Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Wenn zum italienischen Drei-Gang-Menü auch noch eine flott inszenierte Italo-Musicalkomödie in guter Besetzung serviert wird, dann schafft das weitere Glücksmomente und man wähnt sich ganz unter sizilianischer Sonne.
Wie verführe ich einen Priester? Die Antwort auf diese ungewöhnliche Frage sucht das italienische Vollblutweib Peppina (Pascale Camele). Vor dreißig Jahren hatte sie eine Affäre mit Paolo (Claudio Maniscalco), bevor sie nach Amerika auswanderte, während ihr sitzengelassener Liebhaber enttäuscht in den Schoß der Kirche floh und als Priester ein Keuschheitsgelübde ablegte. Welch fataler Fehler! Strafversetzt in ein sizilianisches Kaff, trifft Padre Paolo nun überraschend seine Jugendliebe wieder. Im kirchlichen Zwangsexil beichtet er in Zwiegesprächen mit der himmlischen Stimme seines Vorgesetzten (Helmut Baumann als Einspieler) seinen Zwiespalt zwischen Begierde und Zölibat. Auch Peppinas Liebe ist neu entflammt. Mit Hilfe der Tricksereien von Isabella (Susanna Capurso) und Giuseppe (Santiago Ziesmer) kommt es nach so manch dramaturgisch geschickt eingebauter Wendung zu einem ungewöhnlichen, nicht unbedingt mit der katholischen Lehre konform gehenden Happy End der göttlichen Art.
Musikalisch getragen wird “OH MIO DIO” von der kleinen, auf der Bühne gekonnt ins Geschehen integrierten Vier-Mann-Band unter der Leitung von Bijan Azadian. Sie spielt die eingängigen wie gefälligen Kompositionen von Simon Bertling und Christian Hagitte mit viel südländischem Temperament und noch mehr Gefühl für Amore. Die abwechslungsreiche Partitur umfasst rührselige Italo-Schnulzen im 50er-Jahre-Stil, Swingendes, Gospel-Pop sowie Musical-Showstopper. Zu fast allen Soli, Duetten und Ensemblenummern wird getanzt, wofür Julia Böhm die Choreografien mit viel Armgeschwenke entwickelt hat.
Claudio Maniscalco spielt nicht nur die männliche Hauptrolle, er ist auch Librettist, Songtexter und Regisseur in Personalunion. In seiner Inszenierung bringt er die schwankhafte Handlung flott und schnörkellos auf die Bühne. Dabei zünden zwar nicht alle zotigen Gags und platten Albernheiten, doch unterm Strich gelingt Maniscalco gemeinsam mit seiner Co-Regisseurin Susanna Capurso dieser unterhaltsame Italo-Musicalabend multo bene. Das liegt auch an der leckeren Pasta-Pause, die die beiden Akte trennt – aber vor allem an dem guten Cast, der nach Antipasti und vor Dolci im mit bunten Fenstern angedeuteten, stilisierten Kirchenraum von Leonardo di Lorenzo voller Freude spielt, singt und tanzt.
Herausragend, weil eine wahre Traumbesetzung, ist Pascale Camele als sexy Priester-Verführerin. Egal, ob in der Verkleidung der verruchten französischen Sängerin Kiki-Babette, als jodelnde Köchin Franzi aus der Schweiz oder schillernde Schwester Teresa Influenza im Pailletten-Ornat: Camele ist nicht nur eine Vollblutkomikerin, die verschiedene Dialekte beherrscht, sie singt ihre zahlreichen Songs mit sattem Sopran und noch mehr Sexappeal im Augenaufschlag. Zudem ist sie in den von Jörg Leben entworfenen, raffinierten Kostümen voller witziger Details ein strahlender Hingucker.
Claudio Maniscalco gibt einen in sich zerrissenen Padre, der sich seinem überirdischen Chef gegenüber zwar demütig zeigt, dennoch aber ein wahres Schlitzohr ist. In ruhigen Duetten mit Camele (“Seelensonnenschein”) glänzt sein markanter, rauer Bariton ebenso wie solistisch in der Ballade “Männerfreundschaft”, in der Padre Paolo sein Verhältnis zu Gott besingt. Dieses Stück aus der Feder des musikalischen Leiters Bijan Azadian bildet den musikalischen Höhepunkt des Abends. Als drollige, komödiantische Sidekicks bringen Susanna Capurso und Santiago Ziesmer das Publikum immer wieder zum Lachen und harmonieren beim “Tango Duett” auch im Gesang.
Wer eine himmlische Portion Italo-Feeling sehen, hören und schmecken will und nicht erst bis zur nächsten Reise an die Adria oder in die Toscana warten will, dem sei “OH MIO DIO” unbedingt ans Herz gelegt.
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