Die viertägige Liebesgeschichte zwischen Francesca und Robert könnte einem Rosamunde-Pilcher-Roman entstammen. Dass die Umsetzung in Trier weder kitschig noch langatmig ist, verdankt sie der feinfühligen, auf die Personen fokussierten Regie von Ulrich Wiggers sowie dem starken Ensemble.
Manche Erlebnisse werfen ein eigentlich geordnet anmutendes Leben komplett aus der Bahn. Diese Erfahrung muss auch Francesca machen. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs verlässt sie ihr Dorf in Italien, um mit dem amerikanischen Soldaten Richard “Bud” Johnson als dessen Farmerfrau in Iowa zu leben. Ihr Mann möchte nicht, dass sie arbeitet und so widmet sie sich voll und ganz dem Haushalt und der Familie. Da das Geld fehlt, hat sie keine Möglichkeit, ihren Geburtsort wiederzusehen. Erst als sie 20 Jahre später – während einer mehrtägigen Abwesenheit ihres Mannes und der beiden Kinder – den Fotografen Robert kennenlernt, wird ihr klar, wie unglücklich sie eigentlich ist. Nach einer kurzen, aber intensiven Affäre mit Robert muss Francesca eine Entscheidung treffen.
Für seine Partitur wurde Jason Robert Brown mit dem Tony Award ausgezeichnet. Seine anmutigen und sensiblen Songs mit den für ihn typischen Klängen aus Folk, Country und Folklore sind mit einem Touch Klassik angereichert. Das Philharmonische Orchester der Stadt Trier unter der Leitung von Dean Wilmington mit seinen 13 Instrumentalisten im Graben bietet mit schönen Cello- und Gitarren-Farben einen klangvollen Ohrenschmaus der differenzierten, eingängigen Musik. Wolfgang Adenberg hat die Texte wie gewohnt flüssig ins Deutsche übertragen.
In Trier sind die Hauptrollen reifer angelegt als bei der Uraufführung 2014 am Broadway (Originaltitel “The Bridges of Madison County”). Regisseur Ulrich Wiggers beleuchtet die Gefühlssituationen der Figuren in diesem kammerspielartigen Stück sehr intensiv und erzählt die Geschichte damit vielfältig und fesselnd. Gerade Francescas Verhalten wird sehr glaubhaft von Carin Filipcic dargestellt, die fast die ganze Aufführung über in Aktion ist. Die Geschichten, die sie mit ihrer warmen und sehr angenehmen Stimme erzählt, übertragen sich mit Leichtigkeit in den Zuschauerraum. Besonders eingängig sind die Rückblenden: im ersten Teil Ensemble-Nummern mit allen Darstellern, später lediglich von ihr gesungen. Vor allem ihr Song “Fast real” ist pure Leidenschaft, obwohl keine Interaktion auf der Bühne stattfindet. Die Lieder sind hier weniger klassisch angelegt als in New York. Filipcic, sowohl schauspielerisch als auch stimmlich in Höhen und Tiefen gleichermaßen blendend, trägt das Musical mühelos und füllt die Rolle in all ihren Facetten wunderbar aus.
Objekt ihrer Begierde ist Hans Neblung als charmanter, langhaariger Fotograf Robert Kincaid, der im Auftrag des National Geographic die berühmten überdachten Brücken der Region fotografieren soll, die sechste und letzte jedoch nicht findet. Er kommt geheimnisvoll und interessant daher und spielt plausibel. Dass seine Gefühle für Francesca echt sind, zeigt spätestens das Telefonat mit seiner Sekretärin am Ende. Obwohl es nicht gerade vor Erotik zwischen ihm und Filipcic knistert, schaffen die beiden eine Spannung in ihrer Affäre, die das Publikum berührt und fesselt.
Den über Francescas Verhalten verwunderten Ehemann Richard “Bud”, durch ein Kissen vor dem Bauch dicker gestaltet, gibt Norman Stehr schlüssig. Die diversen Telefonate zwischen dem Ehepaar, die Francesca stets schnell beendet, machen die kurzfristige Entfremdung beider Figuren deutlich. Ansonsten zeigt Stehr den einfachen Farmer, der sich kein anderes Leben vorstellen kann, als das, das er kennt. Passend besetzt als halbwüchsige Kinder sind die frisch ausgebildeten Darsteller Mariyama Ebel und Chadi Yakoub mit ihren Teenager-Streitigkeiten unter Geschwistern.
In den Buffo-Rollen als neugierige, aber fürsorgliche Nachbarn Marge und Charlie sorgen Conny Hain und Christopher Ryan für einige Lacher. Hain singt zusammen mit Sidonie Smith den Radio-Song “Lass mich dir nah sein” mit toller Rockröhre. Smith begeistert als Geige-spielende Country-Sängerin mit kraftvoller Stimme. Außerdem steht sie in der Rolle von Roberts Ex-Frau auf der Bühne, die im Song “Eine andere Welt” von ihrem Verflossenen als einen Menschen erzählt, der sich (angeblich) nicht binden kann.
Matthias Winklers Bühnenbild ist mit seinen vom Schnürboden herunterfahrenden zweidimensionalen Bildern einfach, aber effektiv. Die Veranda sowie diverse Räume, Hotelzimmer und die überdachte Brücke werden somit angedeutet und geschickt mit dreidimensionalen Elementen verbunden. Das Ganze findet auf zwei Ebenen und auf zwei hintereinanderliegenden, nach oben fahrbaren Podien statt. Der Pick-Up von Robert ist ebenfalls lediglich aus Pappmaché. Eine schöne Idee ist der Sternenhimmel um Francesca und Robert beim Song “Vor dir und danach / Millionen Meilen”. Ergänzt wird die Kulisse durch Projektionen an der Rückwand. Dies ist nicht aufwendig, schafft jedoch anschauliche Inhalte und schnelle Szenenwechsel. Noélie Verdiers zurückhaltende Kostüme sind stimmig zur Handlung im Stil der 60er Jahre gehalten. Einzig in der ersten Szene im zweiten Akt konnte sie sich im Country-Stil mit Fransen an den Kleidern austoben.
Das kleine, zarte Stück “Die Brücken am Fluss” passt wunderbar in ein Haus der Größe des Theaters Trier. In einer Großproduktion ist es kaum vorstellbar – vielleicht der Grund für die kurze Laufzeit am Broadway in einem Haus mit nahezu doppelt so vielen Plätzen. Das Ergebnis der deutschsprachigen Erstaufführung in Trier kann sich sehen und hören lassen.
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