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Ein kahler Bühnenraum ganz in schwarz. Links ein überdimensionales Kreuz. Der Längsbalken ein Traversenträger. Der Querbalken in etwa vier Meter Höhe eine Lichttraverse. Daran gebunden: Jesus von Nazareth im Todeskampf. Auf der Rückseite des Kreuzes: der erhängte Judas Ischariot. Ein Spot wirft den Schatten des Kreuzes auf die Bühnenrückwand. Das Orchester untermalt gefühlvoll die bildgewaltige Schlussszene der Würzburger Premiere von Jesus Christ Superstar.
Pascale-Sabine Chevroton inszeniert die Passion Christi im Hier und Jetzt auf einer Tribüne. Die Würzburger Drehbühne trägt treppenförmige versenkbare Tribünenelemente. Sie bilden die Stufen zum Tempel von Jerusalem, den Hügel von Gethsemane oder den Schreibtisch von Pontius Pilatus. Oft mutiert die Tribüne zu einer Konzertbühne für die Darsteller. Teile der Handlung finden als Konzert auf eben dieser Bühne statt und wirken wie in die Öffentlichkeit gezerrt. Interaktionen der Darsteller und die charakterliche Entwicklung der Figuren erstickt diese Zurschaustellung im Keim.
Wenn Lea Sophie Salfeld als Maria Magdalena “Wie soll ich Ihn nur lieben” mit akustischer Gitarre konzertant intoniert, erinnert Sie an Nicole mit “Ein bisschen Frieden” beim Grand Prix Eurovision de la Chanson. Musikalisch zeigt Saalfeld Potenzial. Mit fein modulierter Stimme singt Sie sich ins Herz des Publikums. Schauspielerisch ist sie in der Inszenierung gefangen und interagiert kaum oder nur sehr oberflächlich mit den anderen Darstellern. Ihr großes Solo über ihre emotionale Zerrissenheit degradiert Chevroton zu einem banalen Liedchen. Völlig auf der Strecke bleibt die Wandlung der Maria Magdalena von einer abgestumpften Prostituierten hin zu einer warmherzigen Frau, die wieder echte Liebe empfinden kann.
Auch Christopher Brose als Jesus von Nazareth und Francisco del Solar als Judas Ischariot spielen nebeneinander her. Christopher Brose müht sich sichtbar ab, die Stärken der Inszenierung zu nutzen und die Schwächen zu überspielen. Immer wieder zeigt er mitreißendes Schauspiel und einen enormen Tonumfang: kräftig in den tiefen Lagen, druckvoll und sicher intonierend im Falsett. Letztendlich reicht jedoch sein intensives Spiel nicht aus, um die Probleme der Inszenierung nachhaltig zu kompensieren. Zumal er mit Francisco del Solar als Judas einen Partner an der Seite hat, der Brose weder musikalisch noch schauspielerisch gewachsen ist.
Del Solar agiert immer wieder mit hängenden Armen wie ein begossener Pudel. Seine Stimme erstarrt in Banalität. Judas Sorge um sein Volk entfremdet ihn von Jesus und eskaliert in Verrat und Selbstmord, doch diese anspruchsvolle Charakterentwicklung fehlt. Francisco del Solar singt streckenweise schwer verständlich, was aber dem hölzernen deutschen Libretto von Anja Hauptmann zuzuschreiben ist.
Musikalisch und dramatisch umrahmen der Hohepriester Kaiphas und Pontius Pilatus das Dreigestirn Jesus/Judas/Maria. Der tiefe und knurrige Bassbariton Bryan Boyce als Kaiphas begeistert vom ersten Ton an. Kaiphas ist der Primus inter Pares der Pharisäer – mit Glatze und schwarzen glänzendem Anzug ein postmoderner Luzifer. Alle Pharisäer sind nicht nur äußerlich mit Kaiphas fast identisch – die Darsteller agieren auch fein aufeinander abgestimmt wie eine Einheit. Ihre Chorpassagen sitzen auf den Punkt.
Der opernhafte Bariton Daniel Fiolka spielt Pontius Pilatus als Autorität mit intensiver Bühnenpräsenz. Pilatus tritt als Manager in Anzug und Krawatte mit Handy und Drehstuhl auf. Eine Analogie zu einem Topmanager drängt sich auf, der scheinbar ohne soziales und ökologisches Gewissen Leben und Natur ruiniert und seine Verantwortung für sein Handeln negiert. Genau das verkörpert Pilatus in Würzburg. Chevroton geht noch weiter und lässt Pilatus – ganz im Geiste des Katastrophenvoyeurismus der Facebook-Generation – ein Handyfoto vom Todgeweihten schießen. Chevroton lässt in Ihrer Inszenierung immer wieder Sozialkritik anklingen und nutzt damit die Chancen des zeitlosen Christus-Stoffes.
Opernchor und Extrachor des Mainfranken Theaters meistern mühelos die komplexe Stimmführung. Mit exzellenter Artikulation und starker Dynamik verschmelzen die Sänger zu einer organischen Einheit.
Die junge Dirigentin Marie Jacquot setzt die Lloyd Webber-Partitur frisch und couragiert um. Einige neue Elemente, wie z. B. ein Saxofonsolo, rocken die Theaterbesucher. Der samtene Streicherteppich ist kein billiger Syntesizerramsch. Hier sind viele Streicher aus ‘Fleisch und Blut’ am Werk und formen transparente Klangwelten. Die E-Gitarre agiert für eine Rockoper dagegen viel zu zurückhaltend. Die über 30 Musiker der Band und des Philharmonischen Orchesters Würzburg führen indes Jacquot manchmal an Ihre Grenzen. Mehr als einmal drohen das Orchester selbst sowie Orchester und Sänger auseinanderzufallen. Es dauert bis zum zweiten Akt, bis Jacquot das Potenzial des Klangkörpers voll entfalten kann: “Gethsemane” zelebrieren Orchester und Christopher Brose mit wuchtiger Eleganz und doch gefühlvoll sensibel. Diese Power wäre bereits in der Ouvertüre wünschenswert gewesen.
Eine selbst für eine Premiere hohe Anzahl von Mikrofonpannen störte ebenso wie auch ein logischer Bruch: Judas erhängt sich nicht am Ende von “Tod des Judas”, sondern erst zwei Songs später am Ende von “Superstar”.
Die Idee einer Inszenierung fern jeden Passionspathos trifft den Kern von Lloyd Webbers “Jesus Christ Superstar”. Realisiert wurde eine Inszenierung mit vielen guten Ansätzen und kreativen Details, die aber in ihrer Gesamtheit Entwicklung und Interaktion der Figuren blockiert. Die Cast kann die Schwächen nicht kompensieren. Gut gemeint ist eben nicht immer auch gut gemacht.
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KREATIVTEAM |
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Regie und Choreografie | Pascale-Sabine Chevroton |
Bühne | Alexandra Burgstaller |
Kostüme | Tanja Liebermann |
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CAST (AKTUELL) |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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