEWERTUNG |
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Ein bis zu tausendköpfiger Mega-Chor aus hochmotivierten Hobbysängern, ein herausragend stimmgewaltiger Hauptcast und extrem eingängige Balladen mischen sich mit stumpfen und hölzernen Dialogen, abgehackten Partituren und Ensemble-Liedern, deren Libretto an Konfirmations- oder Kommunionsunterricht erinnern. Das ambitionierte Tour-Musical “Martin Luther King” in einem Wort zusammengefasst: Ambivalent. In vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Stück, das vieles richtig macht, und einiges nicht ganz.
Aus dem Geschichts- oder Englischunterricht kennt wahrscheinlich jede*r den Namen Martin Luther King. Ein baptistischer Reverend und Aktivist, der unter anderem mit seiner historischen Rede “I have a dream” im Jahre 1963 am Lincoln Memorial in Washington DC das Civil Rights Movement befeuerte und einen großen Schritt in Richtung Gleichberechtigung von People of Colour erreichte.
Das Musical beginnt mit der Ermordung Kings in Memphis 1968 und wird in episodenhaften Rückblicken von einigen seiner Weggefährten präsentiert, unter denen seine Frau Coretta und seine Aktivisten-Kollegen Rosa Parks und Malcolm X sich hervortun und ihre eigenen Geschichten parallel erzählen. Zahlreiche bekannte Ereignisse werden chronologisch im Musical dargestellt. Nach einer kurzen Biographie seiner Jugend, die unter anderem zeigt, wie er zu seinem deutschen Namen “Martin Luther” kam, wird Kings Kennenlernen mit Coretta Scott romantisch angehaucht nacherzählt. Darüber hinaus handelt es sich zu einem großen Teil um historische Episoden aus Kings Leben und weniger Persönliches: Der 1955er Bus-Aufstand von Montgomery um Rosa Parks, die friedlichen Birmingham-Streiks von 1963 und seine großen Differenzen mit Malcolm X’s brutaler Auslegung der Befreiung seiner Leute, seine weltbekannte Rede beim “March on Washington”, seine Predigt in Ostberlin, welches er laut Stück ohne Reisepass und stattdessen mit einer Kreditkarte betreten haben soll, sowie seine Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 1964 dienen dem Stück als roter Faden. Der letzte Teil des Musicals illustriert Kings Selbstzweifel und die immer lauter werdenden kritischen Stimmen an seinem Aktivismus, die letztendlich in seiner Ermordung münden, sodass die verbleibenden Charaktere mit der Frage konfrontiert werden, wie sie Kings Vermächtnis weiter tragen können.
In der Inszenierung des Stücks wird mit Ausnahme des Chors auf Minimalismus gesetzt. Das Bühnenbild besteht aus verschieb- und drehbaren Motivwürfeln, die durch einfaches Umstellen Hintergründe wie die amerikanische Flagge, ein Bild von King oder einen Regenbogen kreieren sowie einem Stuhl und zwei Kisten auf Rollen – die gleichermaßen als Requisitenlager und als Fahrzeug für die Figuren dienen. Keine großen Bühnenelemente oder Installationen sind bei dieser Tourproduktion im Einsatz und auch der Cast ist mit acht Personen ohne weiteres Ensemble vergleichsweise klein.
Dafür ist der genannte Chor das zentrale Merkmal des Musicals und gewaltig besetzt mit laut Programmheft bis zu 1036 Sängerinnen und Sängern; in Wetzlar waren schätzungsweise 800 anwesend. Sie besetzen etwa ein Drittel der gesamten Buderus-Arena, werden wegen der Chorgröße von zwei Dirigenten gleichzeitig geleitet und sind länder-, konfessions- und altersübergreifend von unterschiedlichen Vereinen zusammengeschlossen an diesem Projekt beteiligt. Der volle Klangwirkt vor allem im Refrain vieler Lieder epochal und überwältigend. Mit leuchtenden Armbändern bewaffnet und kleine Choreographien ausübend wird der Chor nahezu zu einer Art Bühnenbild, das durch die Menschenmasse im Hintergrund des Geschehens eindrucksvolle Bilder erzeugt: Wenn hunderte Sänger gleichzeitig aufstehen, versetzt zueinander schunkeln oder mittels La Ola und blauem Hintergrundlicht wie Wellen eines Ozeans wiegen, hat das eine nachhaltige visuelle Wirkung. Der Begriff “Mega-Chor”, mit dem das Stück beworben wird, ist also mehr als gerechtfertigt – mit Sicherheit das große Highlight des Stückes neben einzelnen Darstellern in der Hauptbesetzung.
Deutliche Abzüge gibt es für das Buch und Libretto. So eingängig die Lieder auch sind – und jedes einzelne hat einen Ohrwurm-Charakter – so unmotiviert wirken die Songtexte in weiten Teilen. Die Songtexte werden, zusammen mit Live-Bildaufnahmen der Bühne, auf zwei große Bildschirme in der Arena übertragen und erlauben so, das gesungene Wort direkt zu erfassen. An vielen Stellen wegen der schwierigen Hallenakustik ein dankenswertes Extra, aber bei manchen Liedern wünscht man sich dann doch, dass man sie besser nicht so ganz verstanden hätte. Reime auf “Hirnfurz” oder “Martin, ach du meine Güte, politisch eine Wundertüte” sind nur zwei Beispiele, die beim Libretto für Augenrollen sorgen. Auch sonst wirken viele Songtexte wie 1:1 von religiösen Jugendveranstaltungen entliehen und bieten kaum Tiefe oder Inspiration. Selbiges gilt für die oftmals sehr oberflächlichen und hölzernen Dialoge, die nicht selten unvermittelt in einem hereinplatzenden Song verebben.
Umgekehrt wünscht man sich bei einer großen Portion der Lieder, sie würden – eigentlich schönen Melodien, der wunderbaren Stimmen der Hauptrollen und des dramatischen, sukzessive einsetzenden Chors wegen – noch einige Takte länger gehen, wobei sie leider oft viel zu schnell und abrupt abgewürgt werden und in einem weiteren belanglosen Dialog münden. Als Beispiel hierfür sei das klug eingesetzte Leitthema des Stückes “We shall overcome” genannt, das die Frage aufwirft, wie genau die Differenzen in der Gesellschaft überkommen werden sollen (friedlich oder gewaltbereit), auf dessen volles Ausspielen man aber vergeblich wartet – sehr schade. Da kann auch der riesige mit Luft gefüllte Erdball, der visuell eindrucksvoll und das Publikum interaktiv einspannend durch die Arena getragen wird, nicht von den lauwarmen Texten ablenken.
Die 10-köpfige Band spielt beschwingt mit sattem Sound, den in der Abmischung an vielen Stellen ein mutiger Griff an den Regler hätte noch besser klingen lassen – vor allem Chor und Darsteller gehen oft in der Musik etwas unter. Die Choreographien wirken motiviert und dynamisch, das Lichtdesign schöpft die dramatischen Möglichkeiten einer geschlossenen Arena komplett aus und lässt partiell Konzertstimmung wie in einem Stadion entstehen – alles in allem passend und stimmig umgesetzt. Wie gut Licht, Choreographie, Sound und Kostüme zusammenwirken, zeigen beispielsweise Kings Alptraumszene, in der ihn Fackeln tragende Mitglieder des Ku-Klux-Klans umringen, die sich die Kapuze vom Kopf reißen und sich als Kings Freunde und Weggefährten entpuppen, oder auch der finale Zusammenschluss in Frieden, in Kings Andenken, vor dem Bild eines Regenbogens.
Besonders hervorzuheben sind die Hauptdarsteller, die über die vielen unbefriedigenden Texte mit mächtiger Stimmvirtuosität hinwegsingen und ihren Figuren trotz flachen Dialogen eine Vielschichtigkeit zu geben versuchen. Wahre Stimmwunder sind allen voran Bonita Niessen als Rosa Parks und Karolin Konert als “heilige Geistin” einer weiblichen Auslegung der Stimme Gottes, die Martin Luther King und die andere Protagonisten mahnend und unterstützend begleitet und als eine Art übergeordnete Instanz durch das Stück führt, teilweise auch durch King zu sprechen scheint. Niessen und Konert verfügen über eine unendlich scheinende Bandbreite ihrer Stimmen und ein kraftvolles Timbre, das vor allem in zahlreichen Belting-Passagen in Staunen versetzt. Carole Mhlanga als Kings Frau Coretta beweist, dass sie souverän verschiedenste Gesangsstile von klassisch-opernhaft in “Wo ist der Mann meiner Träume?”über Soul und Gospel bis zu Balladen wie dem Duett “Damals” beherrscht und reiht sich mit Niessen und Konert in den Besetzungshighlights ein, wobei Mhlangas und Niessens Bühnenchemie als beste Freundinnen ein schauspielerischer Höhepunkt der Show ist.
Darrin Byrd als Martin Luther King überzeugt vor allem in seinem großen Solo “Ich hab den Traum” am Ende des ersten Aktes nicht nur stimmlich, sondern auch emotional und in seiner Präsenz als Anführer einer historischen Bevölkerungsbewegung, während es dem Buch geschuldet ist, dass seine Figur ansonsten fast nur von außen beleuchtet wird. Sein Solo “Nimm meine Hand” und das Duett mit Konert “We shall” sind vor allem wegen seiner warmen Gospel-Stimme musikalische Höhepunkte. Eric Papilaya als Malcolm X und Dirk Siebenmorgen als Bull Connor geben überzeugende Gegenspieler zu Kings harmonieliebendem Protest und überzeugen gesanglich und schauspielerisch.
Man geht teils inspiriert und teils stirnrunzelnd aus der Vorstellung heraus, die allein wegen des Chors und der Besetzung aber definitiv lohnt und trotz vieler Textverwirrungen die Nachricht Martin Luther Kings deutlich machen lässt: “Sag es allen – Wasser bricht den Stein!”
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KREATIVTEAM |
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Komposition | Hanjo Gäbler Christoph Terbuyken |
Libretto | Andreas Malessa |
Regie | Andreas Gergen |
Kostüme & Requisite | Sylvia Mansel |
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CAST (AKTUELL) |
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Martin Luther King | Darrin Byrd Andreas Wolfram Eric Papilaya |
Malcolm X | Andreas Wolfram Eric Papilaya Dominik Doll |
Rosa Parks | Bonita Niessen Caroline Mhlanga |
Coretta Scott King | Peti van der Velde Caroline Mhlanga |
Heilige Geistin | Karolin Konert Caroline Mhlanga |
Bull Connor | Leon von Leeuwenberg Benjamin Eberling Dirk Siebenmorgen |
Biederbürger u.a. | Stefan Stara |
Lehrerin u.a. | Kathleen Bauer Caroline Mhlanga |
Cover | Dominik Doll |
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CAST (HISTORY) |
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Martin Luther King | Gino Emnes |
Malcolm X | Andreas Wolfram |
Rosa Parks | Bonita Niessen |
Coretta Scott King | Peti van der Velde |
Heilige Geistin | Karolin Konert |
Bull Connor | Benjamin Eberling |
Ralph Zorn | Stefan Stara |
Lehrerin u.a. | Kathleen Bauer |
Cover | Dominik Doll |
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GALERIE |
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TERMINE |
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Sa, 15.03.2025 19:00 | Campushalle, Flensburg | |
Sa, 22.03.2025 19:00 | Uber-Arena, Berlin | |
Sa, 29.03.2025 14:00 | Messe-Arena, Chemnitz | |
Sa, 29.03.2025 20:00 | Messe-Arena, Chemnitz |
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TERMINE (HISTORY) |
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