Kreativteam | Cast | Termine | Termine (Archiv) |
Ein verunstalteter Junge und ein blindes Mädchen, deren wahre Identitäten im undurchsichtigen Nebel mysteriöser Handlungsstränge versteckt sind, eine degenerierte Herrscherfamilie, ein intriganter Hofnarr, ein gutherziger Puppenspieler mit dunklem Geheimnis – “The Grinning Man” malt die Handlung mit dem dicken Pinsel. Doch getragen von einem hervorragenden Ensemble, findet die Inszenierung im Gothic-Stil die Balance zwischen an Albernheit grenzender Parodie und ergreifendem Drama.
Trafalgar Fair hat eine besondere Jahrmarktssensation zu bieten: Grinpayne, der Mann mit dem schaurig entstellten Gesicht. Ein Unbekannter hat ihm im Kindesalter ein verzerrtes Grinsen ins Gesicht geritzt. Grinpayne lebt gemeinsam mit der blinden Dea, die er als Baby aus den Armen ihrer toten Mutter rettete, bei dem Schausteller Ursus. Eines Tages bricht die dekadente Herrscherfamilie in das ärmliche Jahrmarktsidyll ein. Das bringt Grinpayne unverhofft seinem Ziel näher, den Mann zu finden, der ihm damals Schreckliches angetan hat.
Carl Grose verarbeitet Victor Hugos Roman “Der Mann mit dem Lachen” in ein düster-makabres Märchen. Während Hugo mit Königin Anne eine reale Figur in seine ansonsten erfundene Geschichte einbaut, um die Story in der Realität zu verorten, siedelt Grose sein Stück in einem fiktiven 18. Jahrhundert in der ebenso fiktiven Stadt “Lonndonn” an. Während sich der erste Teil Zeit nimmt, die komplizierten Handlungsstränge nachvollziehbar zu erzählen und die Figuren näher zu beschreiben, kommt es nach der Pause etwas hektisch Schlag auf Schlag.
Betritt man den Zuschauerraum, wird man in eine andere Welt entführt. Der Sitzbereich, der trickreich in das Bühnengeschehen eingebunden wird, ist ein heruntergekommener Jahrmarkt, mit der Bühne als Zentrum. Sie wird von einem übergroßen, weit geöffneten und entstellten Mund umrahmt. Wenn dann Ursus seinen Schaustellerkarren für das Puppentheater öffnet, ergibt sich eine reizvolle Bühne auf der Bühne.
Bühnenbildner Jon Bausor holt aus dem geringen Raum, der ihm zur Verfügung steht,schier unglaubliches heraus. Dabei nutzt er so einfach-effektvolle Techniken wie beleuchtete Tücher, bemalte Wände und geschickte Lichtsetzung, um der beschränkten Spielfläche eine ungeahnte Tiefe zu verleihen. Dafür wurde er zu Recht mit dem UK Theatre Award ausgezeichnet.
Grinpayne und Dea werden als Kinder von Puppen dargestellt. Geführt werden sie von ihren Darstellern, die sie auch singen und sprechen, sowie zwei Puppenspielern. Sie schaffen das, was gutes Puppenspiel ausmacht: Man vergisst die führenden Personen und nimmt die Puppe als gleichwertige Figur der Geschichte wahr. Die Übergänge der verschiedenen Altersstufen – und damit auch der Austausch verschiedener Puppen bis zum Wechsel von Puppen zu echten Darstellern – werden geschmeidig gemeistert.
Überhaupt wird sich ganz hervorragend bewegt. Jane Gibson ist nicht nur Choreographin, sondern wird im Programmheft auch als “Movement Director” bezeichnet. Das lässt Szenenübergänge und die Interaktion mit den Puppen zu einer fließenden Einheit werden.
Die dritte Puppe im Stück ist der Wolf Mojo, das Haustier des Puppenspielers Ursus. Er besteht aus einem Puppenvorderteil, deren ausdrucksstarker Kopf von einem Spieler gesteuert wird. Sein Hinterteil ist ein menschlicher Darsteller, der auch Mojos Vorderbeine bewegt. Diese Symbiose ergibt eine faszinierende Figur, die sogar einmal mit Dea auf dem Rücken durch ein Fenster springt.
Regisseur Tom Morris hat bei “War Horse” schon bewiesen, wie gut er das Zusammenspiel von Mensch und Puppe beherrscht, beschränkt sich aber auf gezielte Einsätze der künstlichen Darsteller. Seine Inszenierung zieht durch den grotesken Grundton, der trotz aller Düsternis immer wieder knallige Farben zulässt, in ihren unheimlichen Bann. Dabei gibt Morris Komik und Slapstick viel Raum, schafft es aber ohne Bruch das ergreifende Drama um Grinpaynes Schicksal einzubinden.
Louis Maskell muss die Hauptfigur fast ohne Mimik spielen. Sein halbes Gesicht ist die meiste Zeit durch eine Bandage verdeckt, durch deren Schlitz er singen muss. Um seinen Charakter darzustellen, bleiben ihm fast nur Blicke und Körpersprache. Seine lyrische und zugleich kraftvolle Singstimme passt gut zu den Duetten mit Dea.
Sie ist die schwächste Figur des Stücks, das personifizierte Gute und damit etwas eindimensional geraten. Dass nur eine Blinde das wahre Wesen des entstellten Mannes erkennt, ist schon ein tiefer Griff in die Kitsch-Kiste. In der besuchten Vorstellung gibt ihr Claire Marie Hall (statt Sanne Den Besten) eine zerbrechliche, geisterhafte Erscheinung. Sie wertet ihren Charakter durch ihre strahlende Stimme und das harmonische Zusammenspiel mit Louis Maskell auf.
Bis sich herausstellt, dass er doch mehr mit der Geschichte zu tun hat, als er glauben machen will, übernimmt der Hofnarr Barkilphedro den Part des Erzählers. Julian Bleach gibt ihm mit krächzender Stimme und verdrehtem Körper eine skurrile, unterwürfige Erscheinung, lässt aber von Anfang an durchblicken, dass mit ihm nicht zu spaßen ist.
Mit einer warmen Soul-Stimme sticht Amanda Wilkin als Prinzessin Josiana aus dem Königsfamilien-Trio heraus, während ihre Bühnen-Geschwister Julie Atherton als Queen Angelica (der Name wurde entgegen der Romanvorlage geändert) und Mark Anderson als Prinz Dirry-Moir keine Pointe auslassen.
Sean Kingsley berührt als Puppenspieler Ursus, ein herzensguter Mensch mit dunkler Vergangenheit. Seine an Tom Waits erinnernden Stimme verleiht dem poetischen Gute-Nacht-Lied “Stars in the Sky” einen besonderen Reiz.
Die Songs von Tim Phillips und Marc Teitler lassen sich am ehesten mit denen der Tiger Lillies für “Shockheaded Peter” vergleichen. Beim ersten Hören sind sie wenig eingängig, aber Lieder wie Grinpaynes Solo “Labyrinth” oder sein Duett mit Dea “Born Broken” schaffen es, trotz oder gerade wegen ihrer Sperrigkeit im Gedächtnis zu bleiben. Ein großer Vorteil der Songs ist auch ihre gute Darstellbarkeit. Sie wollen nicht nur gesungen, sondern interpretiert werden. Bühnenmusik par excellence!
Philips und Teitler scheuen dabei weder Disharmonien noch unverhoffte Melodie-Sprünge. Große Wirkung erzielt die Partitur durch die Instrumentierung. Jenseits von Hörgewohnheiten u.a. mit Bassklarinette, Zymbal, keltischer Harfe und Drehleier besetzt, wird damit die groteske Atmosphäre der Inszenierung unterstrichen. Die gerade einmal fünf Musiker umfassende Band Hans & The Bleeding Cheeks unter Leitung von Tom Deering setzt, unter der Bühne sitzend, die Musik mit bemerkenswerter Klangfarbenpracht um.
“The Grinning Man” ist emotional, witzig und widerspricht auf reizvolle Weise den gängigen Hör- und Sehgewohnheiten. Ein faszinierendes Stück Musiktheater!
Kreativteam | Cast | Termine | Termine (Archiv) | ||||||
KREATIVTEAM |
---|
Inszenierung | Tom Morris |
Bühne | Jon Bausor |
Kostüme | Jean Chan |
Choreographie & Movement Director | Jane Gibson |
Puppendesign und -regie | Finn Caldwell Toby Olié (Gyre and Gimble) |
Kreativteam | Cast | Termine | Termine (Archiv) | ||||||
CAST (AKTUELL) |
---|
Grinpayne | Louis Maskell |
Queen Angelica | Julie Atherton |
Mojo / Kupsak | James Alexander-Taylor |
Dirry-Moir | Mark Anderson |
Dea | Sanne Den Besten |
Trelaw / Osric | Ewan Black |
Barkilphedro | Julian Bleach |
Ursus | Sean Kingsley |
King Clarance | David Bardsley |
Mother / Quake | Sophia Mackay |
Moja / Violin | Loren O`Dair |
Josiana | Amanda Wilkin |
Ensemble | Christina Bloom Jonathan Cobb Leo Elso Claire-Marie Hall |
Kreativteam | Cast | Termine | Termine (Archiv) | ||||||
TERMINE |
---|
keine aktuellen Termine |
---|
Kreativteam | Cast | Termine | Termine (Archiv) | ||||||
TERMINE (HISTORY) |
---|