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Ein satirisches Musical als Uraufführung in der Staatsoperette Dresden? Das Haus sichert sich den Gewinner des ersten CREATORS-Autorenwettbewerbs und legt mit Hausensemble und Hausorchester eine beachtenswerte Produktion des Nachbarschaftsmusicals vor.
Der Supergau: Zehn Tage vor der geplanten Premiere vom “Zzaun!” am 28.10.2017 wird die Bühne der Staatsoperette mit 16.000 Litern Löschwasser überflutet. Der Spielbetrieb wurde eingestellt, die Premiere auf unbestimmte Zeit verschoben. Über vier Monate später erhebt sich am 03.03.2018 endlich der Vorhang für die Uraufführung eines Stückes, das die weitreichenden Auswirkungen eines an sich banalen Nachbarschaftsstreites satirisch skizziert.
Horst und Roland wohnen mit ihren Partnern nebeneinander in ihren Reihenhäusern inklusive Gartenzwergen und Blumenkästen – alle kennen und verstehen sich ausgezeichnet. Eines Tages bricht Horst versehentlich die Spitze des Zauns ab, der die beiden Grundstücke voneinander trennt. Dieser Konflikt entwickelt sich über einen regionalen zum globalen Krieg, den schließlich die Vereinten Nationen schlichten müssen. Tilmann von Blombergs durchaus reizvoller Plot mit vielen Anspielungen auf aktuelle politische Ereignisse wirkt allerdings zuweilen arg konstruiert. Es erschließt sich kaum, warum sich die beiden Parteien plötzlich im Wahlkampf befinden und später als Länder Krieg gegeneinander führen, in dem die vorher als Berater hinzugezogenen Versicherungsvertreter und Anwalt unvermittelt in wichtigen Ämtern mitmischen.
Je länger die Handlung voranschreitet, desto gewissenloser werden die Akteure: Der Zaunhändler wird zum Waffenhändler und auf beiden Seiten wird vor Mord nicht zurückgeschreckt. Die Geschichte findet mit dem Einschreiten der UN, die “Frieden mit Waffen” bringen und “stets Eierkuchen frisch im Haus” haben, ihren Höhepunkt und erreicht dann auch die Qualität des Satire-Gipfels “The Producers”. Zum Epilog wird noch einmal klargestellt, dass durch eine kleine Veränderung im Verhalten genau das Gegenteil erreicht werden kann. War alles Gesehene nur Fantasie?
Alexander Kuschinkas und Tilman von Blombergs Stück belegte 2015 den ersten Platz beim CREATORS-Autorenwettbewerb. Für die Inszenierung holte sich die Staatsoperette den erfahrenen Musical-Regisseur Andreas Gergen ins Boot, der die Akteure immer wieder auf der Fläche vor dem Orchestergraben und im Zuschauerraum auftreten lässt. Dies erzeugt eine große Nähe zum Publikum. Um die Satire stärker zu betonen, hätten die schwarz-humorigen und übertriebenen Momente intensiver ausgekostet werden müssen, wie es zum Beispiel beim Song “Frieden auf Erden” zum Schluss gelingt.
Seine zahlreichen, originellen Ideen hat Kostümbildner Ulli Kremer großartig umgesetzt: Das Ballett als rosa Geschirr, in Glitzerhöschen bzw. blauen Bermudashorts mit Gamaschen sowie die weiße Taube am blauen Kleid der UN-Generalsekretärin. Felix‘ Mutter Walburga hüllt er in edle rot- und goldfarben gehaltene Kleider. Auf Rolands Seite wird die erst gediegene Kleidung mit fortschreitender Handlung immer bunter und militärischer und gipfelt im dunkelroten Generalsrock. Rolands blonde Trump-Mähne wird immer voluminöser.
Im Einheits-Bühnenbild dominiert die Fassade der Reihenhäuser mit Gartenmöbeln und dem titelgebenden weißen, oberschenkelhohen Lattenzaun davor. Später fahren Paletten mit Zäunen und Waffen sowie ein Schreibtisch, ein Sofa und zwei Kanonen herein. Musikalisch ist die abwechslungsreiche und eingängige, mit Walzer, Marsch, Rap und schnell gesungenen Nummern gespickte Partitur bei Peter Christian Feigel mit seinem großen Orchester in den besten Händen. Die Gesangsstimmen sind vereinzelt zu leise abgemischt, was die Textverständlichkeit der pfiffigen Reime einschränkt.
Die Besetzung ist durch die Bank schauspielerisch und gesanglich erstklassig. Das durch den Musical-Jugend-Chor und das Ballett ergänzte elfköpfige Ensemble verkörpert glaubwürdig die klischeehaften, jedoch oft gut ausgearbeiteten Rollen. Axel Köhler gibt den grantigen und überforderten Horst, der mit seiner wesentlich jüngeren, nur auf den ersten Blick naiven Freundin Leonie zusammenlebt. In dieser Rolle kann es die liebevolle Olivia Delauré überhaupt nicht nachvollziehen, warum der Streit so ausartet.
Das hat sie mit Felix gemein, den frisch gebackenen Ehemann von Roland nebenan. Jannick Harneit ist als immerzu Nußkringel-backender und rosa liebender Vorzeigeschwuler Sympathieträger Nummer eins. Christian Grygas möchte als sein Mann Roland auf keinen Fall homosexuell und damit vermeintlich schwach wirken, gerade weil er seine Schwiegermutter Walburga kennenlernt, die wenig begeistert von den Entscheidungen ihres Sohnes ist – für Auftritte im Fernsehen sowie Mitbestimmung an Felix‘ Leben und den politischen Entscheidungen akzeptiert sie aber anscheinend alles. In dieser Rolle nutzt die vorne und hinten stark ausstaffierte Cornelia Drese die besten Pointen des Buches gekonnt und bringt ihre umfangreiche Norma-Desmond-Erfahrung meisterhaft ein.
Horsts freche halbwüchsige Gothic-Tochter Michelle aus einer früheren Beziehung weiß genau, wie sie ihren Vater um den Finger wickelt. Die an der UDK Berlin studierende Lucille-Mareen Mayr empfiehlt sich damit für Figuren, die wissen, wo es langgeht. Als Grundbuch-Beamtin sowie UN-Generalsekretärin hat Silke Richter zwei herrlich komische Auftritte, die sie famos auskostet.
Ein hiesiges satirisches Musical kommt selten in einer solch großen Produktion eines Staatstheaters zur Uraufführung. Auch wenn an Buch und humoristischer Umsetzung noch gefeilt werden kann: Was die Staatsoperette Dresden hier zeigt, ist sehr gut umgesetztes und wunderbar dargebotenes Theaterhandwerk.
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KREATIVTEAM |
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Buch | Tilmann von Blomberg |
Musik und Songtexte | Alexander Kuchinka |
Musikalische Leitung | Peter Christian Feigel |
Inszenierung | Andreas Gergen |
Bühnenbild | Walter Vogelweider |
Kostüme | Ulli Kremer |
Choreografie | Danny Costello |
Dramaturgie | Heiko Cullmann |
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CAST (AKTUELL) |
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Horst | Axel Köhler |
Leonie, Horsts Freundin | Olivia Delauré |
Roland | Christian Grygas |
Felix, Rolands Ehemann | Jannik Harneit |
Michelle, Horsts Tochter | Lucille-Mareen Mayr |
Walburga, Felix Mutter | Cornelia Drese |
Herr Kühn, Versicherungsvertreter | Bryan Rothfuss |
Herr Grundlos, Anwalt | Elmar Andree |
Zaun Müller, Zaunverkäufer | Marcus Günzel |
Irene Sonnenschein, Beamtin | Silke Richter |
Reporter | Dietrich Seydlitz |
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GALERIE |
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